Meine wichtigste Erkenntnis bisher - Ich lebe! Es wurde ein neues Leben, an das ich mich oft erst gewöhnen muss. Aber zu Leben, dass hat einen besonderen Stellenwert bekommen. Aufgeben war nie eine Option.
Diesen Wert hatte es schon früher, allerdings veränderte sich meine Sicht darauf. Früher mir wichtiges, hat jetzt nicht mehr diesen Stellenwert. Statt Aufgeben - Weitermachen.
Ich bin noch immer hauptsächlich damit beschäftigt mich und meine Gesundheit wieder herzustellen. Aber das hat Qualität und es ist kein Zwang dahinter. Jeden Tag möglichst positiv abzuschließen ist mir zur Gewohnheit geworden. Eine Dankbarkeit dem Leben gegenüber. Denn man kann das Leben unterschiedlich wahrnehmen. Natürlich hadere ich manchmal. Aber im Gegensatz zur positiven Einstellung sonst verschwindend gering.
Aus diesem Grund nehme ich ab 30.April auch am Jammerfasten von Peter Beer teil. Es wird interessant, wie oft es einem bewusst wird, dass man ins jammern verfällt. Ich freue mich schon auf dieses bewusste Wahrnehmen der Sprache. Wer Lust hat, kann ja daran teilnehmen. Denn wenn man bedenkt, wie die Welt ausschauen könnte, würde niemand jammern! (Hier der LINK zum Mitmachen)
Aufgeben wäre damals eine Option gewesen. Mich nicht der Anstrengung auszusetzen, wieder von vorne beginnen zu müssen. Denn es ist beileibe nicht schön, alles neu zu lernen. Denken, Bewegen, Essen, Schreiben und vieles mehr. Mit 50 Jahren auf der Stufe eines Kindes stehen und die Hälfte des Leben hinter sich zu wissen (In Träumen werde ich immer 96 Jahre alt, daher die Hälfte).
Aber es gab auch die Option weiterzumachen, noch einmal von vorne anzufangen. Ich darf gestehen, aufgeben war für mich nie eine Option. Mein Körper war schon seit den Jahren im Sport darauf programmiert, immer besser zu werden und nicht Aufzugeben. Mit Aufgeben hätte ich nie erfahren, wie es sich anfühlt doch weiterzumachen und wieder zu leben.
Eines ist mir klar. Mein Leben wird nie mehr so sein wie früher. Ich darf aber auch sagen, ich habe in meinen ersten 50 Jahren bereits mehrere Leben gelebt. Wenn ich Revue passiere, was ich schon Erleben durfte, dann passt das ins Leben von mehreren Personen.
Diese Frage habe ich mir gestellt und ich durfte feststellen, dass ich sehr viel erlebt habe. Alles Weitere jetzt ist eine Draufgabe.
An allererster Stelle steht, wieder gesund zu werden. Auch wenn das noch länger dauern soll. Aber was ist schon Zeit, wenn man dem Tod von der Schippe gesprungen ist. Wie oben erwähnt, habe ich noch 45 Jahre vor mir. Was sind schon die paar Jährchen, bis ich wieder einigermaßen gerade gehen und denken kann?
Die ersten Monate war ich manchmal zu versessen darauf, wieder zu funktionieren wie vorher. Bis ich das Ausmaß erst einmal selbst begriffen habe, verging einige Zeit. Denn es ist komisch, denken zu wollen, aber nicht zu können.
Seit erst kurzem kann ich beginnen, zusammenhängendes zu denken. Meist habe ich eine weiße Wand vor mir, aber hin und wieder kann ich einen Gedanken einen Schritt weiter denken. Mein Kurzzeitgedächtnis war und ist noch immer betroffen. Ich tue mich schwer, etwas zu behalten. Einkaufszettel zum Beispiel.
Dafür übe ich an einem speziellen Computerprogramm. Jeder, der es sieht denkt sicher, "Kinderspiele". Aber es reicht, um mein Gehirn zu fordern und zu fördern.
Seit etwa einem Monat habe ich den Schlossberg für mich entdeckt. Bisher war er mir zu steil und für mich nur per Bahn erreichbar. Vor allem die Ortsveränderung tut gut. Neue Wege erkunden und die schöne Aussicht auf Graz genießen.
Ich war stolz, ihn vor kurzem erstmals überschritten zu haben. Der Schlossberg ist ideal, weil es alle paar Meter Bänke zum Ausrasten gibt.
Ein wichtiger Punkt sind dort für mich die Stufen. Es gibt sie in allen Höhen. Bei den fast Knie hohen habe ich ordentlich zu tun. Besonders das Gleichgewicht wird dabei gefordert. So trainiere ich Kraft, Koordination und Gleichgewicht.
Wenn ich die letzten zwei Jahre zurückblicke, dann verging seither kein Tag, an dem ich nicht irgend etwas übte oder trainierte. Wie viele Kilometer bin ich seither gegangen? Ich weiß es nicht. Es ist auch egal. Ich mach einfach jeden Tag weiter, was geht. Wie sagte schon die Moderatorin Monica Lierhaus nach ihrer Gehirnblutung:
"Man darf die Länge des Weges nicht thematisieren!"
Das hatte ich schon in Alaska beim Iditasport Race. Die Länge durfte ich damals auch nicht zum Thema machen. Erst nachher wurde es mir bewusst das ich auf einem Hundeschlittentrail von Graz nach Salzburg fuhr und das bei -35 Grad.
Daran muss ich oft denken zurückdenken und darf es jetzt beherzigen. Es kommt mir manchmal so vor, als wäre der Extremsport früher nur ein Aufwärmen für das Jetzt gewesen. Mein Leitspruch im Leben, den ich schon lange habe, ist:
"Es ist gut so wie es ist, nicht weil es gut ist, sondern weil es ist!"
Seit dem Hirnabszess habe ich eine neue Wahrnehmung in vielen Bereichen. Es ist faszinierend, die Funktion des Gehirns in dieser Art kennen zu lernen und zu erleben was es eigentlich kann.
Ist es aber gut oder schlecht, diese Art der neuen Wahrnehmung? Nun, es ist keines von beiden. Weil es einfach IST. Es ist eine neue Art des Bewusstseins. Gezwungenermaßen beschäftige ich mich viel mit meiner Wahrnehmung, deren Veränderung und wie ich es erlebe.
"...das, was man mit den Sinnen bemerkt",...
...und da hat sich einiges verändert. Manches hatte ich bereits vorher gespürt und anderes spüre ich jetzt verstärkt. Es ist oft nicht leicht diese neue Art der Wahrnehmung ins Leben zu integrieren. Verschiedenes macht mir Angst, weil ich es noch nicht verstehe oder es belastet auch die Beziehung.
Das mit dem neuen Leben ist nicht nur so dahergeredet. Es hat in jeder Beziehung für mich ein neues Leben begonnen. Die Wahrnehmung spielt darin eine große Rolle.
Mit dem Abszess, dass auf den Thalamus drückte, hat alles begonnen. Die Auswirkungen waren, dass ich mich plötzlich durchlässig fühlte, wie ein Schweizer Käse. Es prallten alle möglichen Informationen auf mich ein. Ich konnte nicht unterscheiden zwischen wichtig und unwichtig. Es war wie ein Dauerbeschuss des Raumschiff Enterprise.
Es geht um Informationen, die auf den Körper treffen. Die Menge ist unglaublich. Aus ihnen selektionieren wir und nur einige wenige gelangen normalerweise ins Bewusstsein. Diese bilden die Grundlage für unsere Entscheidungen oder wie wir etwas wahrnehmen. Untersuchungen ergaben unglaubliche Zahlen:
Jeder Supercomputer würde vor Neid erblassen. Solange alles funktioniert ist ja alles ok. Aber was passiert, wenn das Gehirn nicht mehr funktioniert?
Der Körper reagiert ähnlich wie bei einer Computerstörung. Er funktioniert noch, aber er kann die Daten nicht auslesen, weil zu viel hochgeladen wird, was gar nicht beabsichtigt war. Bei mir ist es unter anderem der Durchlass von zu vielen Daten, also von so vielen Informationen, dass ich sie nicht verarbeiten und steuern kann.
Ob es als richtig oder falsch bezeichnet werden kann, so zu funktionieren, sei dahin gestellt. Viele Erkenntnisse, Erfahrungen oder Erfindungen wurden nur unter solchem Funktionieren gemacht. Viele bekannte Persönlichkeiten erlebten diese Art der erhöhten Wahrnehmung. Die Schwierigkeit für mich liegt darin, diese erhöhte Wahrnehmung auch richtig einordnen zu können.
Bestes und einfachstes Beispiel für Wahrnehmung ist ein Einkaufszentrum. Betrete ich eines, strömen Unmengen von Eindrücken auf mich ein und das alles gleichzeitig. Ich bin überfordert damit und kann diese Eindrücke nicht voneinander trennen.
Wir sind normalerweise so programmiert, dass wir unwichtiges aussortieren. 40 bis 50 Eindrücke bleiben übrig und die können wir dann bewusst verarbeiten. Lärm und Umfeldgeräusche, Menschen um uns herum und vieles mehr, belastet uns so nicht.
Auf einen Bruchteil reagieren wir sofort, der Rest kommt in eine Schublade. Bei mir sind es um ein vielfaches mehr an Informationen, die auf mich eintreffen. Vielfach ist noch gelinde ausgedrückt. Es sind so viele, dass ich es nicht mehr verarbeiten kann. Überforderung und in der Folge Schwindel ist in der Regel die Auswirkung. Augen zu und hinsetzen ist oft die einzige Hilfe.
Roboterhaft irre ich dann meinem Ziel zu. Ein Einkaufszentrum ist noch immer eine immense Herausforderung für mich. Das ist aber nur ein kleines Beispiel, dass wahrscheinlich viele nachvollziehen können. Denn von einem Einkaufszentrum sind viele überfordert. Meine Wahrnehmung geht aber noch weit darüber hinaus. Man spricht dann auch von Hochsensibilität oder Hellsichtigkeit.
So wie es diese eine Wahrnehmung gibt, gibt es auch eine andere, eine positivere. Was im Einkaufszentrum so schwer ist, ist in der Natur anders. Denn die Natur ist natürlich. Das Gehirn unterscheidet zwischen natürlich und unnatürlich. Industriell hergestelltes Essen ist oft so. Es ist unnatürlich. Allerdings haben wir verlernt unserer Intuition zu vertrauen, ja, sie überhaupt zu spüren.
In der Natur fühle ich mich wohl und habe eine ganz andere Wahrnehmung als in der Stadt. Es ist interessant den Unterschied zu spüren, ob ich von der Stadt in den Wald oder umgekehrt komme. Ob ich in der Stadt spazieren gehe oder im Wald und der Natur.
In der Natur wurde mein Blick fürs Detail geschärft. Ich hatte ihn schon vorher, besonders beim Filmen. Ob es um Details bei einem Interview ging, eine stimmige Bildkomposition zu erreichen oder die verschiedensten Blickwinkel, die jeder was anderes aussagen, obwohl das gleiche gefilmt. Dieses Gefühl war da, es hat sich aber jetzt auch verschoben.
Man könnte sagen, ich habe jetzt Muße und Zeit einer Blume beim Wachsen zuzusehen. Ich sehe Details, die sonst an vielen vorübergehen. Das ist im Moment meine Welt. Früher habe ich es genossen, fremde Länder, Menschen und Kulturen kennen zu lernen. Jetzt freue ich mich auf die Details während einem Spaziergang rund um mein Haus.
Dadurch das ich so langsam unterwegs bin, kann ich auch mehr wahrnehmen. Und nicht nur wahrnehmen, ich beschäftige mich auch damit.
Der Schlossberg in Graz ist ein Biotop inmitten der Stadt. Ich übe und trainiere jetzt öfters dort, auch um eine Ortsänderung zu haben. Es gibt so viele Details zu entdecken, es ist unerschöpflich. Die Aussicht, die Flora und Fauna, es ist herrlich dort. Für mich auch ideal, weil es überall Parkbänke zum Ausrasten gibt.
Die Wege sind steil und so brauche ich, noch öfter als normal, eine Rast. Die wiederum nutze ich, um mich den Details zu widmen. Eben um Details wie Ameisen, Vögel oder Pflanzen, aber auch Bauwerke, Tafeln und anderes.
Eine Art der Wahrnehmung ist auch: Wie nehme ich meine Krankheit wahr! Denn das kann auch den Heilungsverlauf beeinflussen. Habe ich die Krankheit angenommen oder stehe ich ihr negativ gegenüber. Kann ich daraus lernen oder verteufle ich sie?
Eine Hilfe kann auch sein, dass das medizinische Personal nicht nur auf die körperlichen Krankheitszeichen Rücksicht nimmt, sondern auch die Wahrnehmung der PatientInnen bezüglich ihrer Krankheit beachtet. Ist man positiv oder negativ gestimmt. Denn darauf entsprechend reagiert, kann eine möglichst gute Zeit nach dem Krankenhaus und eine schnellere Heilung erreicht werden.
Ich habe immer wieder von meinem Pflegepersonal ermunternde Worte sowie auch Antworten bekommen. Umso mehr, weil ich selbst zeigte, dass ich gesund werden wollte. Die Unterhaltungen mit Putzfrauen und anderen Helferinnen (wenn ich heute darüber nachdenke, waren es nur Frauen), waren positiv geprägt und haben mir sehr geholfen, meine positive Stimmung zu behalten.
Das ist ein eigenes Kapitel, dass ich ein andermal in einem eigenen Blogbeitrag behandeln werde. Es ist so komplex, dass mir dafür noch die Worte fehlen. Allerdings ist es spannend, das zu beobachten. Entsprechende Literatur gibt es dazu, aber ich muss mir das erst Schritt für Schritt erarbeiten. Wenn ich mich lange genug damit beschäftige, dann kommen auch die Worte dazu.
Mein Gehirn schützt mich davor, wenn ich einmal zu viel möchte. Und DAS ist eben noch zu viel. Ich werde früh genug auch das Erfassen lernen. Nämlich dann, wenn ich soweit bin.
Wie nehmt Ihr eigentlich alles so wahr? Seid Ihr auch überfordert und wenn ja, womit oder warum? Findet Ihr einen Weg aus der Überforderung auszusteigen? Erkennt Ihr die Überforderung früh genug und könnt reagieren?
Über Ostern verbrachte ich einige Tage Urlaub in Kroatien, genauer gesagt in Umag. Es war somit meine erster weiter entfernte Reise seit dem Hirnabszess.
Wir haben ein Appartement einem Hotel vorgezogen, da ich dem Trubel und der Geschäftigkeit dort entgehen wollte. Vordergründig hatte es den Sinn, mir durch einen Ortswechsel einmal im Kopf frei zu geben, soweit dies möglich war.
Seit zwei Jahren komme ich praktisch nicht über Graz hinaus. Daher entstand die Idee, den Frühlingsbeginn am Meer zu verbringen. Ich bin zwar ein Berg-Mensch, bin aber ebenso mein Leben lang gerne ans Meer gefahren. Urlaub und Auszeiten verbrachte ich schon immer gerne am Meer.
Die große Frage war, wie werde ich die Autofahrt vertragen. Es gibt Tage, da ist mir schon die Fahrt nach Graz zu weit und strengt mich ungemein an. Daher hieß es gut planen. Umag wurde deshalb gewählt, da es gut über die Autobahn zu erreichen ist. Große Lenkmanöver blieben mir dadurch erspart.
Außerdem gab es zahlreiche Autobahn-Raststationen, um die Füße aus zutreten und meinen Kreislauf zu stabilisieren. Sitze ich nämlich zu lange aufrecht, bekomme ich noch Probleme mit dem Schwindel.
Den wollten wir dadurch verhindern, dass ich mich im Auto lange ausstrecken konnte. Ich kam zwar nicht ganz in die Waagrechte, aber es half mir deutlich. Ich schloss die meiste Zeit die Augen, um mich nicht den schnellen Bewegungen um mich herum auszusetzen. So war ich bestmöglich auf die Reise vorbereitet.
Das Wetter empfing uns in Kroatien in nicht gerade guter Laune, es war mir aber egal. Ich war dankbar, überhaupt am Meer stehen zu dürfen. Noch vor wenigen Monaten war das für mich unvorstellbar. Es war außerdem ein guter Moment um über meinen Werdegang nachzudenken. Denn vor genau zwei Jahren begann "mein Weg zurück ins Leben". Am 27.März 2016 wurde ich ins Krankenhaus eingeliefert.
Wenn ich zurückschaue, habe ich seit damals viel erreicht. Das ich jetzt hier am Strand von Umag stehen kann, ist einfach toll. Ich habe mir meine Rehabilitation am Anfang sich einfacher und schneller vorgestellt. Ich konnte erst im letzten Jahr realisieren, dass es ein längerer Weg wird. Als der Schleier der Krankheit von mir ging, wurden die Defizite erst wirklich sichtbar.
In der Sommer-Reha in Judendorf fragte mich die Psychologin, was denn wäre, wenn ich bei diesen Defiziten stehen bleiben würde? Es war damals für den Zustand ok, aber für meine Zukunft nicht vorstellbar.
Dazu habe ich zu lange Leistungssport gemacht. Selbst solche Beschränkungen halte ich nicht für ewig. Die Kraft der Gedanken sind endlos. Ich habe oft genug Dinge getan, die unvorstellbar schienen. Und diese Kraft der Gedanken ließen mich das alles bisher Erlebte überstehen.
Zu der Kraft der Gedanken werde ich in nächster Zeit öfter schreiben. Bisher fehlt es mir, dieses Wissen abrufen zu können und in Wort oder Sprache zu bringen. Ich hoffe es bald besser zu können. Denn vieles über was ich gerne Schreiben möchte, kann ich nicht in Wörter umsetzen. Im Geist ist es mir klar, aber ich kann es nicht aussprechen oder niederschreiben. Ein Defizit, das mich noch behindert.
Im Zwiegespräch mit mir selbst oder im Wachliegen und Träumen habe ich alles klar vor mir. Aber sobald ich es in Schrift oder Wort bringen möchte, kann ich es nicht ausdrücken oder umsetzen. Es baut sich eine weiße Wand vor mir auf, die ich nur schwer durchdringen kann. Auch daran übe und arbeite ich.
Ich habe die Tage nicht nur genossen, sondern ich habe auch trainiert - gezwungenermaßen. Denn noch immer ist es so, dass alles Therapie und Training ist.
Besonders die Wege mit den alten Pflastersteinen waren eine Herausforderung für mich. Es war ungewohnt über harte Steine zu gehen. Zu Hause gehe ich doch meist auf Waldboden. Geringfügige Änderungen der Beschaffenheit des Bodens macht mir noch immer zu schaffen.
Entlang des Hafens ist alles betoniert. An für sich gut zum Gehen, allerdings gibt es kaum sichtbare Vertiefungen an vielen Stellen. Der Fuß ist auf eben eingestellt und steigt plötzlich ins Leere. Das forderte mein Gehirn.
Es musste immer wachsam sein, das Gleichgewicht auszutarieren. Das wurde mit der Zeit anstrengend. Mein Gehirn stand unter Daueranstrengung. Deshalb werde ich auch ohne Gehen müde.
Der Vorteil von Hafenpromenaden ist allerdings der, dass alle 50 Meter Parkbänke stehen, wo ich mich ausrasten konnte. Umag - ein trotzdem idealer Therapieort.
Es ist sicher schon jedem passiert, dass er ein Loch übersehen hat und stolperte. Das passiert mir schon bei kleinen Bodenvertiefungen. Gerade am Asphalt oder Beton, wo es eigentlich flach ist. Kleine Vertiefungen bringen mich ins Straucheln. Und Kroatien ist Meister damit. Sooft wie hier bin ich selten aus dem Gleichgewicht gekommen.
So musste ich mich auf viel Neues einstellen. Die Spaziergänge am Meer haben mir am besten gefallen. Das Rauschen des Meeres hat besonders gut getan. Ebenso dem Spiel der Wellen zuschauen. Es hatte eine ähnliche Wirkung auf mich, wie der Wald zu Hause.
Das gesamte Stresssystem wurde spürbar beruhigt und das kognitive System verbessert. Damit wurde mir einmal mehr gezeigt, dass die Natur eine der wichtigsten heilenden Komponenten ist.
Ich habe das Gefühl, dass meine Selbstheilungskräfte in der Natur angeregt werden. Der Aufenthalt am Meer wurde so zu einer wichtigen Erinnerung, mich wieder mehr mit der Natur zu beschäftigen. Ich freue mich schon auf den jetzt erwachenden Wald zu Hause.
Wir verlernen leider immer öfter die wohltuenden Kräfte in unserem Leben zu beachten, sind getrieben davon Geld fürs Überleben aufzutreiben und uns nicht wirklich um die wichtigen Dinge des Lebens kümmern zu können. Die Kraft der Natur und der Gedanken sind dabei ein wesentlicher Baustein auf meinem Weg.
Bisher stand alles unter "Urlaub ODER Therapie". In Umag hatte ich erstmals das Gefühl von "Urlaub UND Therapie". Ich bin allen dankbar, die es mir ermöglicht haben hierher zu kommen.
Schön langsam kann ich bereits einige Meter ohne ohne zu denken zurücklegen. Zwar nur am Asphalt, aber immerhin doch. Mein Ziel ist es, dass in den nächsten Monaten auszubauen. Es ist ein wichtiger Schritt zurück ins Leben.
Das Hirnabszess hat genau auf die Schaltzentrale des Körpers, dem Thalamus, gedrückt. Dadurch ist das Gleichgewicht in Mitleidenschaft gezogen worden. Es regeneriert sich nur sehr langsam.
Wo Licht ist, ist auch Schatten. Der Schatten liegt derzeit in der Familie. Es ist mir schleierhaft, wie wichtig für meine Kinder Handy und Computer sind. Sie erleben mein Schicksal täglich mit und sehen meinen täglichen Einsatz für ein neues Leben.
Aber gerade die Wichtigkeit der Natur konnte ich ihnen bisher nicht vermitteln. Sie driften ab in eine neue Welt, die für mich nicht zu verstehen ist und das gilt für fast meine ganze Generation.
Selbst das Meer und die Flora und Fauna konnte sie kaum begeistern.
Das Handy und der Computer waren auch im Urlaub dabei. Aber wo setzt man Grenzen? Und werden die auch eingehalten?
Wie geht ihr mit dem Thema Kinder und Computer um? Verwenden sie ihn verantwortungsvoll oder müsst ihr Zeitlimits und anderes setzen?
Oder habt ihr auch die Herausforderung, die Kinder vom Bildschirm weg zu bekommen, wisst aber nicht wie?
Fragen über Fragen derzeit, die ich mir stelle?
Mir ist es wieder ins Bewusstsein gekommen, als ich die Bilder vom letzten Blog-Beitrag herausgesucht habe. Es ging um den Urlaub in Kroatien von dem ich, damals mit den Auswirkungen des Hirnabszesses, nach Hause gekommen bin.
Was ich mich noch erinnern konnte, war, dass ich dort mehr fotografiert habe. Aber ich musste feststellen, dass nur einige Fotos übrig waren. Zwei waren mit meinen Kindern, eines mit mir und nur eines, wo wir alle vier gemeinsam drauf waren und ein weiteres. Mehr Fotos gab es nicht.
Auf diesem einen war das Bild einer Eidechse. Ich wusste nicht mehr, dass ich es fotografierte. Es fiel mir aber sofort auf, weil ich noch nie einer Eidechse so nahe kam, um ein Foto formatfüllend machen zu können. Das war auffällig. Ich musste sofort nachsehen, was mir die Eidechse als Krafttier damals sagen wollte und vielleicht heute noch gilt.
Ein Buch über Krafttiere habe ich zu Hause, aber man findet heutzutage auch alles im Internet. Es ist für mich sehr interessant, genau zwei Jahre später, zu erfahren was mir die Echse sagen wollte. Oder war es geplant, dass ich es erst jetzt erfahren sollte?
Aber nun dazu, was mir die Eidechse als Krafttier sagen möchte.
Dieser erste Satz fiel mir gleich auf. Denn eine Wiedergeburt erlebte ich auch in meinem neuen Leben nach dem Hirnabszess.
Es ist verblüffend, das im Zusammenhang mit dem Hirnabszess zu sehen. Denn meine Wünsche und Träume umzusetzen, war mir vor dem Hirnabszess nicht mehr möglich. Zu sehr war ich im Hamsterrad gefangen und hatte meine Träume und Visionen verloren. Mit dem Hirnabszess bin ich gezwungen, mich damit wieder auseinanderzusetzen. Allerdings erst langsam, wichtiger ist das HIER und JETZT.
Und in der Tat, seit dem Hirnabszess habe ich es gerne warm und bin gerne im Freien, um Licht und Wärme zu tanken. Ein heißer Sommer war früher die Hölle für mich. Nicht umsonst war mein Spezialrennen das Iditabike in Alaska.
Ich habe mich im wahrsten Sinne gehäutet und habe jetzt die Gelegenheit mich von Grund auf zu regenerieren. Mein Körper startet von 0 weg. Ich musste erst das alte Leben wie eine Haut abwerfen und beginne jetzt, mich zu regenerieren.
Das ist ein interessanter Aspekt. Die Schwerkraft ist derzeit mein Thema. Ich habe das Gefühl, dass mein Körper schwer ist, bzw. von der Schwerkraft in den Boden gezogen wird. Gehen ist schwerfällig und laufen überhaupt nicht möglich. Dieser Punkt ist ein besonderes Thema. Die Lösung wird mir zufallen, denn darüber nachdenken funktioniert noch nicht. Die Gedanken wollen noch nicht.
Vertrauen, dass alles richtig kommt, was es auch ist. Meine Umwandlung ist derzeit im Gange. Es wird nichts mehr sein wie zuvor und ist es auch nicht. Alles passiert in einem Tempo, dass ungewohnt ist.
Die Langsamkeit hat von mir Besitz ergriffen und das ist schön so, manchmal aber gewöhnungsbedürftig. Denn die Zeit um mich herum ist schnell und hektisch. Darum halte ich es auch nur sehr schwer unter vielen Menschen aus oder in der Stadt.
Das kann ich jetzt gut brauchen. Ich bin meistens gut drauf und vertraue darauf, dass ich bei meinem Bemühen die richtige Unterstützung erhalte. Egal ob bei Physiotherapie oder psychologische Hilfe.
Das kann nur passieren, wenn ich mich den dunklen Seiten meines Wesens stelle. Dadurch wird ein Transformationsprozess einsetzen, der mir neue Blickwinkel ermöglicht und einlädt voll und ganz zu meinem Sein und Wesen JA zu sagen.
Für mich sind sie so wichtig geworden, die Pausen. Das habe ich gelernt. Mit dem Hirnabszess ließe es sich ohne Pausen nicht überleben. Dadurch finde ich immer zur Ruhe und Gelassenheit. Egal wo ich mich befinde oder was ich mache. Mein Befinden hat Vorrang.
Ja, es ist eine große Veränderung geworden. Wie sagte schon die Moderatorin Monica Lierhaus nach ihrer Gehirnblutung:
"Ich bin kein anderer - nur veränderter!"
Auch ich bin kein anderer geworden. Allerdings hat mich die Krankheit und die damit verbundenen Erlebnisse schon verändert. Vieles wird mir Stück für Stück, Woche für Woche, jetzt erst klar. Es ist spannend was die Zukunft bringen wird.
Die Krafttiere werde ich wieder öfter beachten und versuchen die Botschaft dahinter zu verstehen.
Wie ist es mit Euch? Hattet ihr auch Erlebnisse mit Krafttieren?
Der Anfang meiner Odyssee mit dem Hirnabszess. Er begann am 27.März 2016, mit der Einlieferung ins LKH Graz. Innerhalb weniger Stunden wurde mein Leben und das meiner Familie auf den Kopf gestellt.
Der Anfang spielte sich einige Tage vorher in Kroatien ab. Ein Urlaub sollte neue Energie für den Job bringen und so entschlossen wir uns, nach Kroatien zu fahren. Wir waren im Hotel untergebracht und die Arbeit mit dem Kochen wurde uns damit abgenommen.
Es war herrlich. Wir genossen die Tage und ich konnte mich beim Laufen erholen. Die ersten Kilometer unter angenehmen Temperaturen. Am Meer entlang atmete ich die salzhaltige Luft tief ein und war in meinem Element. Es waren angenehme und erholsame Tage.
Einen Tag vor der Heimreise war es plötzlich anders. Ich war mit Silvia vormittags in der Altstadt Kaffee trinken. Im Nachhinein ist ihr aufgefallen, dass ich eine Sonnenbrille trug, was ich sonst nie tat. Ich fühlte mich von der Sonne stark geblendet, schrieb es aber dem Wetter zu. Ich drängte zum Aufbruch, ich wollte nur mehr zurück ins Hotel.
Dort zog ich mich um, denn ich hatte noch einen Lauf vor. Ich schaffte allerdings nur wenige Kilometer und drehte dann kraftlos um. Die letzten Meter zum Hotel wurde mir schwindlig und ich hatte kaum Kraft, mich auf den Beinen zu halten. Ich verkroch mich ins Bett und glaubte an einen grippalen Infekt und dachte mir nicht viel dabei.
Zum Abendessen schleppte ich mich in den Speisesaal, hatte aber keinen Appetit. Gleich darauf legte ich mich schlafen. Ich war nur mehr müde.
Tags darauf verzichtete ich auf das Frühstück und packte lustlos. Ich war nicht mehr in der Lage die Gepäckstücke ins Auto zu laden, geschweige denn mit dem Auto nach Hause zu fahren. Von hier an kann ich mich nicht mehr an viel erinnern. Wir hielten noch an einer Raststation, aber vom weiteren Nachhause kommen weiß ich nichts mehr.
Ich verkroch mich zu Hause im Bett wie ein kranker Hund und gab kaum ein Wort von mir. Ich aß nichts mehr und verdunkelte das Zimmer. Wir dachten noch immer an eine Grippe und das es sich nach einigen Tagen legen würde. An die nächsten zwei Tage kann ich mich kaum mehr erinnern. Ich lag apathisch im Bett.
Silvia waren meine Antworten nicht mehr geheuer. Ich wirkte verwirrt und die Sprache hatte keinen Zusammenhang mehr. Sie machte sich große Sorgen und rief am Ostersonntag den Notarzt. Das war wieder ein wacher Moment von mir, denn daran kann ich mich, mehr oder weniger, erinnern.
Es kamen eine Notärztin und ihre Begleiter. Es war für mich ein langes herumgerede, an dem ich mich kaum beteiligen konnte. Irgendwann verstand ich nur, dass wir ins Krankenhaus fahren würden. Es war eine wieder lange Diskussion, ob ich vom ersten Stock hinuntergetragen werden sollte oder ob ich alleine gehen kann.
All das viele Reden strengte mich an, so kürzte ich es ab und sagte: "Ich kann selber runter gehen". Gesagt getan, ich marschierte los und alle Rettungsleute hinterher. Ich wankte hinunter. Auf die Idee, das sie mich stützten oder einer voranging, kamen sie nicht. Silvia war schockiert, dass keine Vorsichtsmaßnahmen angewendet wurden. Ich hätte in meinem Zustand die Treppe hinunterstürzen können.
Im Rettungswagen wollten sie mich hinsetzen, aber ich konnte mich nicht mehr aufrecht halten. So wurde ich im Bett liegend transportiert. Das war auszuhalten.
In der Notaufnahme angekommen wurde ich auf ein Bett umgelegt. Nach langer Warterei ging es an die Untersuchungen.
Von "Wir wissen es noch nicht" bis "Es kann ein Tumor sein", war alles zu hören. Es gab nur Mutmaßungen. Am Schluss dann das MRT. Es sollte die endgültige Klarheit bringen.
(Zum Beitrag auf der Intensivstation geht es hier)
Mir war mittlerweile alles egal. Ich wollte nur meine Augen zu machen und schlafen. Das meiste bekam ich sowieso nicht mehr mit. Dass ich ein Thalamus-Abszess hatte, das konnte ich nicht mehr verstehen. Ich war weggetreten. Zwischendurch hatte ich lichte Momente und nahm etwas wahr. Verstehen konnte ich es aber nicht.
Ein Hirnabszess endet ohne Behandlung tödlich. 5% bis 20% enden auch heute noch tödlich. Auch bei mir traten bald Bewegungs- und Koordinationsstörungen auf. Dazu kam eine halbseitige Lähmung.
Für die nächsten Monate sollte mein Denken eine neue Dimension annehmen. Es gab keine Gedanken an die Zukunft oder Vergangenheit. Ich lebte nur im HIER und JETZT. Anders wäre es gar nicht möglich gewesen.
Es gab für mich keine Probleme mehr und die Krankheit nahm ich für mich, als nicht bedrohlich wahr. Ich konnte nicht darüber nachdenken. Alle Verbindungen oder Synapsen zu den diversen Arealen waren gestört.
Von Anfang an waren meine Gedanken limitiert und sind es auch heute noch. Noch immer heißt es üben, üben und noch einmal üben.
Nach über zwei Jahren habe ich mir die DVD "Die Gabe", von Damien Lichtenstein, wieder einmal angeschaut. Es geht darin um das Thema, dass jeder Mensch eine Gabe hat (oder einen Sinn/Zweck im Leben), den er besonders gut kann. Diese Gabe kann sich zwar verändern, wird aber meistens den gleichen Sinn erfüllen.
"Gabe" wird laut Duden mit Geschenk definiert. Damit ist gemeint, welches Geschenk ich als Mensch für meine Mitmenschen bin. Man kann auch "Berufung" dazu sagen. Seiner Leidenschaft zu folgen und das tun, hinter dem man voll und ganz steht. Die Berufung kann auch seine Seelenaufgabe sein.
Der Film ist ein guter Anstupser, mich um meine eigene "neue" Berufung zu kümmern. Viel hat sich verändert seit dem Hirnabszess. Die Konzentration und das Denken haben so stark nachgelassen. Meinen Beruf der Videoproduktion kann ich damit nicht mehr ausführen. Auch die Bewegung wird noch längere Zeit in Anspruch nehmen. Damit sind meine vormaligen Jobs einmal hinfällig. Aber was bleibt dann für mich übrig? Nun, dass kann ich erst finden, wenn mein Denken wieder funktioniert.
Meine Gabe war es bisher, Informationen (Wissen) weiterzugeben. Briefträger, Vortragender, Energetiker, Gesundheitsvorträge, Filmproduktion - mein bisheriges Leben drehte sich immer darum Informationen weiterzugeben. Den Briefträger habe ich damals nicht recht verstanden, wie er in dieses Konzept passt. Bis ich darauf gekommen bin, dass er Informationen mittels Briefen und Werbung weitergibt.
Auch das Filmen passt gut in dieses Schema. Ich gab damit filmisch meine Informationen weiter. Für Puls4, Pro7 und Sat1 produzierte ich Nachrichtenbeiträge, für Firmen machte ich Werbevideos und in eigener Sache informierte ich mittels Filmen über meine und anderer Abenteuer oder im Gesundheitsbereich.
Die Art der Weitergabe veränderte sich, es blieb aber bei der Weitergabe von Informationen.
Vor dem Hirnabszess habe ich meine Gabe zwar gekannt, aber am Schluss nicht mehr gelebt. Du merkst es, wenn du es nicht mehr lebst. Auch ich habe es gemerkt. Aber ich änderte nichts oder besser gesagt, zu spät.
Aber was ist meine Gabe nach dem Hirnabszess? Das bisher gemachte kann ich ja nicht (mehr) ausüben. Es hat sich zu viel verändert seither.
Nun, es ist dafür noch zu früh. Meine Defizite im Denken und meine körperliche Leistungsfähigkeit sind noch zu sehr beschränkt, als das ich schon an etwas anderes denken kann. Trotzdem beschäftigt es mich immer wieder.
Mit dem Hirnabszess und seinen Folgen habe ich eine neue (Auf-)Gabe bekommen. Ich ahne sie, kann aber noch nicht so weit denken, um es zu formulieren. Das macht ein bisschen Angst, da die Rehabilitation schon zwei Jahre andauert und ich viel neu lernen muss.
Wo etwas nicht umsetzbar ist, müssen neue Strategien her. Bis man das ins Leben übertragen kann, vergeht viel Zeit. Step by Step, wie in allen anderen Bereichen auch.
Ja, heute vor zwei Jahren begann meine Odyssee. Vieles kommt mir hoch und ich bin manchmal sehr nachdenklich. Was mir aber auch nicht hilft, denn die meisten dieser Gedanken lassen sich nicht fortsetzen. Ich bin noch nicht soweit.
Noch immer kommen einzelne Vorkommnisse hoch, die mir entfallen sind. Schwierige Momente auf der Intensivstation oder der OP. Ich durchlebe dann das damals passierte emotional noch einmal durch.
Meine Emotionen wechseln sich damit dauernd ab. Es geht mir nahe, dass ich mit der Bewegung und dem Greifen noch immer solche Schwierigkeiten habe. Vom Denken möchte ich gar nicht reden. Alles in allem erhoffte ich mir, schon weiter zu sein und mehr zu können. Zu Akzeptieren, das dem nicht so ist, ist manchmal schwer und vor allem, dass es noch länger dauern wird.
Es haltet mich noch vieles davon ab, meiner Gabe näher zu kommen. Manchmal bleibe ich im Bett liegen und versuche an nichts zu denken. Das funktioniert erstaunlich gut. Meditieren ist keine Herausforderung mehr wie früher. Zum Glück, denn in einem Gedanken festzustecken und nicht weiter zu kommen, kann frustrierend sein.
Zurzeit stehen viele Untersuchungen an. Die EU-Pension läuft aus und vieles mehr. Ich muss ich mich mit der Zukunft beschäftigen, obwohl ich noch nicht richtig Denken kann. Für mein Gehirn zu viel. Hätte ich nicht Unterstützung in der Familie, ich würde es nicht schaffen.
Den Film "Die Gabe", sehe ich als eine Unterstützung, um zurück ins Leben zu kommen. Im Moment bin ich am Abklären, was für mich derzeit möglich und nicht möglich ist. Viele Menschen mit Handicap vollbringen tolle Sachen. Das motiviert mich und zeigt mir, es geht auch so.
Meine persönlichen Handicaps sind noch nichts Definitives. Ich bin noch in Rehabilitation und werde alles dafür tun, meine Defizite so gering wie möglich zu bekommen.
Das Schreiben fasziniert mich zurzeit. Es ist mein derzeitiges Hobby und Therapie. Mit etwa 10 Jahren wollte ich Schriftsteller werden. Ich verschlang ein Buch nach dem anderen und wollte selber schreiben. Das war aber in meinem Umfeld als Beruf nicht angesehen. Ich bekam immer wieder zu hören, das sei kein Beruf und ich würde als armer Schlucker enden. Damals gab ich es auf.
Die Krankheit gab mir Gelegenheit zu Schreiben. Zuerst musste ich einen Kugelschreiber halten lernen. Später entstanden die ersten Kringel und viel später lernte ich die ersten Wörter zu Schreiben. Bis ich ganze Sätze zusammen brachte, verging ein Jahr. Damals begann ich meinen Blog. Vielleicht entsteht aus diesen Erlebnissen wirklich ein Buch. Es wäre eine neue Herausforderung, das Handwerk Schreiben, zu lernen.
Und vielleicht hat das was mit meiner neuen Gabe oder Berufung zu tun. Zumindest jetzt hilft es mir. Ob es vielleicht meine neue Gabe sein wird? Man wird sehen!
Aber das gilt nicht nur für mich. Jeder hat eine Gabe. Aber lebt er sie auch?
Man kann sich einfach des öfteren fragen: Habe ich meine Berufung schon gefunden?
Warum muss ich nach so langer Zeit noch immer gehen lernen? Nun, Gehen 2.0 ist noch einmal etwas anderes als bisher. Zunächst war es nur wichtig, wieder mobil zu sein. Die wichtigsten Alltagsanforderungen zu bewerkstelligen. Ich möchte aber wieder Gehen und Laufen können.
Die Zeitdauer habe ich anders einordnen gelernt. Bin ich zuerst davon ausgegangen, dass ich in einem Jahr wieder hergestellt bin, habe ich mittlerweile eine andere Zeitdimension kennengelernt. 5 - 10 Jahre brauchen ähnliche Fälle für die Rehabilitation.
"Ich muss Schmerzen beschreiben können. Jeder Schmerz hat seine Botschaft. Entweder Stop, nicht weiter oder die Bestätigung, dass ein richtiger Prozess angestoßen wird." Hochspringer Mutaz Barshim aus Katar
Diese Aussage ist so wahr. Der Hirnabszess war für mich ein Stop, hier darf ich nicht weiter! Gleichzeitig wurde der Prozess mein Leben zu ändern angestoßen.
Mit dem Gehen und Laufen ist es nicht anders. Ich bekomme Rückmeldungen von meinem Körper und das heißt eben, derzeit Gehen. Ich habe die Jahre zuvor verlernt, auf die Signale des Körpers zu achten. Habe geglaubt, ich bin unverwundbar. Jetzt höre ich darauf, egal was es ist und wie andere darüber denken.
Im Verhältnis bin ich eh schon sehr weit gekommen. Auch wenn es so ausschaut, als wäre bisher nicht viel weitergegangen. Im Krankenhaus, vor jetzt bald 2 Jahren, war ich für lange Zeit bettlägerig und mein Abenteuer, wieder Laufen zu lernen, hat begonnen. (Bisher kann ich aber nur gehen.)
Ein großes Lob gebührt meinen Therapeutinnen Lydia und Kerstin, die mir Zuversicht und Vertrauen gaben. Auf der Reha-Station leisten alle einen unglaublichen Job und ich bin ihnen unendlich dankbar dafür.
Jetzt steht der nächste Schritt bevor. Ich möchte wieder unbekümmert und ohne darüber nachzudenken, gehen können. Später sogar einmal Laufen.
Als ich das Krankenhaus verließ, konnte ich mich zumindest fortbewegen. Der Anfang war gemacht. Alleine das war wie ein Wunder. Das ganze vorige Jahr übte ich ausdauernd daheim und war zweimal auf Reha. Dort bekam ich Standfestigkeit und Sicherheit beim Gehen. So hantelte ich mich Stück für Stück weiter.
Als ehemaliger Leistungssportler weiß ich viel über Trainingslehre, aber das hier sprengte alles. Im oberen Bereich hatte ich Erfahrung, ich wusste wie ich meinen Körper auf Höchstleistung hin trimmen konnte. Aber von 0 anzufangen, dass war Neuland für mich. Zuerst lernte ich den Querbettsitz.
Ich vertraute den Physiotherapeutinnen und verbesserte mich langsam. Nachdem ich das Sitzen geschafft hatte, konnte ich mit dem Rollstuhl fortbewegt werden. Zumindest so lange, bis mir auch im Sitzen schwindlig wurde.
Ich kann mich noch erinnern, als ich das erste mal im Rollstuhl saß. Mein Wille wieder gehen zu können, wurde dadurch angestachelt. Ich wollte mich gar nicht mit der Funktion des Rollstuhls allzu lange aufhalten, wichtiger waren die Vorbereitungen zum Aufstehen.
Wenn niemand im Zimmer war, übte ich das Aufrichten und Aufstehen. Es ging immer nur für kurze Momente, weil die Kraft fehlte. Dazu kam ein ungeheurer Schwindel, kaum das ich mich aufrichtete. Nach zwei, drei Versuchen war die Kraft alle und ich sank erschöpft zurück ins Bett.
Was ich für Gehen lernen halte, hat jetzt eine neue Dimension erreicht. Es geht nicht mehr nur um die reine Fortbewegung, es geht auch darum, wie ich mich fortbewege. Das ungelenkige und steife Gehen ist mir zu wenig, ich möchte mehr. Wieder gehen wie früher. Diesen Anspruch habe ich an mich.
Ab jetzt ist nicht (nur) die Technik gefragt. Ich möchte lernen, wieder unbewusst gehen zu können. Einfach nur gehen - ohne nachzudenken wie und die Steifigkeit ablegen. Denn das unbewusste Steifhalten kostet mich viel Energie, die mich zwar vor Stürzen bewahrt, aber die am Ende des Tages fehlt.
Noch ist die Steifheit ein Sicherheitsfaktor für mich. Mir fehlt noch immer das Gefühl an den Füßen, den Boden mit seinen Unebenheiten zu spüren. Ich wirke wie ein Betrunkener, wenn ich im Schnee, über eine Wiese oder im Wald gehe. Tapse ich ohne Steifhalten in ein Loch, würde ich einknicken und stürzen. Daher das Roboterhafte gehen. Ein Mitgrund, warum ich noch nicht laufen kann. Mir fehlt im Moment das Vertrauen, mich im Falle eines Sturzes schnell genug abrollen zu können.
Ich bin mit der Reaktionsfähigkeit noch zu langsam und würde wie ein Baumstamm umfallen. Verletzungen wären die Folge. Die kann ich mir aber nicht leisten, denn eine Woche nicht Gehen hieße, zwei Wochen wieder zu trainieren, bis ich da bin, wo ich vorher war.
Allerdings habe ich kürzlich von einem Top-Läufer aus Deutschland gelesen. Nach einem Unfall mit Schädel-Hirn Trauma hat er 5 Jahre gebraucht, bis er wieder an einem 10 Kilometer Rennen teilnehmen konnte. In jedem Training stürzte er unzählige male, weil die Motorik nicht mitkam. (Hier gehts zum Artikel)
Ich musste am Anfang wieder erlernen, wie es ist, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Die ersten Wochen und Monate waren Schwerstarbeit, aber ich war motiviert. Die Technik war zu erlernen, ich musste genug Kraft in die Beine bekommen und dazu das Gleichgewicht halten. Es war auch insofern schwierig, da ich nur einem Gedanken folgen konnte, aber mehrere Gedanken zum Gehen notwendig sind. Das war Neuland für mich. Jeder Muskel musste einzeln zum Bewegen angedacht werden. Automatisch ging gar nichts.
Zum Beispiel Fuß anheben oder diesen und jenen Muskel anspannen. Nach wenigen Metern musste ich mich setzen und ausrasten. Nach 15 min war am Anfang Schluss für den Tag. Außerhalb des geschützten Bereiches im Krankenhaus war es nicht möglich. Erst nach 4 Monaten konnte ich zum Ersten mal im Freien ein paar Schritte unternehmen. Nach 5 Monaten konnte ich 300 Meter im Freien gehen. Fragt nicht, wie lange ich dafür brauchte.
Ich kann mich noch erinnern, wie ich zusammen mit meiner Therapeutin Lydia, den Gang im Krankenhaus zum ersten mal schaffte. Es ging auf der Station, um die Kurve, vielleicht 50 Meter weit. Ich war erschöpft, aber glücklich. Zurück rastete ich auf jeder erreichbaren Bank. Alles in allem dauerten die 100 Meter eine halbe Stunde. Aber Zeit spielte damals keine Rolle. Ich war glücklich und jeden meiner weiteren Gehversuche würde ich an dieser neuen Marke messen. In gewisser Weise wurde damals mein Wettkampfinstinkt erweckt.
Bald darauf wurde meine Mobilisation durch die Operation unterbrochen. Nach der OP konnte ich zwar stehen, aber das Gehen war nur begrenzt möglich. Der Rollstuhl war wieder gefragt. In gewisser Weise musste ich damals noch einmal von vorne anfangen. (Hier der Bericht der OP)
So ging es mir monatelang. Ich versuchte die Zeit oder die erreichten Meter immer öfter auszudehnen. Am Ende schaffte ich mehrere Hundert Meter, natürlich immer mit den entsprechenden Pausen. Die brauche ich auch heute noch. Meine Beine werden nach kurzer Zeit schwer und zittrig. Dann muss ich mich setzen und ausrasten. Dafür habe ich immer eine kleine Unterlegsmatte dabei, denn besonders im Winter ist es nicht leicht eine Sitzgelegenheit zu finden. So ausgerüstet kann ich schon etwas über eine Stunde gehen.
Die Technik des Gehens habe ich erlernt, aber es ist ein mechanisches Gehen. Ich gehe, oft nur für mich bemerkbar, wie ein Roboter. Stürze oder ins Straucheln kommen ist unvermeidlich, denn meine Reaktion auf Unebenheiten im Boden ist noch zu langsam. Für ein lockeres Gehen wäre das aber notwendig. Es ist oft vergleichbar mit dem Gang der Teletubbies.
Die Krankheit gab mir die Gelegenheit, meinen Körper von Grund auf neu kennen zu lernen. Natürlich hätte ich den Hirnabszess lieber vermieden, aber die Krankheit gab mir die Möglichkeit vieles kennen zu lernen, was sonst nicht der Fall gewesen wäre.
Viele Themen beschäftigten mich auch schon vorher. Aber Theorie ist die eine Sache, Praxis die andere. Mit der Krankheit bekam ich vieles von einer anderen Seite zu sehen. Es macht einen Unterschied, gesund über Behinderung zu sprechen oder selbst behindert zu sein und darüber zu reden.
Ich habe früher die Nöte und Sorgen verstanden, aber jetzt kann ich aus eigenen Erfahrung drüber sprechen, wie es sich anfühlt, als Behinderter wahrgenommen, oder besser gesagt, NICHT wahrgenommen zu werden. So sehr man sich bemüht, es geht nicht.
Ich kann mich noch gut an einen Dreh für Puls4 erinnern. Am Tag der Behinderung konfrontierten wir auf einem Parkplatz eines Einkaufszentrum Autofahrer, die den Behindertenparkplatz unberechtigterweise für sich in Anspruch nahmen.
Wir zeigten auch, warum es solcher Parkplätze bedarf. Ein Rollstuhlfahrer zeigte mir vor, wie er alleine ins Auto Ein- und Ausstieg. Es wurde sichtbar gemacht, warum man mit Behinderung einfach mehr Platz braucht. Der Beitrag sollte zu einem besseren Miteinander aufrufen und aufzeigen, dass Behindertenparkplätze für wirklich Behinderte freigehalten werden und nicht eine tolle Möglichkeit eines freien Parkplatzes für jedermann ist. Selbst wenn es nur für einige Minuten ist, um in eine Trafik oder Bäckerei zu gehen.
Es sollte verpflichtend in der Fahrschule sein, mit einem Rollstuhl ins Auto einzusteigen. Dann wäre man von Jugend auf besser konditioniert im Zusammenleben mit Behinderten.
Es war ein für mich besonderer Dreh, der mir selbst half, alles besser zu verstehen. Heute kann ich es um so mehr nachempfinden.
Es ist noch ein weiter Weg bis zum Gehen 2.0.
Was hält uns an, im Leben weiter zu tun? Was ist die Motivation? Warum möchten wir Ziele erreichen? Warum weiter leben?
Diese Fragen waren da, aber ich stellte sie mir nicht. Konnte besser gesagt gar nicht. Ich hatte nur Gedanken für das unmittelbar Nächste, was anstand. Andere Gedanken kamen nicht auf, denn es ging einfach nicht.
Als ehemaliger Leistungs- und Extremsportler ging es für mich immer darum, besser zu werden. Wollte ich Geld damit verdienen, musste ich sehr gut in dem sein, was ich machte. Ich war fokussiert und musste manches Opfer bringen, um meine volle Leistungsfähigkeit auszuschöpfen. Erfolg, nicht nur materieller Art, ist der Lohn dafür.
Ich habe immer am eigenen Leib verspürt oder wie es sich anfühlt, an die eigene Grenze zu gehen und meine Grenzen auszuweiten. Diese Erfahrung hat mir geholfen, mich weiterzuentwickeln und den ständigen Lernprozessen des Lebens zu folgen. Das habe ich vor dem Hirnabszess vergessen. Danach wurde ich umso eindrücklicher wieder daran erinnert.
Die Sportvergangenheit hat mir vom ersten Tag an geholfen, zuerst noch unbewusst, an meiner Rehabilitation zu arbeiten. Es war nicht nur die körperliche Seite wiederherzustellen, schwieriger ist es in solchen Situationen einen guten "Mind" zu behalten.
Die Einstellung zählt, bewusst oder unbewusst, wenn man nicht funktioniert. Es wäre leicht gewesen aufzugeben, aber durch meine Konditionierung als Sportler konnte ich gar nicht anders als 'Nicht aufgeben'.
Am 27.März jährt sich mein zweites Leben zum zweiten Mal. Ja, es sind seither schon zwei Jahre vergangen. Zwei Jahre, in denen ich mich nachträglich oft selber frage, woher ich die Kraft nahm zurück ins Leben zu wollen. Ich fiel von einem Tag auf den anderen von einem Läufer, der 50 Kilometer in den Bergen zurücklegen konnte, in den Zustand der Bettlägerigkeit und Abhängigkeit.
Die folgenden fünf Wochen sah ich kein Badezimmer oder WC von innen. Alles wurde, großteils von anderen Personen, ausschließlich im Bett für mich erledigt. Für mich zuerst ein unerträglicher Zustand, über den ich, Gottseidank, damals nicht weiter nachdenken konnte. Ich ließ es geschehen und war dankbar dafür, Menschen die mir helfen, um mich herum zu haben. Meine Motivation ins "normale" Leben zurückzukehren, wurde damit größer.
Ich konnte nicht an die Zukunft denken. Ich war völlig im HIER und JETZT gefangen. Und das war auch gut so. Nachdenken über die Situation, in der ich steckte, hätte zuviel Energie gebraucht. Die war für Essentielleres reserviert.
Ich war gefangen in meinem Körper und vertraute einzig darauf, dass er alles richtig macht und das Richtige für mich gemacht wird. Diesem Vertrauen gab ich mich völlig hin, brauchte nicht darüber nachzudenken. Das war der erste Schritt zur Gesundung - VERTRAUEN!
Das lässt mich täglich, seit zwei Jahren, weitermachen. Vertrauen darin zu haben, dass nichts stillsteht. Es immer weiter geht.
Veränderungen waren unter anderem mein Thema vor dem Hirnabszess. Ich war der Meinung, mich nicht verändern zu können, ja, zu dürfen. Zuviel sprach dagegen. Veränderungen waren halbherzig und nicht mit vollem Ernst durchgezogen. Die Krankheit brachte dann eine grundlegende Veränderung. Ich lernte sie anzunehmen. Nicht Annehmen hätte ein Aufgeben des Lebens bedeutet. Im Nachhinein gesehen war es doch möglich zu verändern.
Meine Motivation bestand am Anfang darin, wieder gehen zu lernen. Ich durfte lange nicht ohne eine anwesende Krankenschwester aus dem Bett aufstehen, geschweige denn, zum zwei Meter entfernten Esstisch im Zimmer zu gehen.
Um aufs Klo zu gelangen, musste ich eine Schwester rufen, die mich im Rollstuhl hinbrachte. Sie half mir, mich umzusetzen und ließ mich dann mein Geschäft alleine machen. Dauerte es länger, fragte sie mich durch die Türe, ob es mir gut geht. Ich konnte ja jederzeit einen Schwindelanfall haben.
Abgesehen davon, konnte ich nur einen kurzen Augenblick stehen. Alleine die Hose hochziehen war fast ein Ding der Unmöglichkeit. Alles Punkte, die meine Motivation aber nur steigerten. Ich WOLLTE es wieder können. (Hier gehts zum Beitrag übers Gehen lernen)
Solche Erlebnisse machen einem bewusst, wie abhängig man von anderen ist und welch kleiner Stein man im Universum ist. Er macht zugleich dankbar dem Leben gegenüber und man lernt den Moment zu schätzen.
Wahrscheinlich regt es mich daher so auf, dass meine Kinder so viel Zeit vor dem Computer verbringen. Denn ich habe gelernt, meine Zeit sinnvoll einzusetzen, selbst wenn das Schlafen bedeutet. Ein Computer ist für mich definitiv nicht das Lebenssinn stiftende. Wer einmal erfahren hat, wie schnell es zu Ende sein kann, der lernt den Moment mit sinnvollen Bereichen zu füllen.
Das wurde eine bedeutende Frage für mich, bis heute. Ich neige oft dazu, zu sehen, was nicht geht. Ich kann den Fortschritt oft nicht selbst sehen und hadere eher damit, dass etwas noch nicht funktioniert. Einerseits gut, denn Ungeduld treibt mich an, es wieder und wieder zu versuchen. Andererseits darf ich akzeptieren, wo ich stehe.
Es ist ja keine Prüfung, sondern es ist mit einem Haus vergleichbar. Jeder Tag, jedes Training ist wie ein Baustein. Ziegel um Ziegel baue ich auf und es dauert lange, bis das Haus steht.
Meine Rehabilitation ist wie ein Haus bauen. Und vorrangig ist und bleibt es: Habe ich mich heute dafür gewürdigt? Habe ich erkannt, dass mich jeder Tag vorwärtsbringt, was es auch ist. Habe ich, wenn auch nur einen kleinen Ziegel, aufgebaut fürs Leben.
Die Fortschritte in der Neurologie, besonders was die Nerven betrifft, können sehr langsam sein, fast nicht erkennbar. Für mich als Betroffenen ist das oft frustrierend. In solchen Momenten heißt es zu akzeptieren und zu würdigen, dass es so ist. Nicht darüber jammern, was nicht geht. Dann geht es allen, inklusive mir, besser.
Ich sehe mir gerne Trailrunning - Zeitschriften an. Seit ich aus dem Krankenhaus bin, habe ich mir jede Ausgabe der Trailrunning Szene gekauft. Da ich viel mit der Kraft der Vorstellung arbeite, tun mir die schönen Trail-Bilder gut. Solche Art der Motivation tut gut.
Gerade das Trailrunning hat mir im bisherigen Verlauf sehr geholfen, auch wenn ich es nicht ausüben kann. Es motiviert mich täglich alles dafür zu geben, solche Momente wieder zu erleben.
Zurzeit ist es ja so, dass ich bergauf nur unter großen Anstrengungen gehen kann. Die konditionelle Verbesserung geht nur im Rahmen der neurologischen Möglichkeiten. Es geht nicht so schnell, wie früher im Sport. Es dauert um ein Vielfaches länger. Viel Wissen muss ich erst wieder reaktivieren.
Da helfen mir die Tipps aus der Zeitschrift sehr gut. Im letzten Heft sind gute Beispiele für Visualisierungstechniken angeführt, wie auch für Outdoor Gym. Mein Gedächtnis braucht immer wieder einen Anstupser. Ich vergesse oft innerhalb von Sekunden, was ich eigentlich wollte. Ich arbeite zwar dran, aber ich brauche immer wieder die Erinnerung. In Zeitschriften bekomme ich wertvolle Hinweise, die mir weiter helfen.
Als besonders gut fand ich die Visualisierungstechnik vom Phyisiotherapeuten Florian Reiter: Ein unsichtbarer Faden zieht dich nach oben, zum Beispiel an einem Husky hängend. So trainierte ich kürzlich am Schlossberg in Graz, den ich zum ersten Mal zu Fuß erklimmen konnte. In Gedanken wurde ich von einem Husky hochgezogen.
So finde ich immer wieder viele gute Tipps für meine Reha. Step by Step!
Außerdem habe ich immer gerne geplant. Vieles, vor allem Längerfristiges, geht noch nicht zu denken, weil ich Gedankensprüngen oder einen Gedanken weiter zu denken, noch nicht mächtig bin.
Wann kann ich wieder laufen, wann kann ich wieder Reisen? Es ist da, aber zu weit weg. Noch nicht zu beantworten. Wichtiger sind die kurzfristigen Pläne. Sie sind notwendig, um die Gegenwart besser zu erleben.
Einen Plan fürs Gehen zu erstellen. Einen anderen fürs Lernen am Computer und einen anderen für die Zeit mit der Familie.
Umso besser geplant, umso besser funktioniert alles.
So viel zu "meinem Weg zurück" derzeit, der mit vielen Herausforderungen gespickt ist.
Heute möchte ich einmal DANKE sagen. Danke an all jene, die mich über Social Media an Ihrem Leben teilhaben lassen. Es gibt mir die Möglichkeit auch anderes zu sehen, außerhalb meiner derzeitigen Welt. Vor allem die Bilder, egal ob auf Facebook oder Instagram, geben mir viel. Besonders die Bilder vom Trailrunning. Durch sie kann ich die ganze Welt bereisen, zumindest im Kopf.
Ich folge vielen Blogs aus allen möglichen Sparten. Es sind die vielen Berichte mit Fotos, vom Profi bis Jedermann(frau). Alltägliches und kurze Nachrichten, die mein Leben derzeit bereichern. Es ist für mich nicht immer nur lustig, in der eigenen Welt gefangen zu sein. Manchmal möchte ich auch ausbrechen.
Denn meine Welt findet noch immer praktisch nur im Umkreis von ein paar Kilometern rund um mein Zuhause statt. Gelegentliche Ausflüge in die Stadt oder in die Umgebung von Graz bringen Abwechslung in meinen Alltag. Ich gewöhne mich nur langsam an den Lärm und Stress in der Stadt. Meine Träume und Ziele kann ich noch nicht verwirklichen. Daher tut es mir gut, wenn ich zum Beispiel Bilder vom Jakobsweg sehe. So wird mir vieles immer wieder vor Augen gehalten. Die Bilder nutze ich für die Kraft der Vorstellung.
Viele Bilder sind natürlich für Facebook oder Instagram gestellt, nach bearbeitet und haben mit der Wirklichkeit oft nichts zu tun. Das stört mich aber nicht, denn ich brauche die Bilder für meinen Kopf. Sie müssen mich ansprechen und zum Träumen verleiten. Das hilft mir weiter.
Mein jetziges Leben unterscheidet sich von meinem bisherigen Leben. Früher war ich auf der ganzen Welt unterwegs und konnte viel erleben. Diese Zeit der Abenteuer ist vorbei, zumindest für jetzt. Mittlerweile habe ich aber gelernt meine Ziele zu verändern und flexibel zu halten. Ich möchte zwar wieder Trailrunning ausüben, aber es ist nicht mehr mein vorrangiges Ziel.
Wichtiger ist, was gerade geschieht. Auf das muss ich mich konzentrieren.
Diese Woche habe ich die Lesung eines steirischen Schriftstellers besucht. Er hat unter anderem einen Motivations-Vortrag darüber gehalten, wie er mit seiner Behinderung umgeht. Es tat erfrischend gut, ihm zuzuhören. Für ihn hat der WEG die gleiche Wertigkeit wie das ZIEL. Gut daran erinnert zu werden, dass das Ziel nicht alles ist. Der Weg darf dieselbe Wertigkeit bekommen. Sonst besteht die Gefahr, vor lauter Ziel, den Weg nicht genießen zu können.
Im April 2016 reifte in mir der Entschluss, mit meinem Schicksal an die Öffentlichkeit zu gehen. Mehrere Gründe waren ausschlaggebend. Einer war, in einem Blog über den Verlauf meiner Rehabilitation zu berichten. Es hilft mir, das Geschehen zu reflektieren und zu verarbeiten.
Ein weiterer Grund war, dass ich kaum Berichte über Erlebnisse und den Umgang mit Hirnabszessen im Netz fand. Es gab keine Erfahrungsberichte von Betroffenen über ihren Heilungsverlauf zu lesen. Nur klinische Berichte konnte ich googeln.
Die Folgen einer Gehirnblutung sind ähnlich der eines Gehirnabszesses. Meine Erfahrungen wollte ich nicht für mich behalten. Vielleicht können sie dem einen oder anderen helfen und Mut geben. So brachte ich meinen Blog ein Jahr später, Ende April 2017, online ins Netz.
Aber es gibt noch einen dritten Grund. Mein Blog ist nicht nur zum Verarbeiten meiner Krankheit, sondern er trainiert auch meine Finger und das Gehirn. Noch bin ich weit weg davon, flüssig schreiben zu können, aber es hat mir schon in Sachen Fingerfertigkeit geholfen.
Fizzelige, kleine Handhabe ist für mich noch immer schwierig. Das Schreiben für den Blog hat es aber verbessert. Ich muss mein Gehirn anstrengen, um einen Beitrag zusammen zu stellen. Eine wohltuende Abwechslung zu den anderen Gehirn-Übungen und Computerprogrammen.
Und in all dem hat Social Media einen großen Stellenwert bekommen. Der Austausch mit anderen ist mir wichtig geworden und das geht eben digital derzeit besser. Am analogen Austausch arbeite ich noch, obwohl ich auch digital Nachholbedarf habe. Kommentieren fällt mir noch schwer und ich bin schnell überfordert.
So wurde Social Media ein wichtiger Baustein in meinem Leben, wenn es auch nicht alles ist. In der analogen Natur zu spazieren ist nicht zu toppen. Einfach nur gesund werden ist noch immer das Wichtigste für mich.
Folgender Spruch hat nicht nur für mich Gültigkeit:
"Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts!"
Arthur Schopenhauer (1788-1860)
Der Winter hat es zurzeit in sich. Erst Schnee und jetzt auch noch Kälte, richtige Kälte wohlgemerkt. Hindernisse, die meinen Weg zurück, erschweren. Es zeichnete sich schon im letzten Winter ab, dass mein Körper für Kälte anfällig ist.
Bewegung im Freien wird damit mühsam, ich fühle mich eingefroren und meine Körperfunktion ist langsamer. Aber ich versuche trotzdem nach draußen zu gehen. Gerade im Schnee kann ich gut das Gleichgewicht üben. Mit der Kälte wird es noch schwerer.
Im Juni vorigen Jahres lernte ich in der Rehaklinik auf Schubser von außen zu reagieren. Wichtig für mich, um nicht gleich bei jedem Rempler umzufallen. Das war bis dorthin ein großes Manko. Ich getraute mich lange nicht unter Menschen zu gehen. Immer war die Angst präsent, gestoßen zu werden.
Ich war so konzentriert auf die Bewegung, dass ich auf Schubser nicht reagieren konnte. Stürze konnte ich nur mit Mühe und Glück vermeiden, wenn es auch einige Male nicht ohne blaue Flecken oder Abschürfungen ging.
Man kann sich kaum vorstellen, was es bedarf, auf verschiedenen Untergründen zu gehen und dann Schubsern ausgesetzt zu sein. In der Stadt passiert das immer wieder. Diesen Bewegungsablauf muss ich erst wieder einstudieren. Danke an meine Therapeutinnen, die mir dabei helfen.
Das in der Reha gelernte, übte ich in den folgenden Monaten intensiv zu Hause weiter. Ab Herbst war ich gegen unvermeidliche Stöße einigermaßen gewappnet. Ich habe zwar noch immer eine Vermeidungstaktik in mir, aber ich bin schon wesentlich stabiler. Menschengruppen weiche ich großräumig aus oder ich bleibe stehen. Kein gutes Gefühl für einen ehemals feinfühligen Bewegungsmenschen wie mich.
Es fehlt mir die Geschmeidigkeit, um mich wo durchzuwurschteln. Technische Trails hatte ich gerne beim Laufen. Jetzt fühlt es sich an, wie der Elefant im Porzellanladen.
Der tiefe Schnee auf Waldwegen ist dafür ein gutes Training. Ausgleichsbewegungen mit Händen und Füßen darf ich zulassen. So soll die Geschmeidigkeit wieder zurückkommen, auch wenn das noch dauern wird. Herumfliegende Hände und Beine sowie kurviges Gehen im Schnee ist derzeit für mich der Alltag.
Es schaut nicht schön aus, soll mir aber helfen, wieder das Gefühl fürs Gehen zu bekommen. Kommt mir im Wald wer entgegen, bleibe ich stehen oder versuche, "schön" weiterzugehen. Es ist mir unangenehm, wenn mir jemand dabei zusieht, wie ich durch den Wald torkle, fast wie betrunken.
Meine Arbeit besteht darin, wieder die Kontrolle über meine Körperfunktionen zu erlangen - und das mit einem noch geschwächten Muskelapparat. Ich schreibe viel über meine Bewegung, aber untrennbar damit verbunden, ist das Gehirn oder die Denkfähigkeit. Es gehört genauso trainiert, wenn nicht noch mehr. Verbessere ich mein Denken, wird der Körper folgen. Das stelle ich immer wieder fest.
Schon in meiner Zeit als Radrennfahrer hatte ich dazu genug Erlebnisse. Aus diesem Grund ist mentales Training so wichtig, denn unser Geist ist mächtig. Das sollte man sich immer wieder bewusst machen und so werden Hindernisse schneller ausgeräumt.
"Man soll sich mehr um die Seele kümmern, denn Vollkommenheit der Seele richtet die Schwächen des Körpers auf, aber geistlose Kraft macht die Seele nicht besser"
Demokrit, griechischer Philosoph