Reha-Training statt "Leben lernen", zu Corona Zeiten!

22. Januar 2021
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7 Minuten Lesezeit

Reha-Training statt "Leben lernen", zu Corona Zeiten!

Seit dem ersten Lockdown vor bald einem Jahr, hat sich mein Training sehr verändert. Bis dahin war "Leben lernen" immer mehr im Vordergrund. Seit Corona kümmere ich mich vor allem um den körperlichen Fortschritt, darunter verstehe ich Reha-Training.

Für das "Leben lernen" habe ich kein Rezept für mich gefunden, denn mein Gehirn ist mit der Situation überfordert. Daher konzentrierte ich mich auf bekanntes, also weiter Gehen lernen und das therapeutische Tanzen, dass nur kurz durch die Lockdowns unterbrochen war.

Wo befinde ich mich?
Wo befinde ich mich???

Der mentale Aspekt

Es ging gar nicht anders, im Gesamten bin ich nach unten gerasselt. Daher wurde der mentale Aspekt sehr wichtig. Nicht hängenlassen und nicht aufgeben, trotz der so veränderten Situation. Mental musste ich das erst verkraften, denn es war nichts mehr wie zuvor.

Mit dem Camino Frances im Jänner/Februar vorigen Jahres, habe ich mir eine Ausgangsbasis geschaffen, die mir sehr über die erste Zeit geholfen hat. Vor allem Mental konnte ich lange davon zehren.

Camino als Reha-Training

Im Laufe des Jahres bekam der mentale Zustand eine immer wichtigere Position. Trotzdem blieb ich dabei, mich auf das körperliche zu konzentrieren. Die Wahrnehmung konnte ich verbessern, besonders durch das therapeutische Tanzen.

Eine unscharfe, einfach ausgesprochene Definition für mentale Stärke ist:

"Gut drauf sein, wenns drauf ankommt."

Manches musste ich ignorieren, oft auch verdrängen, wenn es mir nicht guttat. Deswegen, weil mir einfach in manchen Dingen die Energie fehlt, um mich damit zu befassen. Es ist mir wichtig die innere Freude zu behalten, denn es ist das um und auf für Heilung.

Diese innere Freude ist mir besonders im Reha-Gedanken wichtig. Denn nur wenn ich es mit Freude mache, habe ich etwas davon. Das ist wiederum mit einer mentalen Stärke einfacher zu machen. Denn das ich nach bald fünf Jahren noch immer mit Rehabilitation beschäftigt bin, hätte ich mir nicht im Traum vorstellen können.

Mental wurde es besonders schwierig, Ziele zu verfolgen. Ich konnte mich nur an bewährtes halten, besonders das Reha-Training.

Der Hirnabszess ist noch nicht vorbei

Dass die Folgen des Hirnabszesses noch nicht vorbei sind, wird mir manchmal bewusst gemacht. Manchmal muss ich aufpassen, es nicht zu übertreiben. Es ist dann eine Erschöpfung, die schnell auftritt. Es ist wie ein Hungerast beim Radfahren, nur dauert es länger.

In diesem besonderen Fall muss ich in die Horizontale und die Augen schließen. Meist folgt ein langer Schlaf von 10 bis 12 Stunden darauf. Es ist wichtig, diesen ersten Anzeichen zu folgen, denn beachte ich sie nicht, sind Doppelbilder die Folge und das braucht dann noch mehr Ruhe.

Das passiert mir selten, aber es passiert doch. Es ist ein herantasten an Grenzen, die ich immer weiter ausdehnen möchte. Da passiert es eben manchmal, dass ich an Grenzen anstoße.

Den Körper trainieren, Reha-Training

Wie schon gesagt, ich blieb beim Körper- oder Reha-Training. Den Hauptteil macht das Gehen aus. Flach, bergig, es ist alles dabei. Immer wieder bewusst langsam, versuche ich so den Körper zu stärken und das Gleichgewicht zu trainieren.

Dieses "langsam Gehen" trainiere ich seit Anfang letzten Jahres. Den Hinweis darauf bekam ich von einem laufenden Psychologen, der mir diese Technik empfahl. Am Camino Frances legte ich jeden Tag eine gewisse Strecke ein, um es zu trainieren. Das Gehirn muss mehr denken und die Muskeln werden stärker, um das Gleichgewicht halten zu können.

Ich arbeite hier entgegen der These, dass man anhand der Gehgeschwindigkeit, auf das biologische Alter Rückschlüsse ziehen kann. Bei mir geht es um das koordinative und muskuläre Trainieren und um den Bewegungsablauf. Mit besserer Kraft und Koordination geht man mit der Zeit automatisch schneller, was wieder der Gesundheit zugutekommt.

Langsames Gehen, Reha-Training
Langsames Gehen

Therapeutisches Tanzen

Das therapeutische Tanzen hat mich sicher vor größeren Schaden bewahrt. Es ist die beste aller Therapien, seit dem Hirnabszess und wenn ich es bewerten soll, so steht es an geteilter erster Stelle, zusammen mit Pilgern.

Ich habe so viel dabei erfahren, dass ich sogar mit ein bisschen Wehmut zum Pilgern gefahren bin. Vieles dort gelernte, konnte ich beim Pilgern umsetzen und in Summe brachten mir diese beiden am meisten. Deswegen bin ich auch traurig darüber, dass mir Pilgern in dieser Form für längere Zeit verwehrt bleibt.

Therapeutisches Tanzen als Reha-Training

Oberkörper und innere Stabilität trainieren

Damit habe ich so meine Schwierigkeiten. Im letzten Jahr gab es erstmals kein Fitnessstudio für mich (und auch für die meisten anderen), dieses Jahr wird es kaum anders.

Damit ist ein Training weggefallen, dass mir trotz der Muskelschwäche sehr geholfen hat. Alternatives Training machte ich im letzten Jahr kaum. So wie früher, als ich kleine Baumstämme im Wald zu heben begann. Damit verlor mein Rücken merklich an Stabilität, der sich mit Rückenschmerzen bemerkbar machte.

Erst das Langlaufen machte es wieder besser. Ich hatte Gelegenheit, immer wieder mit einem Freund auf die Teichalm mitzufahren. Bisher mache ich nur Skaten, aber es wäre zu überlegen, auch Klassisch auszuüben.

Beim Skaten fällt die Muskelschwäche besonders auf. Alle hundert bis zweihundert Meter brauche ich eine Pause. Nach mittlerweile sechsmal Langlaufen, bemerke ich aber eine Verbesserung der inneren Stabilität. Das unterstütze ich zu Hause noch mit diversen Kräftigungsübungen, um den Rückenschmerzen zu entkomme.

Langlaufen auf der Teichalm

Mein Problem ist nach wie vor, dass ich so viel trainieren müsste, um Verbesserungen zu erzielen. Es geht aber nicht alles und so komme ich nur Schritt für Schritt voran. Es sind nach wie vor so viele Baustellen zu beachten, die ich nur nach und nach (hoffentlich) beheben kann.

Geh-ABC

Natürlich darf bei der Bewegung auch nicht das Geh-ABC fehlen. Ich kann mich noch erinnern, wie ich es das erste Mal machte. Danach war ich für Wochen zerstört, da es mein Körpersystem so durcheinander geworfen hat.

Alle Übungen mit Springen, mache ich sehr vorsichtig. Ich möchte nicht riskieren, wieder für Wochen außer Gefecht zu sein. Die Übungen tun wirklich gut, aber ich darf es nur vorsichtig steigern. Sprungübungen behandle ich nur vorsichtig. Wenige Male Springen kann das Maximum bedeuten, dass der Tag vorbei ist.

Dazu kann ich das nur bei einigermaßen moderaten Temperaturen machen. Ist es zu kalt, fange ich erst gleich nicht an damit. Es ist sowieso ein Training Tag für Tag. Die gleichen Muskelgruppen gleiche mehrere Tage hintereinander zu trainieren ist sowieso fast nicht möglich.

Geh-ABC, Reha-Training
Geh-ABC

"Leben lernen", in den Öffis

Als einfachste Aufgaben bekam ich 2019 den Auftrag, ins Kino oder Museum zu gehen. Dazu mit der Straßenbahn fahren zu lernen und etwas zu unternehmen, ohne etwas damit zu bezwecken. Besonders das Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln, war für mich Therapie.

Dazu kam etwas Belastendes, ich kann in Öffis nicht stehen und brauche unbedingt einen Sitzplatz, um nicht umzufallen. Das Belastende war aber, niemand konnte es mir ansehen, dass es so war und erklären konnte ich es in der kurzen Zeit nicht. Es war ein immerwährender Kampf darum, einen Sitzplatz zu bekommen. Nicht einmal bin ich an der Haltestelle stehen geblieben, weil keine Aussicht auf einen Sitz war.

Saß ich endlich, begann der nächste Kampf. Mein Körper musste den Fliehkräften standhalten. Was für andere Menschen kein oder kaum Problem ist, wurde für mich zur Mammutaufgabe. In mich verschränkt und abstützend, versuchte ich dem Gewackel entgegenzuhalten.

Jede Fahrt kostete mir alle Energie und es war mir fast unmöglich, keine Therapie darin zu sehen. Es war wie Krafttraining. Es wurde zwar nur wenig besser, aber ich lernte immer öfter etwas zu unternehmen.

Mit Corona fand das ein Ende. Seit bald einem Jahr bin ich nicht mehr mit dem Zug nach Graz gefahren oder war mit dem Bus unterwegs. Ich habe indes begonnen, mich voll und ganz auf die Natur zu konzentrieren, frei nach dem Motto von Hippokrates, "Die Natur sei deine Medizin".

Reha-Therapie in der Natur

Stretching und Gymnastik

Stretching gehört dringend dazu. Letztes Jahr war ich noch nachlässig, aber seit einiger Zeit gehört es zu meinem Tagesablauf dazu. Einige Übungen gehören zu meinem täglichen Pflichtprogramm.

Das 2020er Jahr hat mir viel gekostet, aber ich bin jetzt motiviert, alles dafür zu geben, wieder anschließen zu können, wo ich bereits war und besser zu werden. Ich möchte mein Ziel der 50 % erreichen, denn dann können mich Rückschläge nicht mehr so hart treffen.

Stretching und Gymnastik gehören da dazu, sie sind ein wichtiger Baustein zur Verbesserung. Mit Stretching geht es sich einfach besser.

Stretching im Reha-Training
Stretching im Reha-Training

Gehen als Reha-Training

Gehen lernen ist nach wie vor meine Hauptaufgabe und gerade im Lockdown, eine nach wie vor geliebte Tätigkeit. Manchmal gehe ich ohne Grund, einfach nur um des Gehens willen. Meistens nehme ich mir aber etwas vor. Dann gehe ich besonders langsam, achte auf die Technik oder übe mich im automatischen Gehen.

Besonders in der Automatik habe ich in den letzten Wochen sehr viel geübt. Ich bekomme immer wieder die Rückmeldung, dass man mir beim Gehen nichts ansieht. Das ist zwar schön, aber niemand versteht, was dazu überhaupt nötig ist. Mit jemanden zu sprechen, in schwierigem Terrain, funktioniert immer besser. Es ist aber noch zu viel Konzentration nötig, die mir in Summe zu viel Energie abverlangt.

Gehen im Steilhang,
Reha-Training

Darum heißt es weiter üben, weiter üben und weiter üben. Zeit darf mittlerweile keine Rolle mehr spielen, denn mit einer baldigen Normalisierung habe ich mich abgefunden. Es dauert so lange, wie es dauert.

Fazit

Als Fazit kommt heraus, dass ich noch einige Zeit brauchen werde, um dort wieder hinzukommen, wo ich nach dem Camino war. Corona und der Lockdown hat mir doch mehr gekostet als gedacht. Besonders das Gedächtnis und die Konzentration hat darunter gelitten. Reha-Training musste herhalten, etwas anderes hätte ich im Gehirn nicht geschafft.

Genauso die Kondition und noch vieles mehr. Ich fühle mich zwar einigermaßen gut, muss aber akzeptieren, dass ich im Gesamtzustand trotzdem viel verloren habe. Ich brauche lange, um mich auf neue Dinge umzustellen. Erst die letzten Wochen habe ich wieder mehr zielgerichtetes Denken bekommen, selbst aktiv etwas zu erreichen.

2020 war es eher ein Halten des Zustandes, mehr war einfach nicht drinnen. Die Ungewissheit war zudem ein nicht zu unterschätzender Faktor, nichts konnte geplant werden und das warf mich weit zurück.

Für heuer habe ich bereits einige Pläne, aber ob ich sie verwirklichen kann, steht in den Sternen. Das "Leben lernen" habe ich in der alten Form abgeschrieben und noch keinen Ersatz dafür gefunden. Ich kann nur versuchen, viele therapeutische Ansätze nicht als solche zu sehen und manches zu machen, weil ich es mache und nicht, weil ich ein therapeutisches Ziel erreichen möchte.

Reha-Training

So wird auch dieses Jahr eine Herausforderung, besonders im mentalen Bereich, Reha-Training wird auch weiterhin eine große Rolle spielen. Denn das Leben lernen spielt sich großteils im Kopf ab. Ob und wie ich es hinbringe, wir werden sehen!


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3 comments on “Reha-Training statt "Leben lernen", zu Corona Zeiten!”

  1. Lieber Jörg ,
    Wie du richtig schreibst, der mentale Aspekt in der Corona-Zeit ist sehr wichtig. Ich kann mir vorstellen, dass die veränderte Situation für dich nicht einfach zu verkraften war.

    Zwei Freundinnen von mir, die auch gesundheitliche Themen haben, hat es jetzt in der Corona-Zeit zusätzlich mental ziemlich runtergezogen.

    Aber ich habe den Eindruck, dass es dir im Gegensatz immer wieder gut gelingt das Mentale selbst über dein Tagesablauf positiv zu beeinflussen. Da ist dein Sportlergeist wirklich dein größter Schatz und dein größtes Geschenk ist deine Beharrlichkeit.

    Du hast geschrieben, das „Leben lernen“ spielt sich großteils im Kopf ab. Da stimme ich dir zu.

    Ich habe heute einen Spruch gehört, der hieß:
    „Das Spiel des Lebens kannst du nicht gewinnen, sondern nur leben“ . Lies diesen Satz erst noch einmal langsam durch und lass ihn auf dich wirken.

    Es geht nicht nur darum, Ziele zu erreichen. Ziele sind zwar absolut wichtig, aber nicht das Wichtigste .

    Der Weg ist das Leben. Dein Alltag ist das Leben.
    Herausforderungen zu meistern, wie du es jeden Tag tust, das ist das Leben. Alles zunächst zu akzeptieren, wie es jetzt ist.

    Glück zu empfinden, z.B.
    -wenn die süße Hundedame Gina mit dir mitturnen will oder
    -wenn du mit deinem Freund zum Langlaufen gehst oder
    - wenn du beim therap.Tanzen bist oder
    - wenn du die Wolken am Himmel oder Wasser am Fluss beobachtest ...

    Glück ist der Weg
    (mit all seinen schönen Momenten im Alltag)
    und nicht das Ziel.

    Den Weg zu finden, dass bleibt uns überlassen.

    Lg
    Christiane

    1. Der Satz "das Spiel des Lebens" beschreibt es schön. Manchmal erkennt man nur nicht gleich den Sinn, WARUM das Leben mit einem so spielt.
      Und damit sind wir wieder beim Kopf.
      Bei mir geht es oft um Grundlegende Dinge, um Leben zu lernen. Ein ganz wichtiger Lernprozess ist, nicht in allem Therapie sehen. Was nicht leicht ist, wenn etwas jahrelang wieder in Therapie gelernt werden muss.
      In der Summe ist es dann, diesen Immer währenden Gedanken aus dem Kopf zu bringen,auch wenn es noch nicht funktioniert.
      Darum ist es so wichtig, trotz allem, glücklich zu sein. Mit und ohne Therapie.
      Aber da habe ich noch einiges zu lernen.

      Danke und lg
      Jörg

Ich bin Jörg, wohne in der Nähe von Graz und blogge hier über meinen Weg zurück ins Leben, das ein Hirnabszess 2016 völlig auf den Kopf gestellt hat.
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