Camino abgebrochen – Wenn der Körper Nein sagt und der wahre Weg beginnt

Einige Tage sind vergangen, seit ich meinen Camino abgebrochen habe, in denen ich Ursachenforschung betreiben konnte. Es war kein dramatischer Moment, in dem alles plötzlich zu viel wurde. Eher ein langsames, inneres Leiser werden. Ein Ziehen und Zerren, im Körper und der Seele. Bis die Erkenntnis kam: Ich gehe nicht weiter.

Es war ein inneres Wissen: Weiterzugehen hätte mir nicht gutgetan. Beim Weitwandern lernte ich, dass sich vieles unterwegs verändern kann. Der Körper, die Gedanken, Wetter, Wege. Erfahrene Wanderer raten: „Warte einen Tag, iss gut, ruhe dich aus – und dann spür noch einmal hinein.“ 

Seit dem Hirnabszess hat sich jedoch meine Wahrnehmung verändert. Ich bin feinfühliger geworden, nicht nur körperlich, auch seelisch. Ich spüre sehr genau, wann etwas stimmig ist und wann nicht. Diesmal sagte alles in mir: Es ist genug für jetzt. Der Weg ist noch nicht vorbei, das Beenden an diesem Punkt richtig.

Mein Start in Judendorf zum Camino Integrale

Der Moment als ich den Camino abgebrochen habe

Ich habe den Camino Integral abgebrochen. Nicht aus einem einzigen Grund, sondern aus vielen kleinen, die zusammen ein großes „Nein“ ergaben. Meine Entscheidung war nicht gegen den Weg, sondern gegen das Weitergehen um jeden Preis. Denn eines habe ich gelernt in den letzten Jahren nur das zu tun, was mir guttut.

Es war keine schwierige Entscheidung, denn meine Gesundheit hat immer oberste Priorität. Natürlich mache ich es mir nicht leicht, denn leichtfertig gibt man so eine Unternehmung nicht auf und bisher hat ja das meiste geklappt, bloß war es diesmal notwendig.

Camino abgebrochen

Was geblieben ist: Ein müder Körper, ein lautes Innen

Ich spürte es in den Beinen und noch mehr im Herzen. Der Körper wurde schwer. Die Gedanken laut. Die Freude am Gehen wich einem inneren Druck, der mit jedem Schritt größer wurde. Die Beine spürten sich an, wie noch nie in den letzten Jahren. Es ist das erste Mal, dass ich einen Camino abgebrochen habe.

Wieder zu Hause bewege ich mich wie durch Nebel. Nicht nur äußerlich, auch innerlich ist vieles verschwommen. Entscheidungen fallen mir schwer und so versuche ich nicht zu viel zu denken. Die kleinsten Aufgaben fordern mich heraus. Manchmal ist schon das Aufstehen am Morgen ein Kraftakt.

Den Camino abgebrochen

Vielleicht war es mehr als Erschöpfung

Ich beginne zu ahnen, vielleicht war dieser Abbruch kein Zeichen von Schwäche. Sondern ein Ausdruck von etwas Tieferem. Vielleicht ist mein Körper längst weiter als ich.

Vielleicht hat das Gehen etwas gelöst – aber nicht auf eine Weise, wie ich es erwartet hätte. Die ersten Tage sind der Ursachenforschung gewidmet.

Camino Integrale

Meine ersten kleinen Schritte zurück

Um die Ursache zu finden, heißt es zunächst Innenschau zu halten, zu Pausieren und mit viel Ruhe.

  • Pausieren
  • Dem Körper zuhören
  • Sprechen und Schreiben
  • Therapie in Erwägung ziehen
  • Sanfte Bewegung, therapeutisches Tanzen
  • Im Wald spazieren gehen

Wenn der Körper erinnert, was die Seele noch nicht fassen kann

Dieser Abbruch ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Ausdruck von etwas Tieferem. Etwas, das gesehen werden will. Vielleicht ist mein Körper längst weiter als ich. Vielleicht hat dieser Weg etwas freigelegt, das lange verborgen war oder ich mir nie anschauen wollte.

Schon seit meinem kurzem Camino im Mai habe ich eine Veränderung an mir gemerkt. Irgendetwas war anders, aber ich konnte es nicht benennen. Es gab immer wieder Anzeichen, aber ich wollte sie nicht sehen. Im Gegenteil, ich dachte daran, dieses Befinden am Weg weggehen zu können.

Vielleicht ist es eine kPTBS (komplexe posttraumatische Belastungsstörung) – und mein Körper weiß es längst 

Je tiefer ich in mich hineinschaue, desto mehr spüre ich: Das, was gerade in mir geschieht, hat nicht erst mit dem Camino angefangen. Und es hört auch nicht mit dem Abbruch auf.

Ich habe angefangen - wieder einmal - mich mit der komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (kPTBS) zu beschäftigen – nicht, weil ich eine Diagnose suche, sondern weil ich verstehen will, warum mein Körper so reagiert, wie er reagiert. Warum ich manchmal einfach nicht mehr kann, obwohl ich „eigentlich“ doch will. 

Schon im März 2022, unterwegs am Camino Frances, geschah etwas, das tiefer ging. Ich ging damals weiter, ging es mir gewissermaßen im Gehen weg, denn da bin ich bei mir. Schritt für Schritt fand ich wieder Zugang zu mir selbst.

In Rücksprache mit meiner Tanztherapeutin griff ich auf Werkzeuge zurück, die ich durch die Tanztherapie kennengelernt hatte. Bewegungen, die nicht nur den Körper, sondern auch die Seele in Schwingung bringen. Es brauchte Zeit, Geduld – und viele Wege unter meinen Füßen. Doch schließlich konnte ich es auflösen. Auf meine Weise. Im Gehen. Im Spüren.

Camino Frances 2022
Camino Frances 2022

Es passiert mir nicht oft, aber auch neun Jahre nach dem Hirnabszess ist diese Möglichkeit des Trauma da.   

Die kPTBS ist keine Schwäche.

Sie ist eine Reaktion auf etwas, das einmal zu viel war.
Zu viel Schmerz. Zu viel Ohnmacht. Zu viel Einsamkeit.

Mögliche Ursachen – und was davon auf mich zutrifft

Viele Menschen mit einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung haben andauernde oder wiederholte traumatische Erfahrungen durchlebt.
Bei mir war es die langanhaltende Krankheit und die medizinischen Eingriffe, die mehr waren als nur Belastung – sie waren vkomplexer posttraumatischer Belastungsstörunerbunden mit Angst, Isolation und dem Gefühl, die Kontrolle zu verlieren.

Doch die eigentlichen Auslöser reichen weiter zurück. Es sind Muster aus der Vergangenheit, tief eingegraben, oft unsichtbar – aber wirksam. Der Kopf mag vieles vergessen haben, aber der Körper nicht.
Er erinnert.
Und manchmal spricht er. In Form von Erschöpfung, in Form dieser inneren Leere. Oder in diesem schwer zu greifenden Gefühl: „Ich kann nicht mehr.“

Komplexe PTBS begleitet mich seit Jahren. Sie kehrt zurück – weil mein Gehirn nicht mehr so arbeitet wie früher. Oft will ich mehr, als mein Kopf zulässt. Doch genau das zwingt mich dann hinzuschauen.
Manchmal ist ein Abbruch kein Rückschritt.
Sondern der Anfang von etwas Neuem. Der Beginn von Heilung.

Gerade frühe Erfahrungen hinterlassen Spuren. Auch wenn sie im Nachhinein kaum noch greifbar sind. Der Kopf blendet aus. Der Körper nicht.
Er erinnert.
Und manchmal erinnert er so laut, dass ich ihn nicht mehr überhören kann.

Dieses „Ich kann nicht mehr“ – es fällt nicht einfach so vom Himmel. Es ist ein Echo.
Ein Echo einer Geschichte, die viel früher begonnen hat.

Was mir hilft – oder helfen könnte

Die Diagnose einer kPTBS gehört in erfahrene Hände. Ich weiß:
Ich will da hinschauen.
Ich will heilen.
Und ich muss es nicht allein tun.

Es gibt viele therapeutische Wege, die speziell für Menschen mit komplexer Traumatisierung entwickelt wurden. Einige davon werde ich mir näher anschauen – einige kenne ich schon:

  • Traumaspezifische Psychotherapie
  • PITT – Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie
  • DBT – Dialektisch-Behaviorale Therapie
  • Somatic Experiencing – Arbeit mit Körperempfindungen, z.B. therapeutisches Tanzen
  • EMDR

Sie alle laden dazu ein, das Erlebte zu spüren, zu integrieren, zu wandeln.
Langsam und in sicherem Tempo. In Beziehung.

Ein anderer Weg beginnt – im Stillstand

Vielleicht ist dieser Abbruch nicht mein Ende – sondern mein Anfang.
Und vielleicht geht es beim Gehen nicht immer darum, vorwärtszukommen.
Sondern manchmal einfach darum, anzuhalten – und zuzuhören.

Camino abgebrochen
Abbruch

Ich wollte mich auf diesem Camino finden.
Und fand mich im Stillstand.
Im Abbruch.
Im Anhalten.
Aber vielleicht beginnt genau hier ein anderer Weg.

Mein Camino Integrale dauerte nicht lange, aber jeder Schritt war den Weg wert. Es ist ein weiterer Schritt zu "ganzheitlich“ oder „das Ganze betreffend”. Ich bedauere es nicht, den Camino abgebrochen zu haben.


Mein Camino Integrale – vom Hirnabszess bis ans Ende der Welt

Was vor Jahren als Neuanfang begann, ist heute eine Reise, die weit über das Gehen hinausgeht. Mein Camino Integrale wird mich von der eigenen Haustür bis nach Finesterre führen. 3.500 Kilometer zu Fuß, durch die Natur, über Berge und durch Städte. Dazwischen, die letzten Etappen des HexaTrek, durch die Pyrenäen, die mir noch fehlen.

Der Hirnabszess wirkte wie das Ende, aber es wurde zum Anfang eines Lebens, das ich Schritt für Schritt neu zusammensetzen musste.
Körperlich. Geistig. Innerlich.

Gewonnen habe ich schon jetzt, denn zu (Über-)Leben ist mein größter Gewinn geworden. Allerdings liegt ein weiter Raum zwischen dem bloßen Überleben und dem wirklichen Leben. Akzeptieren wie es ist, bleibt ein wichtiger Bestandteil, doch ich werde nie hinnehmen, dass es so bleiben muss. Das ist Teil meiner Motivation.

Der Camino Integrale ist kein klassischer Jakobsweg, wie der Name vielleicht darauf hindeutet. Denn es ist ein Weg, den ich für mich einfach so genannt habe.
Ein Weg des Erinnerns, des Reduzierens, des Wiederfindens.
Ein Weg, der verbinden soll, was lange getrennt war: Körper und Geist – mit dem Leben selbst.

Seit neun Jahren versuche ich Grenzen zu verschieben und ins Leben zu kommen. Ob und wie weit dieser Weg wirklich wird, weiß ich noch immer nicht.

Der Weg nach Finesterre wird in jedem Fall ein weiterer wichtiger Schritt sein, denn im Gehen bin ich bei mir und lebe am besten mit den Handicaps.

Camino Integrale, mein Weg zum Ganzwerden
2016, zum ersten Mal nach dem Krankenhaus im 300 Meter entfernten Wald

Was bedeutet Camino "Integrale"?

Der Camino Integrale – diesen Pilgerweg gibt es nicht dem Namen nach, er existiert nur in meinem Kopf. Integral bedeutet „ein Ganzes ausmachend“, „vollständig“, „unversehrt“ oder auch „nicht geteilt“. Genau deshalb habe ich dieser Reise diese Überschrift gegeben. Es ist für mich weit mehr als nur ein Pilgerweg. Denn er beschreibt meinen Versuch, seit nunmehr neun Jahren die Bruchstücke meines Lebens wieder zu einem Ganzen zu fügen.

Vor einigen Jahren hatte ich einen Hirnabszess, der vieles verändert hat, körperlich wie geistig. Seitdem ist nichts mehr selbstverständlich. Auch das Gehen nicht. Koordination, Körperwahrnehmung, Gleichgewicht, alles musste ich mir mühsam zurückholen und muss weiterhin täglich daran arbeiten, es zu erhalten.

Jeder Weg seither ist eine Übung, jede Wanderung ein Stück mehr Selbstermächtigung. Die Rückeroberung von etwas, das einst selbstverständlich war. Wer macht sich schon Gedanken, über das eigene Gehen oder wie von einem Sessel aufstehen.

„Integrale“ steht dabei für das Ganze – für einen Weg, der

  • körperlich fordernd,
  • geistig klärend und
  • emotional heilsam ist.

Es ist mein Weg durch Städte und Natur, durch Berge und Erinnerungen, durch Gegenwart und Vergangenheit.

Walkabout, Teil meines Camino Integrale
Mit Gehen das Leben zurückgeholt

Im Camino Integrale verbinden sich:
– meine therapeutischen Schritte, mit meinem inneren Ruf, weiterzugehen.
– das medizinisch Notwendige, mit dem spirituell Heilsamen.
– das Leben danach, mit dem Menschen, der ich immer war – und der ich wieder werden möchte.

Camino Frances, Teil meines Camino Integrale
Camino Frances

Der Entschluss

Der Entschluss begann vor langer Zeit in mir zu reifen:
Im Juli breche ich zu Fuß auf – von zu Hause bis nach Santiago de Compostela, genauer gesagt: bis Finesterre. Kein Flug, kein Zug, kein Bus. Ich möchte den ganzen Weg gehen. Vom ersten Schritt an, bis zum Ende.

Die Idee dazu begleitet mich seit meinem ersten Camino 2018. Damals begegnete ich einem Ehepaar aus Holland, das direkt vor der eigenen Haustür gestartet ist. Diese Begegnung hat sich tief in mir eingeprägt und hat mich nie mehr losgelassen.

Seitdem ist da dieser Gedanke:
Eines Tages werde ich das auch tun.
Nicht irgendwo einsteigen – sondern zu Hause die Tür hinter mir schließen und losgehen. Dann kam die Pandemie. Der Walkabout 2021 war mein erster Versuch und eine einzigartige Erfahrung, hinter mir die Tür zuzuschließen, zu gehen und zwei Monaten später, sie wieder aufzuschließen.

Und jetzt ist dieser neue Moment gekommen.
Die Zeit ist reif, der Gedanke ist gereift – und der Weg ruft.
Ich werde gehen. Von zu Hause aus. Schritt für Schritt, hinein in das, was vor mir liegt:
mein ganz persönlicher Camino Integrale.

Vorbereitung und Packen für den Camino Integrale

Ich werde wieder leicht gehen. Über die Jahre habe ich meine Ausrüstung immer weiter reduziert, angepasst, verfeinert. Jedes Teil, das ich mitnehme, ist erprobt und sorgfältig ausgewählt.

Reduktion als Vorbereitung.

Nicht nur im Rucksack, sondern auch im Kopf. Ich habe gelernt: Vorbereitung ist mehr als eine Packliste.

Anfangs schleppte ich manches mit, das ich nicht brauchte. Dinge, die mir vermeintlich Sicherheit geben sollten. Doch Sicherheit entsteht nicht durch Gewicht, sie wächst mit der Erfahrung und dem Vertrauen, sich den Bedingungen anpassen zu können.

Allein um im Zelt wirklich schlafen zu können, brauchte ich Jahre. Jahre, in denen ich nicht nur mich, sondern auch meine Ausrüstung Schritt für Schritt weiterentwickeln musste.

Zum Grammzähler wurde ich nicht aus Prinzip, sondern aus Notwendigkeit. In vielem verwende ich die gleichen Dinge wie früher, aber eben leichter.

Daunenjacke 155g neu, versus 290g alt

Mein gesamter Rucksack wurde mit diesen Optimierungen in vielen Bereichen um bis zu einen Kilogramm leichter. Das klingt nicht nach viel, ist für mich mit der Muskelschwäche aber enorm.

Heute weiß ich: Weniger ist oft mehr.
Ultralight ist für mich keine Mode, es ist Voraussetzung. Da ich nicht laufen kann, brauche ich trotzdem mehr zum Anziehen oder Wetterschutz. Trotz mehr Ausrüstung, bringe ich es auf knapp 5 Kilogramm Basisgewicht.

👉 Zur Packliste: Camino Integrale 2025

Der Weg des Camino Integrale

Es wird nicht der direkte Weg nach Santiago werden.
Denn mich zieht es in die Berge. Genauer gesagt, in die Pyrenäen. Dort baue ich zwei Etappen des HexaTrek ein, die Abschnitte fünf und sechs, die ich ja noch nicht gegangen bin. Ein Umweg, ja. Aber vor allem ein Herzstück meiner Tour.

Camino Integrale

2.000 Kilometer HexaTrek liegen bereits hinter mir.
Was noch offen ist, sind die letzten 1.000 km – durch die Pyrenäen.
Diesmal will ich sie gehen und sie mit dem Weg nach Santiago verbinden. Der Jakobsweg beginnt für mich zu Hause, nicht erst in Frankreich. Er führt über Le Puy-en-Velay, dorthin, wo der Hexatrek ganz nah ist, weiter bis nach Carcassonne.

Wie bei all meinen Wegen gilt auch diesmal:
Die genaue Strecke entscheide ich unterwegs.
Ich laufe nicht nach Plan, sondern nach Gefühl.
Und wenn ich spüre, dass es genug ist,
dann höre ich auf – ganz gleich, wo ich gerade bin.
Denn es geht nicht ums Ankommen.
Es geht für mich darum, unterwegs zu sein.

An oberster Stelle steht für mich immer noch, eine gute Zeit in Freude zu verbringen. Jeder Tag seit dem Hirnabszess ist ein gewonnener Tag und so soll es bleiben. Kampf und Krampf wäre das falsche Signal an meinen Körper.

Warum?

Weil es mir nicht nur ums Ziel geht – sondern um den Weg dorthin.
Ich suche keine kürzeste Verbindung mehr. Ich suche Erfahrung.
Und die finde ich vor allem dort, wo es still wird.
In den Bergen. In den Weiten. In der Natur.
Dort, wo jeder Schritt fordert und zugleich etwas zurückgibt.

Letztes Jahr, in den Alpen, habe ich ein Ziel erreicht, das sich 2016 im Krankenhaus geformt hat.
Ich hatte durch den Hirnabszess meine Propriozeption beschädigt, aber in meinem Kopf liefen Bilder vom Eiger Ultra Trail.
Wie ich vom höchsten Punkt, dem Faulhorn, über die steilen Felshänge hinuntersprang.
Für mich war das: Propriozeption in Bestform.
Und ich dachte: Wenn ich das je wieder schaffe, dann funktioniert auch alles andere.

Eiger Ultra Trail, 2014
Eiger Ultra Trail, 2014

Der Gedanke war gut, aber es sollte nicht ganz so kommen.
Letztes Jahr, am HexaTrek – in den Nordalpen, mit Blick auf den Mont Blanc – kam ich diesem inneren Bild erstaunlich nahe. Die Tage rund um die Cheval Blanc wurden zu einem Meilenstein meiner Rehabilitation. Körperlich. Mental.

Trotzdem musste ich erkennen:
Ich habe nur einen Teil davon erreicht. Und den mit Abstrichen.
Es war wichtig. Aber ich habe zu verstehen, es ist noch nicht das Ende. Das Gefühl in den Beinen ist nicht zurückgekommen. Jeder Schritt fordert das Gehirn - ob ich am Berg gehe oder durch de Stadt.

Denn Heilung ist kein Gipfel.
Es bleibt ein Weg und sogar ein längerer, als gedacht.

HexaTrek, Cheval Blance
Abstieg von der Cheval Blanc, HexaTrek, 2024

Denn: Heil werden heißt nicht, komplett gesund sein

Ich habe dort ein körperliches Ziel erreicht – eines, das ich mir im Krankenhaus gesetzt hatte. Aber heil bin ich deshalb noch lange nicht.
Körperliche Fortschritte sind sichtbar, spürbar – und doch ist da mehr, das bleibt zum Heil werden.

Denn Heil(ung) ist kein Punkt auf der Landkarte.
Es ist ein Weg, der tiefer führt. Einer, den ich auch innen gehen muss. Das spüre ich umso mehr, je länger es dauert.

Das zehnte Jahr nach dem Hirnabszess hat begonnen. Seit vorigem Jahr kann ich immer öfter über mehr Dinge nachdenken, was ich bisher nicht konnte. Aber ich muss aufpassen, möchte kein Trauma wecken. Besonders die Zeit bis zwei, drei Jahre nach dem Hirnabszess belastet mich noch. Daher habe ich auch das Buchschreiben hintangestellt, denn das Schreiben kann Traumen auslösen.

Mein Weg ist mehr ein geistiger geworden, ein Weg der Verarbeitung, des Verstehens, des Wachsens.
Ich bin weiter als früher. Aber noch nicht am Ende. Vielleicht auch nie.

Mein Weg ist ein leises, fortwährendes Lernen. Schritt für Schritt. Es verändert sich beinahe täglich und wöchentlich. Ich kann seit heuer gedanklich vieles besser verarbeiten, muss aber aufpassen, nicht im Denken stecken zu bleiben.

Ein weiterer Schritt in meiner Wiederherstellung

Bis zum Aufbrechen, steht noch ein medizinischer Abschnitt an: die nächste Etappe meiner Zahnsanierung. Und es ist wirklich eine Etappe.

Durch den Hirnabszess mussten mir mehrere Zähne gezogen werden. Ein Teil konnte bereits ersetzt, saniert und repariert werden, doch einiges blieb offen. Nun, im Mai und Juni, folgten wieder mehrere Sitzungen.

Auch das ist kein Abschluss, sondern ein weiterer Schritt – einer von vielen auf meinem Weg zurück zu mehr Ganzheit.

Das gehört auch zu meinem Camino Integrale:
nicht nur draußen unterwegs zu sein, sondern auch im eigenen Körper wieder Heimat zu finden.

Ein langer "Weg"!

Was sein könnte – und was ist

Ein Punkt, der mich gerade stark beschäftigt:
Mein Gehirn reagiert verzögert – in der Koordination, in der Reizverarbeitung, im Gleichgewicht.
Es ist keine Überraschung. Und doch immer wieder eine Erinnerung:
Mein Nervensystem bleibt empfindlich und reagiert schnell. Nicht immer zum Positiven.

Ich weiß, was das unterwegs bedeuten kann.
Zu viele Reize. Kognitive Erschöpfung. Wackelige Tage,
an denen die Tiefensensibilität nachlässt.
Ich bin nicht stabil im klassischen Sinn – nicht jeden Tag gleich belastbar.
Nicht planbar. Nicht zuverlässig im Funktionieren.

Gerade deshalb arbeite ich weiter an mir.
An mehr Stabilität – außen wie innen.
Nicht, um wieder zu „funktionieren“,
sondern um freier gehen zu können. Schritt für Schritt.

Camino Integrale

Denn "draußen" am Trail, fühle ich mich meist wohl und kann auf meine Grenzen achten. Aber ein wichtiger Teil meines Lebens findet auch daheim statt. Und dort stoße oft ich an Grenzen.

Dann beende ich den Tag früher oder wenn es genug ist. Zuhause gehe ich zu oft über meine Grenzen. Mit dem Zug heimfahren, Einkaufen gehen, unter zu vielen Menschen. Kleinigkeiten für die meisten, für mich schwierig zu händeln.

Übe ich nicht täglich am Gleichgewicht, geht viel schnell verloren.

Sicherheit von innen

Sicherheit ist für mich kein äußerer Zustand mehr, es ist etwas Inneres geworden. Ich kann nicht alles kontrollieren. Aber ich kann lernen, mir selbst zu vertrauen – in der Bewegung, in der Pause, in der Entscheidung, wann es weitergeht und wann es genug ist.

Ich habe in den letzten Jahren oft erlebt, dass mein Körper mehr kann, als ich mir zutraue und ich ihn nicht überfordere. Und ich habe erfahren, dass Vertrauen nicht auf einmal da ist. Es wächst. In kleinen Schritten. Umso mehr ich ins Leben komme, desto mehr Vertrauen wächst.

In Verbindung bleiben

Eine meiner Aufgaben ist es, mich intensiv mit meinem Nervensystem zu beschäftigen – denn darin sind noch viele Traumata gespeichert.
Sie zeigen sich auf unterschiedliche Weise: in der Bewegung, besonders in der Halbseitenlähmung, aber auch darin, wie ich auf bestimmte Situationen reagiere.

Genau darum geht es für mich auf diesem Weg:
Nicht alles im Griff zu haben, sondern immer wieder in Verbindung zu treten – mit mir selbst, mit der Natur, mit dem Moment.

Vielleicht ist das die tiefste Form von Sicherheit, die ich kennenlernen kann:
Nicht, dass nichts passiert, sondern dass ich in allem, was passiert, bei mir bleiben kann. Auf dem Camino kann ich dass üben, ohne gleich überfordert zu sein.

Vertrauen – Schritt für Schritt

Vielleicht werde ich am Camino Integrale an meine Grenzen stoßen. Vielleicht öfter, als ich es mir wünsche.
Aber genau deshalb gehe ich. Nicht, weil alles sicher ist – sondern weil ich wachsen möchte, im Vertrauen.

Vertrauen in meinen Körper und in andere.
Vertrauen in den Weg.
Vertrauen, dass ich mit allem, was kommt, Schritt für Schritt umgehen kann.

Vertrauen ins Leben, am Ende der Welt in Finesterre

Drei Monate unterwegs

Über drei Monate – im Juli, August, September, vielleicht noch im Oktober – liegen vor mir.
Eine Zeit des Gehens, des Draußen Seins, der Begegnungen und des Alleinseins.

Ich gehe nicht, um anzukommen.
Ich gehe, um unterwegs zu sein.

Das Gehen gibt mir Sinn – und ich finde mich selbst darin wieder.
Es hilft mir, mit der Situation klarzukommen. Es lässt mich weitermachen, Schritt für Schritt.

Ohne das Gehen wäre ich nie so weit gekommen.
Jeder Camino, jeder Weitwanderweg hatte seinen Sinn bisher und seinen ganz eigenen Platz in meinem Leben.
Manchmal traue ich mir kaum auszumalen, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn ich diesen Weg nicht gegangen wäre und in Zukunft weitergehe.

Das größte Abenteuer ist das Kennenlernen von sich selbst!

Der Weg beginnt vor meiner Haustür.
Alles Weitere wird sich ergeben.
Schritt für Schritt - der Camino Integrale!


Schritt für Schritt – Vom Gehen, das trägt.

Es ist jetzt das zehnte Jahr seit dem Hirnabszess und dass mein Leben angehalten wurde – und dann ganz woanders wieder angefangen hat. Ich gehe wieder. Aber anders. Langsamer. Bewusster. Und nie ohne Nachdenken.

Denn was früher automatisch ging, ist heute Arbeit. Gehen ist keine Nebensache mehr. Es ist eine Aufgabe, eine Konzentrationsleistung, ein Kraftakt für mein Gehirn. Jeder Schritt braucht Aufmerksamkeit. Nichts passiert mehr einfach so. Und das zehrt. Aber es trägt mich auch.

Vorbereitung aufs Gehen

Städte sind anstrengend. Natur ist Erholung.

Ich merke, wie mein Kopf müde wird. Nicht körperlich, sondern mental. Es ist eine Erschöpfung, welche nicht durch Schlaf weggeht. Menschenmengen, Geräusche, schnelle Bewegungen, zu viele Reize: In der Stadt wird mir alles schnell zu viel. Ich merke, wie mein Gehirn langsamer reagiert, wie es überfordert ist. Und ich ziehe mich zurück.

Immer öfter merke ich: Ich brauche Orte, an denen ich nicht denken muss. Wo ich nicht auf jede Kleinigkeit achten muss. Wo der Weg einfach klar ist. Das finde ich nur in der Natur. Geradeaus, dann rechts, dann durch den Wald. Kein ständiges Anpassen, kein Ausweichen. Nur ich und der Pfad.

Ich gehe, weil ich noch nicht ganz angekommen bin im Leben und bei mir.

Ich fühle mich einerseits wieder mehr in mir selbst – aber ich bin noch nicht ganz bei mir. Oft stehe ich noch wie neben mir. Nicht ganz da. Nicht ganz verbunden. Es fühlt sich manchmal an wie eine feine Trennung von mir selbst, eine Art inneres Weggleiten, das ich inzwischen als etwas wie Dissoziation verstehe.

Vielleicht ist es ein Schutz. Vielleicht ein Zeichen, dass mein System noch nicht alles ganz verarbeitet hat. Oder einfach: meinen Weg, in meinem Tempo zurückzufinden.

Deshalb wandere ich. Lange Strecken. Mehrtägige Touren. Weitwanderwege, auf denen ich tagelang unterwegs bin – manchmal schweigend, oft allein, aber nie einsam. Denn dort draußen finde ich genau das, was mir im Alltag fehlt: Ruhe im Kopf.

Und es sind genau diese Wege, die mich – Schritt für Schritt – wieder näher zu mir selbst bringen.

Gehen als Lebensform

Gehen war in diesen letzten zehn Jahren für mich nie bloß Fortbewegung. Es war – und ist – ein innerer Prozess. Beim Gehen ordnet sich etwas. Mein Atem kommt in den Takt der Schritte, die Gedanken werden ruhiger und die Sinne werden wacher. Ich finde beim Gehen nicht nur Wege durch Landschaften, sondern Wege in mich selbst zurück.

Gehen als Lebensform. Auf den Pfaden draußen in der Natur finde ich etwas, das mir drinnen und in der Stadt fehlt: Verbindung. Zu mir, zum Moment, zum Leben.

Der Körper als Kompass

Mit der Zeit begann ich zu trainieren, neben dem Üben. Nicht für einen Wettbewerb, wie früher, sondern um zu Leben. Mein Körper war geschwächt, aber er wurde mein Kompass.

Er zeigte mir, wie viel möglich ist, wenn ich achtsam bleibe. Ich lernte, auf Zeichen zu hören, Pausen zuzulassen. Das Gehen wurde mein Training für den Geist, meine Meditation in Bewegung.

"Was man nicht sieht"

Nach meinem Hirnabszess blieb eine Hirnschädigung zurück – man sieht sie nicht, aber ich spüre sie jeden Tag. Außen wirke ich oft gesund, innen aber ist vieles anders geworden: Reizverarbeitung, Gleichgewicht, Konzentration – alles braucht mehr Kraft, mehr Aufmerksamkeit.

Es ist schwer zu erklären, weil nichts zu sehen ist. Und doch ist genau das die größte Herausforderung: Mit einer Einschränkung zu leben, die unsichtbar bleibt, aber alles mitbestimmt. Von außen sieht man mir nichts an. Kein Verband, die Narbe unter den Haaren, kein sichtbarer Schaden.

Aber es ist, als hätte jemand meine innere Landkarte durcheinandergebracht. Die Wege sind noch da, aber ich muss sie neu finden. Geräusche, Bewegungen, Gespräche – all das fordert mich mehr als früher. Ich spüre meinen Körper oft nicht so, wie er eigentlich da ist.

Wie erklärt man das? Es ist wie Wandern im Nebel: Ich gehe Schritt für Schritt, während andere freie Sicht haben. Ich wirke „normal“, aber mein Gleichgewicht halte ich jeden Tag aufs Neue – körperlich wie innerlich.

Dieses Unsichtbare ist das Schwierigste: Es lässt sich nicht zeigen, kaum in Worte fassen. Aber es bestimmt mein Leben. Nicht immer sichtbar, aber immer da. Deswegen auch die Schwierigkeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren.

Die Weitwanderwege – mehr als nur Strecken

Ich ging die Jakobswege in Spanien, den Walkabout, den JOGLE in England oder den Hexatrek - nicht, weil ich sportlich etwas erreichen wollte, sondern, weil ich etwas in mir wiederfinden versuchte. Die Weite dieser Wege spiegelte die Weite, die ich mir innerlich zurückeroberte. Jeder Schritt ist ein Stück Selbstermächtigung, jede Etappe ein Teil meines neuen Lebens, welches ich erst kennenlernen muss.

Der Jakobsweg – getragen vom Rhythmus

Auf dem Jakobsweg habe ich zum ersten Mal gespürt, wie heilend rhythmisches Gehen sein kann. Der Weg trägt dich irgendwann. Die Gedanken werden leiser. Es ist nicht nur ein Pilgerweg – es ist ein innerer Prozess.

Dort draußen war ich nicht krank. Ich war einfach unterwegs.

am Camino
Alto de Poio, Galicien 2025

Der JOGLE – Mein Weg durch ein Land, für mich

Der JOGLE war nicht nur ein Fußmarsch über die Länge Großbritanniens. Er war ein Aufbruch. Eine bewusste Entscheidung: Ich gehe und ich lasse mich tragen vom Rhythmus meiner Schritte.

Tag für Tag, durch Regen, Wind, Sonne, Müdigkeit und Euphorie, bin ich gegangen. Von John o’ Groats im wilden Norden, über die schottischen Highlands, durch die grünen Hügel Englands, bis hinunter nach Land’s End, wo der Kontinent endet und für mich etwas Neues begann.

Was mich dieser Weg gelehrt hat, ist nicht in Zahlen zu messen. Es war kein sportlicher Rekord. Es war eine innere Rückkehr – in meinen Körper, in mein Vertrauen, in mein Leben.

Der JOGLE war nicht nur eine Strecke.
Er war mein Weg, mich neu zu ordnen.
Ein Stück Freiheit.
Ein Stück Heilung.
Ein stilles, langes Ja zum Leben.

Ich war oft allein auf diesem Weg – und doch nie einsam. Die Landschaft sprach mit mir. Die Weite, die Stille, die unerwarteten Begegnungen – sie alle haben mir etwas zurückgegeben, was ich wieder entdeckte. Ich kam nicht nur an ein Ziel, ich kam bei mir an.

Am JOGLE unterwegs
5h früh in Schottland

Der Hexatrek – das Wilde in mir

Der Hexatrek in Frankreich war wilder und rauer. Ich habe dort gelernt, wie viel Kraft in der Stille liegt. In den Bergen, in den Wäldern, im Alleinsein mit der Natur. Ich war oft erschöpft, aber nie überfordert. Es war die gute Art von Müdigkeit – die Raum gibt. Raum zum Atmen. Zum Spüren. Zum Sein.

Deswegen zieht es mich bald wieder zum Hexatrek – diesmal auf Abschnitt 5 und Abschnitt 6, der mir noch fehlt, quer durch die Pyrenäen. Dort wartet wieder dieser ganz besondere Raum zwischen Himmel und Erde, sowie Stille. Aber bevor ich mich erneut auf den Weg mache, steht erstmal etwas anderes an: ein weiterer Teil meiner Zahnsanierung.

Die Gorges du Tarn, eine spektakuläre Naturlandschaft Diese Region ist Heimat einer Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten. Gehen durch das wilde Südfrankreich.
Südfrankreich - Hexatrek - 2024

Ausblick: Weitergehen und Leben

Heute weiß ich: Mein Weg ist kein Ziel, sondern ein Prozess. Das Gehen bleibt mein Anker, mein Lehrer, mein Spiegel. Ich spüre, dass Bewegung heilsam sein kann. Nicht nur für den Körper – sondern für alles, was ich bin.

Mein Lebenswille trug mich durch die ersten Jahre. Und doch regt sich jetzt etwas Neues, Unbekanntes. Ein leiser Ton, für den mir noch die Worte fehlen. Ich kann leben, auch mit den Behinderungen. Ich habe gelernt, sie nicht mehr nur zu ertragen, sondern Stück für Stück in mein Leben zu integrieren.

Langsamkeit ist keine Schwäche

Langsamkeit ist die Art, wie ich weitermache. Wie ich weiterlebe. Und wie ich mir meine Freiheit zurückhole.

In der Natur kann ich mich auf das Wesentliche konzentrieren: Atmen. Spüren. Weitergehen. Mein Körper gibt das Tempo vor. Und manchmal – an guten Tagen – fühlt es sich in Momenten fast wie früher an. 

Ich muss weitergehen – nicht aus Zwang, sondern aus einer tiefen inneren Notwendigkeit. Weil das Gehen für mich mehr ist als Bewegung. Es ist mein Lebensfaden, meine Verbindung zur Welt, mein Anker im Jetzt.

Wenn ich gehe, bin ich nicht in der Vergangenheit, nicht in der Sorge um morgen – ich bin einfach da. Mit jedem Schritt sage ich: Ja, ich bin noch hier.

Wenn ich stehen bleibe – zu lange –, beginnt etwas in mir zu kippen: die Gedanken kreisen, der Körper zieht sich zusammen, ich funktioniere dann nicht mehr. Besonders in der Stadt muss ich aufpassen.

Ich gehe, weil ich weiß, was es bedeutet, nicht gehen zu können. Ich bin dort gestanden, wo nichts mehr ging – nicht nur im Außen, sondern auch in mir. Und das Gehen und Bewegen war mein erster Weg hinaus.

Mein Gehen im Jahr 2017
Gehen 2017

Ich gehe. Weiter. Nicht zurück.

Ich bin nicht dort, wo ich einmal war. Vielleicht komme ich auch nie wieder dorthin. Aber ich gehe. Und das ist alles, was zählt.

Und draußen, auf meinen Wegen, spüre ich: Ich bin unterwegs. Im Leben. Und in mir selbst.

Wenn ich nicht mehr gehen kann

Ich weiß, dass der Tag kommen kann, an dem meine Füße mich nicht mehr tragen. Vielleicht einfach, weil das Leben wieder eine andere Richtung nimmt.

Und ja, der Gedanke macht mir Angst. Weil das Gehen so sehr Teil meines Heilens, meines Daseins, meines Lebens geworden ist.
Aber tief in mir weiß ich auch: Die Bewegung hört nicht auf.

Denn ich habe gelernt, dass das Wesentliche nicht in den Schritten liegt, sondern in dem, was sie in mir ausgelöst haben.
Das Gehen hat meinen Geist geöffnet, hat mir gezeigt, wie man sich aus Enge befreit – Schritt für Schritt, Gedanke für Gedanke.

Und wenn mein Körper nicht mehr weitergehen kann, dann geht etwas anderes weiter:

– Meine inneren Bilder gehen weiter: Erinnerungen an Weite, Licht, Wind im Gesicht.
– Meine Gedanken dürfen wandern, frei und ungebunden.
– Mein Geist kann sich immer noch ausrichten – auf Dankbarkeit, auf Hoffnung, auf Stille.
– Meine Wahrnehmung bleibt in Bewegung: Ich kann spüren, atmen, zuhören, spüren, was lebt.

Innere Bewegung

Ich glaube: Die innerste Bewegung, die zählt, ist die Bewegung auf das Leben zu. Und die ist nicht an Beine gebunden. Sie ist an Bewusstsein, an Herz, an Willen gebunden.

Vielleicht wird das Nicht-Gehen einmal ein neues Kapitel – eines, das nicht weniger wertvoll ist. Vielleicht wird es ein Weg nach innen, noch stiller, noch weiter. Und vielleicht werde ich dann verstehen:
Dass alles Gehen mich darauf vorbereitet hat, auf diesen stillen, großen Schritt in ein Leben, das auch weitergeht, ohne Bewegung im Außen.

„Weitergehen heißt nicht, immer stark zu sein – es heißt, dem Leben zu vertrauen, auch wenn der Weg noch im Nebel liegt.“

Freue dich des Lebens.

Das Leben zu mögen, einfach weil es da ist – das fällt oft erst auf, wenn es schwer wird. Erst durch das Unglücklichsein verstehen wir, was Glück bedeutet. Diese Gegensätze machen das Leben echt.

Gehen mit Freude
Walkabout durch Austria, 2021

„Wenn wir der Natur der Dinge folgen, dann leuchtet selbst die Traurigkeit.“
Ein Satz, der zum Innehalten einlädt. Vielleicht, weil er zeigt: Auch das Traurige gehört zum Leben – und kann auf seine Weise hell sein.

Den Herzweg gehen heißt: sich Zeit lassen. Hinhören. Aushalten, was da ist. Und trotzdem weitergehen – Schritt für Schritt. Nicht, weil es leicht ist, sondern weil es wahr ist.

Gehen am Herzensweg
Unterwegs am Herzensweg

Zunächst geht es aber ab Juli auf meinen nächsten Weg, mehr dazu im nächsten Beitrag.

"Denn solange ich gehen kann, gehe ich."


Mein Ultra-Light Camino France, im Mai 2025

Seit Dezember letzten Jahres arbeite ich intensiv an mir – körperlich, geistig und innerlich. Im Mai war es dann so weit: Ich entschied mich, mich auf den Weg zu machen. Der Camino Francés sollte es sein. Mein Einstiegspunkt: León - 315 km später das Ziel in Santiago. Dazwischen – Berge, Einsamkeit, Weite. Und das alles mit Ultra-Light Gepäck.

Es war eine Gratwanderung. Der Mai kann in Spanien noch erstaunlich kalt sein, vor allem in höheren Lagen. Dennoch wollte ich nur das Allernötigste mitnehmen. Keinen überflüssigen Ballast – weder im Rucksack noch im Kopf. Meine Ausrüstung habe ich bereits im letzten Blogbeitrag vorgestellt.

Stromausfall und späte Ankunft

Erstmals flog ich über Madrid ein. Schon bei der Ankunft war klar: Dies würde kein gewöhnlicher Start werden. Ein großflächiger Stromausfall in ganz Spanien sorgte für Unsicherheit und machte eine späte Weiterreise nach León notwendig. Ich trug nur meinen kleinen Laufrucksack – und niemand hätte wohl geglaubt, dass ich so den Camino gehen würde.

Um 21:45 Uhr kam ich schließlich am Busbahnhof in León an. Zu spät für jede Herberge. Und ein Hotel – das war keine Option für mich. Also reifte in mir der Gedanke, die erste Nacht durchzuwandern. Warum nicht gleich mit einem kleinen Abenteuer starten?

Ich setzte mich in eine noch geöffnete Bar, trank in aller Ruhe einen Kaffee, dazu ein paar Tapas. Für die Nacht hatte ich zwei Proteinriegel, Wasser, eine Mandarine und einen halben Liter Cola im Gepäck. Damit sollte es gehen. Mein Ziel war klar: durch die Nacht, durch die Meseta, bis nach Astorga.

Nachtwanderung

Ein ungewöhnlicher Start – und doch genau richtig

Einen Camino auf diese Weise zu beginnen – mitten in der Nacht, ohne Herberge, ohne festen Plan – mag für viele ungewöhnlich erscheinen. Für mich fühlte es sich genau richtig an. Das Ultra-Light Equipment hat viel dazu beigetragen.

In den letzten Monaten hatte ich mehr und mehr gespürt, wie sehr mir Menschenmengen zusetzen. Die Stadt wurde mir zu eng, zu laut, zu viel. Eine stille Nebenwirkung der intensiven Arbeit an mir selbst.

Ultra-Light am Camino Frances

Und so verließ ich gegen 23 Uhr die letzten Vororte von León. Schritt für Schritt entfernte ich mich von der Stadt, von der Unruhe, vom Lärm. Über mir ein weiter Himmel, durchzogen von Sternen. Ich fühlte mich frei – nicht nur körperlich, sondern tief in mir.

Den Weg entlang der Hauptstraße nach Astorga bin ich schon mehrfach gegangen. Doch noch nie bei Nacht. Etwa acht Stunden würde ich unterwegs sein – rund fünfzig Kilometer. Mein Ziel: mit dem ersten Licht des Tages in Astorga einziehen und irgendwo gemütlich frühstücken.

Unterwegs machte ich dreimal einen Powernap, das reichte, um durch die Nacht zu kommen. Ich legte mich auf eine Bank, in ein Buswartehäußchen und auf eine Mauer. Ich zog mich nicht an, denn die Kälte der Nacht weckte mich in jedem Fall auf. Zu Mitternacht hatte es überraschende 16 Grad, das aber in Richtung Morgen jede Stunde um einen bis zwei Grad abnahm. Um fünf Uhr morgens hatte es nur mehr etwa sieben Grad.

Der Mond stand abnehmend am Himmel, sein Licht war schwach. Doch dafür war das Firmament umso reicher bestückt mit Sternen – ein Lichtteppich, der mich begleitete. In meinem Gepäck: eine kleine Ultra-Light Petzl e+light Stirnlampe, dazu Ersatzbatterien – für den Fall, dass es wirklich finster werden sollte. Doch erstaunlicherweise reichte das Sternenlicht über weite Strecken. Nur auf etwa zehn bis zwanzig Prozent des Weges war ich auf die Lampe angewiesen.

Sonnenaufgang

Genau vor Astorga erreichten mich die ersten Strahlen der Sonne und tauchten alles ins erste Licht des Tages. Während andere Pilger vor dem Losgehen noch ein Frühstück in einer Bar zu sich nehmen, ist es meine erste Mahlzeit nach über neun Stunden gehen. Mit meinem Ultra-Light Rucksack setze ich mich an einen Tisch.

Nach 9h Gehen Frühstück, Mein Ultra-Light Camino.
Nach 9h Gehen, ein doppeltes Frühstück

Ich gehe noch 15 km weiter und bleibe in Santa Catalina, nach 65 km.

Ultra-Light durch die Berge – Am Cruz de Ferro

Hinter Astorga beginnen die Berge. Ich kenne diesen Abschnitt gut – doch diesmal gehe ich ihn langsamer. Bewusster. Nicht an einem Tag, wie früher, sondern in drei. Schritt für Schritt. Leicht, aber nicht schnell. Langsam, trotz Ultra-Light Ausrüstung, welches das Gehen viel leichter machte.

Es ist das erste Mal seit Langem, dass ich wieder in der Hauptsaison unterwegs bin. Ich kehre fast ausschließlich in öffentlichen Herbergen ein – einfach, ursprünglich, nah am Geist des Weges.

Diese Herbergen folgen einer einfachen Regel: Sie sind nur für jene da, die ihr Gepäck selbst tragen. Keine Etappen per Taxi. Kein vorausgeschickter Rucksack. Nur du – und was du auf dem Rücken trägst.

Molinaseca – Begegnung mit Tim

In Molinaseca treffe ich in der Kirche den Amerikaner Tim, 79 Jahre alt und ehemaliger Eisenbahner. Er ist vor einem Jahr hergezogen, lebt heute hier und betreut die Kirche. Er hat eine kleine Website gegründet – eine, die helfen soll, die richtige Frage zu finden. Auch er ist den Camino gegangen, zurückgekehrt und geblieben.

Denn viele suchen nur nach Antworten – ohne je die richtige Frage gestellt zu haben. Seine Website unterstützt einen dabei: Camino Questions, www.caminoquestions.com.

Wir stehen beisammen, auf der Wiese vor der Kirche. Sie ist kurz geschnitten und wird von ihm gepflegt. Er erzählt mir von seiner Motivation, von seinem Weg, von dem, was war – und was noch sein soll. Ich höre zu, erzähle dann von mir. Von meiner Geschichte mit dem Hirnabszess. Davon, wie viel mir der Camino in den letzten Jahren gegeben hat. Wie sehr mir das Gehen geholfen hat, Stück für Stück zurück ins Leben zu finden.

Er hört aufmerksam zu, nickt langsam. Dann sagt er etwas, das mich berührt: „Wenn du auf jeder Reise nur ein, zwei Menschen begegnest und ihnen erzählst, denen dein Schicksal – und wie du damit umgehst – es ihnen hilft, ihr eigenes besser zu meistern, dann tust du schon mehr, als viele je erreichen.“

Beim Abschied umarmen wir uns. Es ist eine dieser Umarmungen, die nicht laut sind, aber lange nachwirken. Ich sage ihm, dass ich mich freue, ihn das nächste Mal wiederzutreffen.

Er lacht – warm, mit einem Augenzwinkern. Dann zeigt er mit der Hand auf die Wiese: „Wenn nicht da drüben auf der Wiese, dann liege ich nebenan.“ Eine kurze Pause. Nebenan ist der Friedhof. „Beides ist ok. Du kannst in jedem Fall mit mir reden!“.

Ein Satz, wie aus dem Leben gegriffen. Ernst und humorvoll zugleich. Und so sehr Camino, wie es nur geht.

Lachend verabschieden wir uns.

Ponferrada – und die Burg der Templer

In Ponferrada besuche ich zum ersten Mal die Burg der Templer. Schon lange hatte ich diesen Ort auf meiner inneren Landkarte markiert – voller Geschichten, Legenden, Erwartungen. Und doch: Irgendwie hatte ich mir mehr erhofft. Vielleicht lag es am Tag. Vielleicht an mir.

Meine Wahrnehmung ist oft gedämpft, wie durch einen Schleier. Ich merke es sofort, wenn zu viele Eindrücke auf mich einwirken. Das Interesse ist da – lebendig und wach. Aber wenn ich dann mitten in der Situation stehe, geht nichts mehr. Der Kopf macht zu.

Früher habe ich versucht, mich zu zwingen. Dabeizubleiben. Durchzuhalten. Heute nicht mehr. Ich weiß inzwischen, wann es genug ist. Was nicht geht, geht einfach nicht – und das ist in Ordnung.

Die Größe der Burg hat mich dennoch beeindruckt. Ihre Mauern, die sich in den Himmel recken, erzählen eine eigene Sprache. Eine, die ich eher spüre als verstehe.

Doch lange bleibe ich nicht. Es zieht mich wieder hinaus – dorthin, wo mein Kopf zur Ruhe kommt. Zwischen Bäumen, im Wald, am Berg. Da, wo nichts erklärt werden muss und keine Schautafel laut wird.

Dort finde ich, was ich brauche: Weite. Luft. Stille.

Obreiro

Der Weg zum Obreiro ist immer wieder schön. Es ist jedes Mal besonders, durch diesen Ort zu gehen und vor den alten Häusern zu stehen. Diese Orte haben etwas – eine Ruhe, eine Geschichte, die spürbar ist, trotz der vielen Menschen dort.

Auch die Kirche dort ist ein Ruhepol. Sie ist die älteste am Camino Frances. und bleibt trotz der vielen Menschen still. Nicht nur ein schönes Bild für das Auge, sondern ein Ort, in dem ich immer wieder gerne stehen bleibe und Ruhe finde.

Sonnenaufgang am Pilgerdenkmal

Früh in Obreiro losgegangen, erreichen mich die ersten Sonnenstrahlen am Pilger-Monument, kurz nach Linares. Ein stiller, bewegender Moment. Solch ein Sonnenaufgang ist für mich immer etwas Besonderes. Denn für mich geht die Sonne seit neun Jahren jeden Tag aufs Neue auf, selbst wenn es regnet.

Es ist ein Dank ans Leben – dafür, dass ich solche Tage noch, oder besser gesagt: wieder erleben darf. Es sind Geschenke, die nicht selbstverständlich sind. Und doch weiß ich: Es bleibt ein täglicher Grenzgang. Immer wieder wird mir das bewusst.

Aber gerade solche Tage geben mir den Sinn zurück. Sie erinnern mich daran, warum ich weitermache. Warum ich an mir arbeite. Diese Arbeit ist kein Hobby. Sie ist mein Lebensprojekt geworden. Ein Full-Time-Job – körperlich, geistig, seelisch.

Ein wichtiger Teil dieser Reise war das Malen von Postkarten – eine Übung, die mir half, meine Feinmotorik zu trainieren. Damals wusste ich noch nicht, welch tiefer Einschnitt mir bevorstand. Nur eine Woche nach meiner Rückkehr aus Spanien erlitt ich ein Posttraumatisches Belastungssyndrom. Für einige Tage war es, als hätte mir der Körper jegliche Feinmotorik genommen. Ein Schock – still, aber gewaltig.

Irgendwann, bei Gelegenheit, werde ich diesem Kapitel einen eigenen Blogbeitrag widmen. Denn es verdient Raum – genau wie das Gehen, das Schweigen und das Wiederfinden.

Triacastela - Sarria - Portomarin

Zurück auf dem Camino. Zunächst liegt alles noch im Nebel. Wie ein Schleier legt er sich über die Landschaft, lässt Formen verschwimmen, Farben verblassen. Die Welt wird weichgezeichnet, fast traumhaft. Es wirkt, als ginge ich durch eine Szene, die nicht ganz von dieser Welt ist.

Ich gehe langsam. Ganz bewusst. Und lasse mir Zeit. Mein Ultra-Light Gepäck unterstützt mich dabei. Keinen Gedanken über das Gewicht.
Den Umweg über Samos nehme ich jedes Mal – nicht, weil er kürzer wäre, im Gegenteil, er ist bis fünfzehn Kilometer länger, sondern weil er schöner ist. Hier zeigt sich das Grün Galiciens von seiner eindrucksvollsten Seite.

Zunächst liegt alles noch im Nebel. Wie ein Schleier legt er sich über die Landschaft, lässt Formen verschwimmen, Farben verblassen. Die Welt wird weichgezeichnet, fast traumhaft. Es wirkt, als ginge ich durch eine Szene, die nicht ganz von dieser Welt ist.

Ab Sarria wird es spürbar voller auf dem Camino.
Mehr Menschen. Mehr Stimmen. Mehr Bewegung.
Der Weg verliert ein wenig von seiner Stille – jener Stille, die mir so viel bedeutet.

Ich meide die größeren Orte. Ziehe stattdessen hinaus aufs Land, dorthin, wo die Herbergen kleiner sind, familiärer.
Dort finde ich, was ich brauche: Ruhe. Raum zum Atmen. Einfache Gespräche oder auch Rückzug.

Der Monte do Gozo – ein letzter Gruß vor dem Ziel

Monte do Gozo – der „Berg der Freude“. Ein Name, der mehr ist als ein geografischer Ort. Nur wenige Kilometer vor Santiago de Compostela erhebt sich dieser sanfte Hügel, fast unscheinbar. Und doch ist er für viele Pilger ein Moment von tiefer Bedeutung.

Hier oben bleibe ich stehen. Denn von diesem Hochplateau aus sieht man sie: die Türme der Kathedrale von Santiago. Ganz klein noch, am Horizont, aber doch schon zum Greifen nah.

Zwei Pilgerstatuen stehen hier, in Bronze gegossen. Sie blicken der Stadt entgegen und erinnern an den heiligen Jakob, an seine Ankunft, und auch an all jene, die auf seinen Spuren unterwegs sind.

Der Monte do Gozo ist für mich mehr als ein Aussichtspunkt. Er ist ein Ort der Verwandlung. Ein letztes Innehalten, bevor man Santiago betritt. Ein Moment, in dem man spürt, dass die Reise nicht mit dem Ankommen endet – sondern dort erst beginnt.

Morgenstille vor der Kathedrale

Es ist ruhig an diesem Morgen, auf meinem Weg zur Kathedrale. Noch liegt ein sanfter Dunst über der Stadt, die Stimmen sind leise, die Schritte langsam. Ich setze mich auf den Platz vor der Kirche, lasse den Blick über das Pflaster schweifen – und denke nach. Über die letzten Tage, über das, was war.

Wieder durfte ich einigen Menschen begegnen. Begegnungen, wie sie nur der Weg schenkt – offen und ehrlich. Und jede einzelne hat mir etwas mitgegeben.

Besonders aber freut mich eines: Meine Knieschmerzen sind weg. Ganz weg.

Ein halbes Jahr lang haben sie mich begleitet – verursacht durch falsche Schuhe, wie sich später herausstellte. Es war ein langer Weg, bis ich sie mir wieder weggegangen bin. Viel Therapie, gezielte Kräftigungsübungen, und vor allem: das konsequente Gehen mit Schuhen, die zu mir passen.

Nachlässigkeit darf sich nicht einschleichen. Denn mit der Muskelschwäche braucht es oft ein Vielfaches an Zeit und Energie, um kleinste Fehler wieder auszubügeln. Diese Erfahrung habe ich mittlerweile oft genug gemacht. Und ich habe gelernt, geduldig zu bleiben – auch wenn es mir nicht immer leichtfällt. Besonders aufmerksam bin ich bei meiner Schuhwahl geworden. Denn ich weiß inzwischen: Schon kleinste Veränderungen können große Auswirkungen haben.

Darum fiel meine Entscheidung ganz bewusst auf Ultra-Light – um den Fokus auf das Wesentliche zu legen: auf die Beine, auf das Gehen, auf mich. Mein Körper, meine Sehnen und Muskeln sind nach wie vor empfindlich, fragil. Jeder Schritt zählt. Und jeder Schritt will gut vorbereitet sein.

Leben zu lernen bedeutet manchmal, Umwege zu gehen. Versuch und Irrtum. Immer wieder. Bis etwas passt.

Diese zwei Wochen waren wieder ein Stück davon. Ein weiterer kleiner Baustein – auf meinem Weg ins Leben.

2019 und 2025

schon 2019 Light unterwegs, aber nicht Ultra-Light.

Sechs Jahre liegen zwischen diesen beiden Bildern – aufgenommen kurz vor Santiago. Wenn ich sie heute betrachte, wird mir bewusst, wie weit ich seitdem gekommen bin. Ich durfte Dinge erleben und erreichen, die mir vor neun Jahren unvorstellbar erschienen. Auch damals war ich light unterwegs, aber noch nicht Ultra-Light.

Und doch gibt es nach wie vor Defizite. Sie sind nach außen kaum erkennbar, aber sie begleiten mich täglich und fordern mich auf eine Weise, die man kaum sieht – nur ich spüre sie.

Das wenige und minimalistische Ultra-Light Gepäck hat sich bewährt. Trotz der manchmal kalten Bedingungen habe ich nie gefroren und es hat mir an nichts gefehlt. Es hat gut getan, mit so wenig unterwegs gewesen zu sein. Dazu konnte ich wertvolle Erkenntnisse für meine zukünftigen Weitwanderwege gewinnen, auf meinem Ultra-Light Camino.


Wieder unterwegs auf dem Jakobsweg – nicht wegen der Krankheit, sondern wegen des Lebens

Der Jakobsweg – mein inneres Navi

Es gibt Wege, die führen nicht einfach von Ort zu Ort. Sie führen zu einem selbst zurück. Der Jakobsweg ist für mich genau so ein Weg geworden. Schon beim ersten Mal war es kein klassisches Pilgern, sondern ein innerer Neuanfang. Keine Uhr, keine Termine, kein Müssen. Nur ich, mein Rucksack – und der nächste Schritt.

Nach allem, was passiert ist – der Hirnabszess, die langen Monate der Reha, das ständige Zuviel an Eindrücken – hat sich mein inneres Empfinden verändert. Die Hochsensibilität, die immer schon da war, hat sich verstärkt. Zu Hause wurde mir einfach alles zu viel: die Geräusche, die Bilder, die Geschwindigkeit. Es überfordert, statt zu stützen.

Deshalb zieht es mich wieder hinaus. Der Jakobsweg ist für mich kein Weg weg von der Krankheit – sondern hin zu mir selbst. Ein Ort, an dem Reizflut weicht und Weite entsteht. Kurzerhand packe ich meinen Rucksack und ziehe los – dorthin, wo Stille heilt und jeder Schritt mich wieder näher zu mir bringt.

Jakobsweg Meseta

Ich bin mehr als meine Geschichte

Natürlich hat mich die Krankheit geprägt. Natürlich war es heftig. Aber ich spüre immer stärker: Ich will nicht in dieser Geschichte stecken bleiben. Ich möchte nicht auf ewig „der mit dem Hirnabszess“ sein. Ich möchte wieder ich selbst sein. Der, der unterwegs ist. Der, der sucht – und manchmal auch findet.

Darum gehe ich wieder los. Nicht, um die Vergangenheit zu vergessen - sondern um das Jetzt zu leben. Mit allem, was dazugehört: der Hochsensibilität, den feinen Antennen für das Leben, den Zweifeln – aber auch dem Staunen und dem Vertrauen.

Ich habe in den letzten vier Monaten intensiv an mir gearbeitet – das hat Spuren hinterlassen, nicht nur positive. Durch meine verstärkte Hochsensibilität erlebe ich jeden Tag aufs Neue. Und so weiß ich oft erst im Moment selbst, wie es mir eigentlich geht. Ich nehme jeden Tag so wie er ist und mache das Beste daraus, ob gut oder schlecht.

Vorbereitung auf den Jakobsweg
Hier versuchte ich mich vor Jahren, das erste Mal,
von Stein zu Stein steigen!

Weite statt Therapie

Ich gehe nicht auf den Jakobsweg, um gesund zu werden. Ich gehe, um wieder Luft zu bekommen. Um Raum zu bekomen – außen und innen.

Hier draußen, im Gehen, verliert die Reizflut ihren Schrecken. Die Welt wird einfacher, die Wahrnehmung klarer. Kein Termindruck, kein Lärm, kein ständiges Reagieren. Nur das Gehen, der nächste Schritt, das Atmen. Schritt für Schritt – nicht schnell, aber stetig.

Es ist die einzige Art des Reisens und die einzige Art der Tätigkeit, die mir im Moment gut tut. Alles andere, wie Therapie, wäre jetzt zu viel. Im Gehen kann ich mich selbst wiederfinden – im eigenen Rhythmus, in der eigenen Zeit.

Jakobsweg Meseta

Bin ich über längere Zeit zu Hause, wird alles eng – mein Zustand verschlechtert sich. Schwindel, Muskel- und Gelenkschmerzen stellen sich ein, aber auch das brauche ich. Sobald ich dann – am besten für mehrere Wochen – in die Natur gehe, bessert sich mein Befinden mehr als spürbar. Meine Tiefensensibilität verbessert sich und damit auch meine Wahrnehmung im Außen.

Jakobsweg in Spanien 🇪🇸
Heil werden in der Natur

Ich will leben – nicht therapieren

Viele glauben, ich gehe, um zu heilen. Aber mein Weg ist diesmal ein anderer. Ich gehe nicht, um die Krankheit zu bekämpfen. Sondern ich gehe, weil ich leben will.

Ich will nicht in der Vergangenheit hängenbleiben, nicht immer wieder erzählen, wie schlimm alles war. Ich will erleben, wie schön es jetzt ist. Am glücklichsten bin ich beim Gehen in der Natur, fern von allem, was mein Gehirn belastet.

Darum packe ich meinen Rucksack. Darum gehe ich los. Nicht, weil ich muss – sondern weil ich will.

Ein Freund, der erst letzte Woche verstorben ist, hat mir wieder einmal gezeigt, dass ich auf nichts im Leben warten soll. Seine Besuche im Krankenhaus, damals, als kaum jemand kam, werde ich nie vergessen. Alle paar Wochen war er da, zusammen mit einem weiteren Freund – eine Geste, die mir mehr bedeutet hat, als ich je in Worte fassen könnte. Daran werde ich immer denken.

🙏

Mein Weg am Jakobsweg

In den nächsten Tagen geht es also los zum Camino Frances. Diesmal von Leon nach Santiago de Compostela, etwa 320 Kilometer. Diesmal ein kürzerer Weg, allerdings bin ich wirklich Ultra-Light unterwegs, mit 2,5 kg. Über die Ausrüstung habe ich einen eigenen Blogartikel geschrieben, der morgen erscheinen wird.

Kurzberichte mit Fotos gibt es diesmal nur auf Instagram, Blogbeiträge werde ich auf Facebook ankündigen. Oder einfach den Blog abonnieren und informiert werden. Danke und bis bald...

Buen Camino


Jeden Tag neu anfangen – Mein Leben mit Hirnschädigung

Manchmal fühlt es sich an, als würde ich in einer Endlosschleife leben – wie in dem Film „…und täglich grüßt das Murmeltier!“. Jeden Morgen wache ich auf, und alles beginnt wieder von vorne. Der Hirnabszess brachte eine Hirnschädigung im Körper und im Geist und das macht es so Herausfordernd.

Ich kämpfe immer gegen dieselben Herausforderungen an, ringe mit den gleichen Einschränkungen und starte jeden Tag mit einem Gefühl des Neuanfangs. Jeder Schritt, den ich mache, ist eine bewusste Entscheidung: nicht aufzugeben und das Beste aus diesem Tag herauszuholen.

Meine Hirnschädigung hat mein Leben radikal verändert. Pläne zu schmieden, langfristige Ziele zu verfolgen oder einfach unbeschwert durch den Alltag zu gehen – all das ist nicht mehr selbstverständlich. Jeder Tag verlangt volle Konzentration, jede Handlung braucht ihre Zeit. Kleinigkeiten, die andere Menschen mühelos meistern, kosten mich enorme Anstrengung. Oft wirkt der Alltag dadurch zäh und schwerfällig.

Hirnabszess MRT
Hirnschädigung

Trotzdem habe ich mir eine Haltung bewahrt, die mich immer wieder antreibt: NEVER GIVE UP! Dieser Satz ist für mich mehr als nur ein Motivationsspruch. Er ist ein Versprechen an mich selbst, niemals aufzugeben, egal wie schwer es ist. Auch wenn ein Tag mal im Bett endet und ich gefühlt keinerlei Fortschritte gemacht habe, zähle ich es als Erfolg. Denn das bedeutet, dass ich am nächsten Tag wieder aufstehen und es erneut versuchen werde.

Mit Hirnschädigung auf den Jakobsweg – Ein Weg zu mir selbst

Eine der prägendsten Erfahrungen war für mich der Jakobsweg. Tag für Tag war ich unterwegs – nur mit dem Nötigsten im Rucksack. Das Leben wurde auf drei Dinge reduziert: Gehen, Essen, Schlafen. In dieser Einfachheit liegt eine tiefe Klarheit, die mir geholfen hat, mich selbst besser zu verstehen. Jeder Schritt ist ein kleiner Sieg, jede Etappe ein Erfolg. Oft waren die Wege steinig, die Hitze drückend und der Körper erschöpft. Aber der Camino zeigt mir, dass es nicht darauf ankommt, wie schnell man geht, sondern dass man überhaupt weitergeht.

Mit Hirnschädigung am Jakobsweg
Erschöpft, aber glücklich!

Auf der Strecke habe ich gelernt, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Sorgen über die Zukunft oder Gedanken an die Vergangenheit verlieren an Bedeutung. Der Weg zwingt mich, im Hier und Jetzt zu leben. Jeder Sonnenaufgang fühlt sich an wie ein neuer Anfang, jeder Kilometer ist eine Erinnerung daran, dass Fortschritt in kleinsten Schritten entsteht.

Die Einfachheit des Pilgerns hat mir eine Perspektive geschenkt, die ich heute in meinen Alltag integriere: Schritt für Schritt, Tag für Tag - immerhin lebe ich schon seit 9 Jahren mit der Hirnschädigung.

Raubvögeln in der Nähe des Crux de Ferro

Struktur gibt mir Halt

Mein Alltag funktioniert nur mit einer festen Struktur. Routinen sind mein Anker im Chaos, sie geben mir Sicherheit. Der Ablauf des Frühstücks, Zeiten für Pausen, Bewegung und Ruhephasen – das klingt vielleicht eintönig, aber es hilft mir, den Tag zu bewältigen. Diese Struktur ist wie ein Geländer, an dem ich mich entlangtasten kann. Ohne sie wäre ich oft verloren.

Dabei ist es wichtig, kleine Momente der Freude zu schätzen. Ein Spaziergang an der frischen Luft, ein gutes Gespräch, eine warme Mahlzeit – all das sind Dinge, die anderen selbstverständlich erscheinen, für mich aber große Bedeutung haben. Solche Augenblicke helfen mir, auch an schwierigen Tagen positiv zu bleiben, trotz der Hirnschädigung.

Lebe Grenzenlos, mit Hirnschädigung

Fortschritt in kleinsten Schritten

Oft messen wir unseren Erfolg an großen Zielen: Karriere, materielle Erfolge, perfekte Beziehungen. Für mich ist das anders. Fortschritt bedeutet für mich, kleine Schritte zu machen und mir selbst Zeit zu geben.

Manchmal ist das Aufstehen schon ein Sieg, an anderen Tagen schaffe ich es, mich intensiv zu konzentrieren oder eine Aufgabe zu Ende zu bringen. Die schönste Zeit erlebe ich auf meinen Pilger- und Weitwanderwegen, wo ich mein seit langer Zeit auf Alarm gestelltes Nervensystem Schritt für Schritt beruhigen konnte.

Ich lernte Lebendigkeit, Freude und ein Gefühl von Energie, anstatt Müdigkeit, die nicht durch den Schlaf vergeht und der Körper wie aus Blei besteht. Der Hirnabszess schaltete mein Nervensystem ab und ließ es erstarren. Die ersten Jahre nach dem Hirnabszess waren die schwersten. Ich fühlte mich oft als Pflegefall abgestempelt. Deshalb begann ich bald nur mir und nicht den Ärzten zu vertrauen. Das Roboterhafte gehen, bekam ich erst mit der Tanztherapie in den Griff.

Doch es geht nicht immer nur vorwärts. Oft geht es nur darum, den aktuellen Zustand zu halten. Stillstand ist manchmal schon ein Erfolg, denn ein Rückschritt passiert schnell, besonders wenn ich nicht konsequent dranbleibe.

Jede Pause, jeder verlorene Tag macht es schwerer, wieder am Leben anzuknüpfen. Dieser Kampf um den Erhalt meiner Fähigkeiten ist ein ständiger Begleiter. Rückschläge sind Teil des Weges, aber ich habe gelernt, sie anzunehmen und weiterzumachen. Wichtig ist nur, dass ich nicht stehen bleibe.

Training für den Alltag – Eine Parallele zum Radrennsport

Früher war ich Radrennfahrer. Tägliches Training war für mich selbstverständlich: jeden Tag raus, Kilometer um Kilometer abspulen, oft für kleinste Fortschritte, die kaum spürbar oder sichtbar waren. Ich habe gelernt, nicht zu hinterfragen, warum ich es tue, sondern es einfach zu machen. Dieser Ehrgeiz und diese Disziplin prägen mich bis heute.

Crocodile Trophy Australien

Auch jetzt trainiere ich jeden Tag – nicht mehr auf dem Rennrad, sondern im Alltag. Jede Bewegung, jeder Gedanke ist ein bewusster Schritt nach vorne. Es ist wie im Sport: Manchmal fühlt es sich an, als trete man auf der Stelle, doch wenn man weitermacht, sieht man irgendwann die Fortschritte.

Dieses Training hat mir geholfen, nicht aufzugeben, auch wenn es oft nicht einfach ist. Es ist ein täglicher Kampf, aber genauso auch eine tägliche Entscheidung: Schritt für Schritt, Tag für Tag.

NEVER GIVE UP – Schritt für Schritt, Tag für Tag.


27.März 2016 - Ein Hirnabszess stellte vor 9 Jahren alles auf den Kopf

27. März 2016. Ein Datum, das sich tief in mein Leben eingebrannt hat. Ostersonntag. Ein Tag, den viele mit Familie, Freude und Osterbräuchen verbinden. Doch für mich wurde er mit einem Hirnabszess zum Wendepunkt, wie ich es nie für möglich gehalten hätte.

Während die Kinder Ostereier suchten, lag ich regungslos im Bett. Schwindel, Übelkeit, ein Gefühl, als würde mein Körper nicht mehr mir gehören. Ich hielt es für eine Grippe. Doch es wurde schlimmer. Ich konnte nicht mehr klar sprechen, Gedanken wurden unmöglich. Mein Gehirn begann, sich selbst aufzugeben.

Der Rettungswagen brachte mich ins LKH Graz. Dort dann die Diagnose: Hirnabszess.

Ein Wort, das mir bis dahin fremd war. Doch in diesem Moment bedeutete es alles. Von einer Sekunde auf die andere war mein altes Leben vorbei.

Hirnabszess
Hirnabszess

Noch wenige Tage zuvor war ich Extremradsportler, Trailrunner, Bergsteiger, Videojournalist – immer auf der Suche nach der nächsten Herausforderung. Nun stand ich vor der größten aller Herausforderungen: Zu Überleben. Neu lernen, was mir einst selbstverständlich war, kam später.

Intensivstation – Ein Körper am Nullpunkt

Die Tage auf der Intensivstation sind in meinem Gedächtnis nur noch als Bruchstücke vorhanden. Ich existierte, mehr nicht. Mein Denken war reduziert auf das absolute Minimum. Der Hirnabszess stoppte alles.

Besuch? Eine Last. Schon zehn Minuten Gespräch laugten mich aus. Mein Gehirn war erschöpft – als hätte jemand den Reset-Knopf gedrückt.

Auf der Intensivstation mit einem Hirnabszess  Bild von https://pixabay.com

Erst mit der Zeit wurde mir bewusst, was an diesem 27. März die Diagnose mit mir gemacht hatte:

Wortfindungsstörungen – Ich wusste, was ich sagen wollte, doch die Worte waren fort und fanden nicht den Weg nach Draussen.

Lähmung der rechten Körperhälfte – Meine Hand gehorchte mir nicht mehr, mein Bein war kraftlos, ich war rechtsseitig gelähmt. Dazu neurologische Störungen am ganzen Körper.

Schwindel – Stehen? Unmöglich. Selbst im Sitzen kippte ich zur Seite.

Kein Gefühl für Zeit – Vergangenheit? Zukunft? Beides existierte nicht mehr. Nur das HIER und JETZT blieb.

Ein totaler Systemabsturz. Ich fühlte mich wie ein Computer, der nach einem Reset völlig neu programmiert werden musste.

Von der Reha bis zum ersten Schritt

Nach fünf Monaten Krankenhaus begann die nächste Etappe: die Reha. Hier musste ich mich von Grund auf neu erfinden. Der Hirnabszess brachte mich auf die Stufe eines Kleinkindes.

🔥 Gehen lernen – Zehn bis 50 Meter waren eine Tagesleistung. Jeder Schritt fühlte sich an, als würde ich durch Treibsand waten.

🔥 Schreiben lernen – Ein einziges Wort zu Papier zu bringen, dauerte Minuten. Oft verlor ich mitten im Satz den Faden. Allein den Stift zu halten, erforderte eine Konzentration und Kraft, die ich nicht hatte.

🔥 Sprechen trainieren – Gespräche erschöpften mich schneller, als ich es für möglich gehalten hätte.

🔥 Geduld üben – Ich wollte schneller vorankommen, doch mein Körper bestimmte das Tempo. Geduld mit mir selbst haben, war angesagt.

Jeder Tag war eine Herausforderung. Ein mühsames Vorwärtskommen, ein permanenter Kampf um jeden kleinsten Fortschritt. Doch egal, wie langsam es ging – ich bewegte mich vorwärts.

"Step by Step" wurde mein Credo und ja keinen Schritt überspringen.

Monatelang nach dem Hirnabszess noch im Rollstuhl
Monatelang im Rollstuhl

27. März – Ein Jahrestag voller Bedeutung

Jedes Jahr bringt dieser Tag mich zum Innehalten. Kein Geburtstag, kein Feiertag – und doch ist er für mich der einer der wichtigsten Tage im Jahr.

📌 Der Tag, an dem alles zerbrach.

📌 Der Tag, an dem ich überlebt habe.

📌 Der Tag, an dem mein neues Leben begann.

Früher war mein Motto: Höher. Weiter. Schneller. Grenzen waren dazu da, um sie zu verschieben. Doch der 27. März hat mir eine neue Lektion erteilt: Das Wesentliche liegt in den kleinen Dingen. Grenzen verschieben bekam eine neue Bedeutung. Die Jahre als Extremsportler waren nur eine Vorbereitung für die Zeit jetzt.

📌 Das HIER und JETZT ist das Einzige, das zählt. Ich plane nicht mehr weit in die Zukunft. Ich lebe den Moment.

📌 Weniger Multitasking. Mein Gehirn kann sich nur auf eine Sache konzentrieren – doch das tue ich mit voller Aufmerksamkeit.

📌 Sport als mentale Kraft. Auch wenn mein Körper nicht mehr so mitmacht wie früher – in Gedanken laufe ich durch den Wald. Meine Muskeln trainierte ich im Kopf.

Ich musste nicht nur meinen Körper neu aufbauen, ich musste mich selbst neu programmieren. Durch meinen Freund Harry begann ich bereits im Radrennsport mit Bewusstseins-Training.

Dieses gelernte Wissen hat mir am 27.März das Leben gerettet. Es ermöglichte mir das Überleben und bis heute ein Weiterleben.

Pilgern und Weitwandern – Mein Weg zurück ins Leben, nach einem Hirnabszess

So wie meine ersten Schritte nach dem Krankenhaus langsam und unsicher waren, so begann auch mein neuer Lebensweg: Schritt für Schritt.

Ich entdeckte das Pilgern und Weitwandern für mich – nicht als sportliche Herausforderung, sondern als Therapie, auch heute noch.

🚶‍♂️ Am Anfang waren es wenige hundert Meter. Jeder Schritt ein Kampf gegen die Unsicherheit, gegen die Angst, wieder zu stürzen. Ich begann mit der Bewegung auf der Stufe eines Kleinkindes.

🚶‍♂️ Erst nur ein paar Kilometer, dann immer mehr. Ich lernte, meinem Körper wieder zu vertrauen – auch wenn er nicht mehr derselbe war. Dieses Vertrauen in mich selbst übe ich bis heute.

🚶‍♂️ Heute, nach neun Jahren, bin ich Tausende Kilometer gegangen. Einmal zu Fuß rund um die Welt – in Etappen, aber ohne aufzuhören.

"Nur durch Wiederholungen kannst du lernen und dich verbessern. Wiederholungen und Übung sind der Schlüssel."

Dieser Satz veränderte viel in mir. Ich erkannte bald, umso mehr Wiederholungen, umso besser wird die Information im Gehirn verfestigt. So habe ich seit 2016 rund 85 Millionen Schritte gemacht, trotz der verlorenen Automatik.

Deshalb auch mein Weitermachen. Mein Geist entscheidet über Pflegefall oder nicht. Die verlorene Automatik kam bisher nicht wieder.

"Du erwächst jeden Morgen mit der Gelegenheit zu wachsen, etwas zur Stärke deines Charakters beizutragen, dein Wissen zu vermehren.

Der Wille, jene Kraft, jene Energie, die uns dazu brachte, zu kriechen und dann aufzustehen und dann die ersten wackeligen Schritte zu tun, ist das, was uns die ganze Zeit aufrechterhalten hat."

Diese Wanderungen haben mich gerettet. In der Natur finde ich zu mir selbst. Das Gehen ist nicht nur Bewegung, es ist Meditation, Therapie und Herausforderung zugleich. Der Wald und die Natur sind meine Therapeuten.

Denn meine Propriozeption, das Gefühl für meinen eigenen Körper, ist bis heute eingeschränkt. Lasse ich das Training schleifen, merke ich es sofort: Der Schwindel kehrt zurück, das Körpergefühl schwindet. Ich muss gehen. Jeden Tag.

Deshalb bin ich immer wieder auf den Wegen unterwegs – ob in den heimischen Wäldern oder auf den großen Pilgerpfaden Europas. Jeder Schritt bringt mich weiter, körperlich wie mental.

Pilgern nach dem Hirnabszess
Km 0, in Finesterre

Vom Patienten zum Blogger

Der 27. März war der Tag, an dem mein Leben in tausend Teile zerbrach. Doch er war auch der Tag, an dem etwas Neues begann.

Irgendwann kam der Punkt, an dem ich meine Geschichte aufschreiben wollte. Bloggen? Hatte mich nie interessiert. Doch plötzlich wurde es zu einem wichtigen Werkzeug – eine Möglichkeit, meine Krankheit zu verarbeiten.

Mit jedem geschriebenen Wort ordnete ich meine Gedanken. Schreiben wurde Therapie.

Der Wunsch, ein Buch zu schreiben, ist bis heute in mir. Die Handicaps sind allerdings derzeit noch größer. Es wurde wichtig, in meiner Mitte zu bleiben und mich gut zu fühlen, Buch hin und her.

Schreiben und Denken beginnen, nach dem Hirnabszess
Schreiben beginnen

Heute? Ich bin noch nicht dort, wo ich sein will. Aber ich bin auch nicht mehr bei NULL. Ich habe mir ein zweites Leben aufgebaut. Nicht ein anderes – sondern ein verändertes.

Und jedes Jahr, wenn der 27. März kommt, erinnere ich mich daran, wie weit ich gekommen bin.

🚶‍♂️ Als Überlebender, vom ersten wackeligen Schritt bis zu 50.000 Kilometern zu Fuß.

📖 Vom Patienten, der kaum sprechen konnte, zum Blogger, der seine Geschichte erzählt.

💡 Vom Mann, der nicht wusste, ob er überlebt, zu jemandem, der seinen eigenen Weg (bisher) gefunden hat.

Leben nach dem Hirnabszess
LEBEN!!!

27. März – Der Tag, an dem mein Leben neu begann. Und der Tag, an dem ich mir immer wieder aufs Neue beweise: Ich gehe weiter.


Weitwandern, Pilgern und ein Hirnabszess: Meine Reise zurück ins Leben – 9 Jahre danach

Vor neun Jahren änderte sich mein Leben schlagartig. Ein Hirnabszess, eine Krankheit, die ich mir nie hätte vorstellen können, zog mir den Boden unter den Füßen weg, von einem Tag auf den anderen. Doch was wie das Ende wirkte, war in Wirklichkeit der Beginn einer Reise – einer Reise, die mich durch tiefe Täler, über weite Wanderwege und zu mir selbst führte.

Heute, 9 Jahre später, möchte ich eine Zusammenfassung meiner Geschichte mit euch teilen. Nicht, um Mitleid zu erregen, sondern um zu zeigen, wie man selbst in der Dunkelheit Licht finden kann. Und wie das Weitwandern und Pilgern mich gerettet hat.

Pilgern nach dem Hirnabszess
In Santiago de Compostela

Von der Diagnose zum Umdenken: Der Hirnabszess und seine Folgen

Ein Hirnabszess – das klingt wie ein medizinischer Albtraum, und das war es auch. Die Schmerzen, die Unsicherheit, die Operation. Mein Körper und mein Geist wurden auf eine Art geprüft, die ich nie für möglich gehalten hätte. Nach Monaten im Krankenhaus und einer langen Reha fühlte ich mich verloren, ich wusste nicht, wer oder was ich bin.

Hirnabszess MRT

Überlebt zu haben war das Eine, aber den Sinn darin zu finden, überlebt zu haben, den musste ich erst finden. Die Erfahrung hat meine Augen geöffnet. Ich habe gelernt, dass ein Leben mit Behinderung nicht nur von Einschränkungen geprägt ist, sondern auch von großer Stärke und Lebensfreude.

Eines Tages begann ich, mich zu fragen: Was, wenn dieser Kampf nicht das Ende ist, sondern ein neuer Anfang?

Das Weitwandern: Schritt für Schritt zurück ins Leben

Ich begann klein, so klein wie es kaum jemand glauben kann: Nach drei Monaten im Krankenhaus konnte ich erstmals die etwa zehn Schritte zur Tür meines Krankenzimmers zurücklegen, wo ich ohnmächtig zusammengebrochen bin. Am Boden kriechend gelangte ich im Anschluss daran zurück zum Bett, an dem ich mich hochzog und mich hineinplumpsen ließ.

Viele Monate später, eigentlich über ein Jahr später, wurde es ein Spaziergang hier, eine kurze Wanderung dort. Bald wurde das Gehen zu mehr als nur die Bewegung zu lernen – es wurde meine Therapie – Gehen als Therapie. Mit jedem Schritt eroberte ich mir, Stück für Stück, meine Selbstständigkeit zurück, allerdings eine andere wie früher.

Dann kam der Moment, der alles veränderte: Ich las von Menschen, die auf Weitwanderungen ihre Leben transformiert hatten. Der Pacific Crest Trail, der Jakobsweg – das schien wie eine Welt, die mir nie mehr zugänglich war. Doch etwas in mir flüsterte: Warum nicht du?


Pilgern: Die spirituelle Dimension meiner Heilung

Zweieinhalb Jahre nach meiner Diagnose stand ich am Start des Jakobswegs. Ich wusste nicht, ob ich es schaffen würde, aber ich wusste, dass ich es versuchen musste.

Die ersten Tage und Wochen waren hart. Mein Körper war nicht so stark wie früher, und die Narben, physisch und mental, schmerzten. Doch dann passierte etwas Magisches: Die Begegnungen mit anderen Pilgern, die Stille der Landschaft, das Gefühl, nur mit einem Rucksack und meinen Gedanken unterwegs zu sein – all das begann mich auf eine Weise zu heilen, die ich nicht erklären kann.

Mein erster Camino Frances, zweieinhalb Jahre nach dem Hirnabszess

Ich lernte, loszulassen. Alte Ängste, alte Vorstellungen davon, wer ich war oder sein sollte. Der Weg zeigte mir, dass es in Ordnung ist, unvollkommen zu sein – solange ich weitergehe. Seit 2016 bin ich rund 50.000 Kilometer zu Fuß gegangen, darunter zahlreiche Pilger- und Weitwanderwege. Die Automatik habe ich weiterhin verloren, aber damit das Leben von einer anderen Seite kennengelernt.

Die Rehabilitation nach meinem Hirnabszess war und ist ein langer Weg, den ich Schritt für Schritt, Wanderung für Wanderung, mehr oder weniger gemeistert habe. Ob auf dem Camino Frances, den ich achtmal besuchte, beim JOGLE in England, dem Walkabout durch Österreich oder dem Hexatrek in Frankreich – jede Tour war ein Meilenstein meiner Genesung. Jeder Weg bot mir die Möglichkeit, Körper und Geist auf eine neue Art herauszufordern und zu stärken.

John oGroats - Lands End, Jogle
2.000 km zu Fuß, 7 Jahre nach dem Hirnabszess
Am JOGLE in England

9 Jahre später: Was bleibt?

Heute, 9 Jahre nach dem Hirnabszess, bin ich nicht mehr dieselbe Person wie damals – und eigentlich doch noch. Ich bin allerdings stärker, freier und dankbarer. Das Weitwandern und Pilgern haben mir gezeigt, dass das Leben kein Sprint ist, sondern ein langer und schöner Weg sein kann. Überlebt zu haben, ergibt Sinn!

Natürlich gibt es Rückschläge. Narben, die schmerzen. Momente der Zweifel. Aber dann erinnere ich mich an die Lektion, die mir der Jakobsweg lehrte: Der Weg ist das Ziel. Und auf diesem Weg lerne ich zu mir selbst zu kommen.

Physiotherapie nach dem Hirnabszess

Meine Botschaft an dich

Wenn du selbst vor einer Herausforderung stehst, die unüberwindbar erscheint, möchte ich dir sagen: Es gibt einen Weg. Vielleicht beginnt er mit einem kleinen Schritt vor die Tür, vielleicht mit einer großen Entscheidung. Aber er beginnt – wenn du bereit bist.

Die Entscheidung, nach dem Hirnabszess niemals aufzugeben!
Entscheidung für "Never give up"

Hast du ähnliche Erfahrungen gemacht? Oder träumst du davon, eines Tages deinen eigenen Weg zu gehen, sei es auf einem Pilgerpfad oder im Alltag? Das Geheimnis ist es ANZUFANGEN, egal wo du stehst!

Früher habe ich oft gedacht: 'Ich kann nicht, weil…'. Heute weiß ich, dass das nur eine Ausrede war. Der Hirnabszess hat mir gezeigt, dass ich stärker bin, als ich dachte. Und dir? Dir kann auch nichts im Weg stehen, glaub an DICH!

ANFANGEN und NEVER GIVE UP!!!

Lass uns gemeinsam die Welt ein Stückchen heller machen!


Rückschau auf meinen 10en Camino, 9 Jahre nach dem Hirnabszess!

Ja, ich war wieder unterwegs. Nach meinem zehnten Camino und inzwischen neun Jahren Rehabilitation nach meinem Hirnabszess ist es an der Zeit, Rückschau zu halten und ein (Zwischen-) Resümee zu ziehen.

Diesmal begleitete mich kein Social Media, und auch das Telefon kam nur selten zum Einsatz. Dieser Weg war ganz für mich allein – ein Moment, um nachzudenken und Bilanz zu ziehen, um zu erkennen, wo ich heute stehe.

Camino Frances

Der Weg zurück ins Leben, eine Rückschau

Vor neun Jahren stand mein Leben still. Der Hirnabszess kam unerwartet und zog mir den Boden unter den Füßen weg. Monatelang fast nur liegend im Krankenhaus, eine Operation und eine langwierige Rehabilitation prägten mein Leben seither.

Die einfachsten Dinge – sprechen, gehen, denken – waren plötzlich eine Herausforderung und wollten neu gelernt werden. Es dauerte Monate, bis ich wieder ein Messer beim Essen verwenden konnte. Noch heute ist es mir unangenehm mit mehreren Menschen am Tisch zu essen, denn ich brauche die volle Konzentration für die Beherrschung des Besteck.

Der Gedanke an den Camino, gab mir Hoffnung. Nur drei Monate vor der Krankheit, wollte ich eine Dokumentation darüber drehen. Der Camino war so stark in mir und wurde danach zu einem Ziel: Einem Symbol für Stärke, Heilung und Leben.

Nach meinem Hirnabszess zum Camino

Wie geht es mir, neun Jahre nach dem Hirnabszess

Das ist eine schwierige Frage, denn es ist eigentlich leichter zu beschreiben, was noch nicht geht, als was funktioniert. Heilung bedeutet nicht, dass alles wie vorher sein muss. Die Definition laut Wikipedia lautet:

"Heilung ist der Prozess der Wiederherstellung der körperlichen und seelischen Integrität."

Für Außenstehende mag mein Zustand gar nicht so schlecht aussehen, was im Vergleich zur Krankheit auch tatsächlich stimmt. Dennoch gibt es noch so vieles, das nicht funktioniert. All das in Worte zu fassen, fällt mir nach wie vor schwer und ist auch nicht sichtbar.

Immerhin kann ich gehen – und das ist mittlerweile mein zehnter Camino in sieben Jahren. Aber was dieses „Gehen können“ wirklich bedeutet, ist für viele kaum nachzuvollziehen und oft auch widersprüchlich zu dem, was man sieht. Ich habe viel erreicht, aber das Verhältnis zur Zeitdauer, die ich dafür gebraucht habe, lässt sich nicht mit vor dem Hirnabszess vergleichen.

Einfachste Dinge können sich unglaublich schwer anfühlen, weil mein Gehirn mit so vielen anderen Prozessen überfordert ist. Würde ich den ganzen Tag nur im Bett liegen, ohne mich zu bewegen, könnte mein Gehirn – besser gesagt, mein Denken – wahrscheinlich besser funktionieren. Aber mein Gesundheitszustand wäre dann ein völlig anderer.

Deshalb bleibe ich in Bewegung, so lange ich kann, auch wenn das bedeutet, dass mein Denken oft eingeschränkt ist. Ich möchte es nicht riskieren, es auszuprobieren, denn selbstbestimmt und auf eigenen Beinen aufs Klo zu gelangen, steht über allem. Es bekommt erst eine Wichtigkeit, wenn man es nicht mehr kann.

Außerdem ist mein Kurzzeitgedächtnis verloren, und auch nach all den Jahren Training hat sich das kaum verbessert. Ich habe gelernt, damit umzugehen. Wie andere damit und mit mir umgehen, kann ich nicht beeinflussen, und ich kann es auch nicht jedem erklären.

Bewegungen müssen nach wie vor sehr bewusst ausgeführt werden. Mein Gehirn ist so damit beschäftigt, dass für anderes nur wenig Platz bleibt. Single Tasking statt Multi Tasking. Mein Buch zu schreiben ist ein gutes Beispiel. Ich schreibe oft, komme aber nur langsam voran, weil mir der Überblick fehlt. Mein Gehirn ist kaum in der Lage, zusammenhängend zu denken.

Das macht alles nicht leichter, besonders wenn es um frühere Erlebnisse geht. Deshalb gehe ich am liebsten und lebe im Hier und Jetzt. Es fühlt sich oft noch an wie im Krankenhaus, als ich nur auf direkte Fragen an mich antworten konnte. Vergangenheit und Zukunft spielen keine Rolle.

Spruch am Camino
WAKE UP, YOURE ALIVE

Die Vorbereitung auf den Camino

Die Vorbereitung auf diesen 10. Camino war nicht viel anders als bei den vorherigen. Die Entscheidung dazu viel erst kurz davor. Da ich im Sommer am HexaTrek in Frankreich unterwegs war, wollte ich meine dort neu gewonnene Stärke überprüfen.

Ich konnte damals zwar nichts an der Muskelschwäche ändern, aber ein großer Erfolg war es, dass mir danach der Puls bei Anstiegen und Stufen steigen nicht mehr so hoch schnellte. Das wollte ich unter anderem am Camino überprüfen, da ich die Wege und mein Befinden dort kenne.

In den letzten Jahren hatte ich zu lernen, dass mein Körper nicht mehr derselbe ist. Er funktioniert so anders und ich kann oft nie vorher sagen, wie genau er sich verhalten wird. Deshalb lerne ich noch immer täglich dazu, um ihn verstehen zu lernen.

Dieser Camino sollte nicht nur ein Jubiläum sein, sondern auch eine Überprüfung, wo ich stehe.Ich wollte diesmal nur für mich selbst gehen, deswegen verzichtete ich auf eine Begleitung durch Social Media und konnte mich so zu 100% auf mich einlassen, um zu sehen, wie es mir ergeht. Durch das weglassen von Social Media hatte ich täglich mehr Zeit für mich und wurde nicht abgelenkt.

Trotzdem war auch ein wehmütiges Auge dabei, denn immerhin begleitet mich der Blog, Facebook und Instagram seit 2017, wo ich über meine Rehabilitation berichte und was ich bisher machte, um wieder ins Leben zu gelangen. Das hantieren mit dem Handy diente außerdem meiner Feinmotorik, ob beim Bearbeiten von Fotos oder dem kreieren von Beiträgen. Das fiel alles diesmal weg.

Facebook

Der Weg: Herausforderung Camino

Die ersten Schritte auf dem Camino fühlten sich an wie eine Rückkehr nach Hause. Egal ob auf Weitwanderwegen oder Caminos, der Aufenthalt in der Natur tut meinem Körper, wie auch dem Geist unglaublich gut. Kann ich gehen, fühle ich mich wohl. Draußen auf dem Weg fühle ich mich lebendig. 

Es hat etwas Magisches, sich der Natur auszusetzen. In der Energie der Natur zählt in dieser Zeit nichts anderes. Keine Fristen, kein Drama, nur ich und die Natur. Deshalb verweile ich auch nicht lange in Städten und Dörfern, am liebsten bin ich am Trail unterwegs.

Doch die Schritte waren auch schwer. Mein Körper erinnerte mich an seine Grenzen, vor allem an steilen Anstiege, wenn es finster war oder auf langen Tagesetappen. Doch mit jedem Schritt ist immer mehr Leichtigkeit zurück gekommen. Gerade das therapeutische Tanzen hilft mir sehr dabei und viele Übungen von meiner Therapeutin Hanna Treu bilden einen wesentlichen Grundstein für mein jetziges Leben.

Unterwegs auf dem Camino: Mein Weg über den Camino France und Invierno

Meine Pilgerreise führte mich von Saint Jean Pied del Port, 570 km auf dem Camino Francés bis nach Ponferrada. Dort entschied ich mich, erstmals den Camino Invernio zu nehmen, den sogenannten Winterweg nach Santiago de Compostela.

Camino Frances und Invernio
Camino Frances und Invernio

Die Begegnungen mit anderen Pilgern waren diesmal seltener – besonders auf dem weniger frequentierten Camino Invierno. Doch genau diese Stille eröffnete mir Raum für tiefere Reflexionen und ein tiefes Eintauchen in mir selbst.

Wenn ich mit einigen der wenigen Pilger ins Gespräch kam, teilte ich meine Geschichte offen. Nicht aus Selbstmitleid, sondern um zu zeigen, dass Heilung möglich ist und was Heilung überhaupt bedeutet. Die Reaktionen, die eigenen Geschichten der anderen und die Verbindungen, die dabei entstanden, waren für mich ein weiterer Schritt auf meinem Heilungsweg.

Bilderstrecke bin Bugos

Die Zeit bis Burgos verbrachte ich größtenteils mit Dan aus Seattle. Kontakte knüpfen und Kommunikation standen im Vordergrund.

Die Meseta, Zeit zum Reflektieren

Ab der Meseta war ich wieder alleine. Gehen, gehen, gehen - im Gehen kann ich meine Gedanken ordnen oder aber auch nichts denken. Das Gehirn leer werden lassen. Einen Teil Denken brauche ich trotzdem noch für das Gehen. Alles andere loszulassen, Gedanken sein lassen zu können, tut gut.

Vielleicht ist es gerade diese Einfachheit, die die Meseta für viele Pilger auf dem Jakobsweg so besonders macht. Sie wird oft als eintönig beschrieben, aber in ihrer Schlichtheit steckt eine Einladung, das "Zuviel" loszulassen und sich im Gehen selbst zu finden. Für viele ist das zuviel, diese Konfrontation mit sich selbst. Sie überspringen die Strecke lieber mit dem Bus.

Auf der Meseta genoss ich das Gehen, ohne über jeden Schritt so viel nachzudenken, wie zuvor am HexaTrek. Es wurde zu einer Erholung für den Geist.

Das Crux de Ferro

Am Crux de Ferro läßt man traditionell einen Stein von zuhause zurück, als Symbol für eine Last, die man hier zurück lässt.

Warum den Camino Invierno?

In Ponferrada entschied ich mich für den Camino Invierno, weil ich ihn noch nie gegangen war. Außerdem reizte mich die Idee, eine alternative Route zu wählen – eine, die besonders in den Wintermonaten oft still und einsam ist.

Mir war bewusst, dass ich auf diesem Weg weniger Begegnungen mit anderen Pilgern haben würde, das nahm ich aber in Kauf. Die Interaktion mit Menschen, die das Pilgern so besonders macht, hatte ich im ersten Teil. Tatsächlich hatte ich auf dem Camino Francés bis Burgos interessante Gespräche, besonders mit Dan, einem Amerikaner aus Seattle. Ab der Meseta war ich jedoch wieder alleine unterwegs und traf nur mehr auf wenige Menschen.

Erst in Ponferrada fiel die Entscheidung für den Invierno. Am Morgen ging ich von der Herberge, die knapp außerhalb der Stadt liegt, in die Stadt hinein, um zu frühstücken. Während ich danach  losging, beschloss ich spontan, diesen neuen Weg zu erkunden.

Neue Wege – neue Herausforderungen

Der Camino Invierno forderte mich auf eine besondere Weise heraus. Neue Wege zwingen mich, meine Komfortzone zu verlassen. Sie verlangen mehr Aufmerksamkeit und Kreativität – eine echte Herausforderung für Körper und Geist.Doch gerade das machte diesen Weg für mich so besonders.

Ich bin überzeugt, dass mich genau diese Herausforderungen weiter bringen – nicht nur als Pilger, sondern auch als Mensch und dass, besonders nach dieser Krankheit.

Persönliche Erlebnisse und Begegnungen

Auf dem Camino Invierno waren Begegnungen und Gespräche mit anderen Menschen selten. In den acht Tagen auf dieser Strecke sprach ich nur kurz mit zwei Pilgern und sah insgesamt lediglich fünf weitere auf dem Weg.

Doch diese Ruhe war für mich kein Nachteil. Im Alleinsein fand ich die Möglichkeit, tiefer über mein eigenes Sein nachzudenken. Mein Fokus lag darauf, persönliche Einsichten zu gewinnen: Wie hat sich mein Gehen verändert? Wie gehe ich mit Herausforderungen um? Und wie kann ich meine Gedanken ordnen, wenn ich allein mit mir selbst bin?

Besonders spannend war es, Lösungen für unvorhergesehene Herausforderungen zu finden. Die langen Distanzen zwischen den Herbergen erforderten eine gute Planung und oft auch Improvisation. Doch erstaunlicherweise fügte sich alles immer wieder, vor allem dann, wenn ich Vertrauen hatte.

Vertrauen als Lebensbegleiter

Vertrauen ist einer der Grundpfeiler meines neuen (Lebens-)Weges – nicht nur auf dem Camino, sondern auch im täglichen Leben. Es hilft mir, ruhig zu bleiben, wenn ich mit Unsicherheiten oder Herausforderungen konfrontiert bin. Doch so einfach das klingt, gelingt es mir nicht immer, in diesem Zustand zu bleiben.

Wenn ich jedoch Gelassenheit und Vertrauen in solchen Momenten der Herausforderung finde, fühlt sich alles leichter an. Diese innere Balance ist für mich ein Schlüssel, um mit schwierigen Situationen klarzukommen, gerade wenn der Verstand manchmal mit zu vielen Gedanken ringt.

Herausforderungen und Überraschungen

Auf dem Camino Invierno wurde ich oft von der spärlichen Infrastruktur überrascht. Es war keine Seltenheit, dass ich Etappen von 20 bis 30 Kilometern zurücklegen musste, ohne die Möglichkeit, Verpflegung einzukaufen oder einfach einen Kaffee mit Croissant in einem Café zu genießen.

Das war eine deutliche Umstellung im Vergleich zum Camino Francés, wo alle 20 bis 25 Kilometer – oder spätestens nach 40 bis 50 Kilometern – eine offene Herberge zu finden ist und dazwischen wesentlich mehr Cafés geöffnet haben. Hier auf dem Invierno war das anders.

Doppeletappen, die ich auf dem Francés problemlos hätte planen können, wären hier schlicht unmöglich. Oft folgte nach einer 30-Kilometer-Etappe erst nach weiteren 30 Kilometern die nächste offene Herberge – ohne Alternativen wie Hotels dazwischen. Dadurch war ich auf Übernachtungen in größeren Orten angewiesen, was meine Flexibilität einschränkte, aber auch eine neue Herausforderung mit sich brachte.

Natur und Landschaft

Trotz vieler Herausforderungen war die Landschaft des Camino Invierno für mich ein echtes Highlight. Sie ist völlig anders als auf dem Camino Francés: Der Weg führt häufig entlang eines Flusses durch die Berge, mit malerischen Ausblicken und der Ruhe der Natur. Immer wieder steigt der Weg steil an, um weite Flussschleifen über einen Berg abzukürzen, was für einige Höhenmeter sorgt – eine gute Herausforderung für Körper und Geist, mit diesen Veränderungen klarzukommen.

Besonders beeindruckend waren die Weinberge, durch die ich vor allem in Galicien wanderte. Die Hügel und die kultivierten Reben sorgten für eine ganz eigene Atmosphäre. Oft leuchtete der Hang in Rot oder Gelb, von den Blättern der Weinreben. Und mit dem Wetter hatte ich unglaubliches Glück: Einzig am zweiten Tag, zwischen Roncevalle und Pamplona regnete es. Danach hatte ich keinen einzigen weiteren Regentag, außer am letzten Tag, wo ich zwischen und in Gewitterfronten nach Santiago ging.

Gewitterleuchten

Einsamkeit und Geisterdörfer

Die lange Zeit der Einsamkeit störte mich nicht, im Gegenteil – sie gab mir Raum für Reflexion und Achtsamkeit. Doch manchmal hoffte ich trotzdem auf eine offene Bar in einem der vielen kleinen Dörfer, um für einen Moment auszurasten. Viele dieser Orte wirkten jedoch wie ausgestorben, beinahe wie Geisterstädte. Diese Leere hinterließ einen eigentümlichen Eindruck – melancholisch, aber zugleich faszinierend.

Da ich eigentlich immer der einzige Pilger in der Herberge war, bin ich schon zeitig aufgebrochen. Ich brauchte mich nicht darum zu sorgen, jemanden durch mein frühes Aufstehen zu stören.

Noch im Dunkel des Morgen, die Dämmerung bricht erst gegen 8h30 an, suche ich eine offene Bar und nehme Kaffee mitToast und Marmelade zu mir. Danach gehe ich meist noch eine weitere Stunde im Dunkeln und werde danach fast immer mit einem wunderschönen Sonnenaufgang draußen in der Natur belohnt.

Meseta am Camino Frances
Meseta, Camino Frances

Tierbeobachtungen

Die Tiere haben es mir besonders angetan. Mein Pilgerfreund Dan hat sich den Spaß gemacht, den Ruf von Raubvögeln, wie Bussard oder Milan, mit meinem Namen zu verbinden. Schwebte wieder einmal einer über uns, rief er langgezogen meinen Namen. Für einen Amerikaner ist das "ö" schwer auszusprechen, so nennt er mich York, dass dem Ruf der Vögel ähnlich ist.

"Yoork, Yooork!"

Dan imitierte mit seinen Armen das Gleiten des Vogels durch die Luft und vermittelte mir Leichtigkeit. Immer wenn ich einen Bussard höre, wird mir diese Leichtigkeit bewußt gemacht. Es vermittelt mir, mit Leichtigkeit über die Trails und Wege zu laufen!

Religiöse und kulturelle Traditionen in den Dörfern

Auf dem Weg, besonders am Invernio, befinden sich viele alte Kirchen, aber die meisten sind geschlossen. Von Außen sind sie allerdings auch sehr schön. Nur wenige sind renoviert und die alten Steingemäuer sind oft Moosbewachsen und schimmern in Grün.

Jedes noch so kleine Dorf hat seine Kirche, die zumeist auch der Mittelpunkt ist. Umgeben von Kinderspielplätzen und Bänken luden sie zur Rast ein.

Da der Abstand von Herberge zu Herberge im Verhältnis groß ist, kann man nicht oft eine Doppeletappe einlegen. Wenn doch, hätte man oft über 50 Kilometer zu gehen, meist sogar über 60, ohne dazwischen wo einkehren zu können. Da es im November/Dezember nicht solange Tageslicht hat, ist man limitiert damit, bei Tageslicht weit gehen zu können.

In manchen Orten war die Herberge ganz geschlossen, aber für 20 Euro bekam ich ein Einzelzimmer im Hotel, dass aus diesem Grund oft für Pilger günstiger angeboten wird.

Verpflegung: Lokale Spezialitäten

Hin und wieder ging ich essen. Das war nicht oft möglich, da in Spanien erst spät zu Abend gegessen wird. Das sagt mir aber überhaupt nicht zu und deswegen jausne oder koche ich in der Herberge meist selbst.

In Navarette war die Herberge geschlossen und so wichen Dan und ich in ein Hotel aus. Ein Doppelzimmer um 40 Euro war günstig zu bekommen. Es ist um diese Zeit kaum was los und so geben die Wirte ihre Zimmer im Winter an Pilger billiger her, vor allem, weil die Herbergen zu haben.

Der Wirt war ein Brasilianer, der hier im Ort hängen geblieben ist. Zum Hotel dazu eröffnete er ein kleines Restaurant, dass er als ehemaliger Haubenkoch installierte. Das Hotel kam eigentlich eher zufällig dazu. An diesem Abend speiste ich wohl wie noch nie zuvor am Camino und trank zur Abwechslung auch ein Glas Wein.

Hinweise zur Vorbereitung: Schwierigkeit des Weges, Ausrüstung, beste Reisezeit.

Der November zählt bereits zum Winter und man sollte auf alles vorbereitet sein. Von Regen und Sturm, bis Kälte und Schnee, aber auch Wärme, kann man alles erwarten. Trotzdem war ich nur mit einem 20 Liter Laufrucksack unterwegs, der mit seinen Außentaschen allerdings mehr fasste.

Ich war für jedes Wetter gerüstet, auch Kälte und Schnee. Wegen meines kleinen Rucksacks sahen andere in mir einen Tageswanderer, der sein Gepäck jeden Tag vorausschickte. In den Herbergen war manch einer verwundert, was ich alles hervor zauberte.

Ich war Leichtgewichtig unterwegs, aber trotzdem mit ein wenig Komfort. Anbei ist mein Link zur Ausrüstungsliste auf lighterpack. Mein Basisgewicht lag übrigens bei etwa dreieinhalb Kilo.

https://lighterpack.com/r/q7p070

Meine Winterausrüstung im November/Dezemberz

Im Endeffekt hatte ich sogar zuviel mit, den das Wetter meinte es gut mit mir. Nur zwei richtige Regentage in den über drei Wochen war weit weniger, als ich erwarten durfte und es war niemals Schnee.

Wie immer hatte ich zusätzlich zur Regenjacke einen Poncho mit, eigentlich unnötig, zwei dieser Dinge zu tragen, aber für mich ist es Komfort, mit allen möglichen Schichten wechseln zu können.

Wichtig war, dass ich alles Gewand im Rucksack verstauen konnte. An einigen Tagen war es so warm, dass ich nur mit dem T-Shirt ging. Der Rest musste dann alles auf und in den Rucksack, der damit am Limit war. Dazu erhöht sich das Gewicht.

Beim Schlafsack ist mir ein Fehler unterlaufen. Beim Packen zuhause wollte ich nur den Unterschied sehen, zwischen dem SEA to Summit Spark I und II. Ich vergaß vor der Abfahrt sie wieder auszutauschen und nahm den wesentlich wärmeren Spark II mit, der auch um etwa 200g schwerer ist.

Dieser Schlafsack war überdimensioniert. Ich wollte ja nur Herbergen nutzen und nicht im Freien übernachten. Er war zwar oft zu warm, aber dafür kuschelig.

Reflexionen auf dem Weg

Der Camino gibt einem Zeit zum Nachdenken. Ich reflektierte über die letzten neun Jahre – die Herausforderungen, die Ängste, aber auch die kleinen und großen Erfolge. Der Hirnabszess war ein Einschnitt, der mich verändert hat, aber er hat mir auch gezeigt, wie stark ich bin.

Auf diesem 10en Camino spürte ich erneut, wie wichtig Dankbarkeit ist. Dankbarkeit für meinen Körper, der nach allem, was er durchgemacht hat, immer noch mit mir geht. Dankbarkeit für die Menschen, die mich in meiner dunkelsten Zeit unterstützt haben. Und Dankbarkeit für den Camino selbst, der mir immer wieder neue Perspektiven schenkt.

Das Weitwandern hat mich wieder ins Leben gebracht, wenn auch etwas anders, als gedacht. An die Stadt versuche ich mich nur mehr soviel wie nötig zu gewöhnen. Das wichtigste ist es, mich gut zu fühlen. Da mich die Stadt auch nach Jahren des Trainings noch stresst, muss ich mich nicht mit aller Macht daran gewöhnen.

Ankommen

Am Ende des Weges, in Santiago de Compostela, stand ich vor der Kathedrale und konnte die Tränen nicht zurückhalten. Es war ein Moment der Erleichterung, des Stolzes und der tiefen Freude.

In solchen Momenten kann ich meine Gefühle nicht im Zaume halten. Szenen aus den letzten Jahren spielen sich vor meinem geistigen Auge ab.

Zunächst war es aber ein flüchten vor dem Gewitter mit starkem Regen.

Die ersten krampfhaft Gehversuche kommen mir immer wieder in den Sinn. Ja, es ist nicht leicht hier zu gehen, nach wie vor nicht. Andererseits, als Pflegefall im Bett zu liegen, ist sicher noch schwerer. Um das hier zu erleben, nehme ich gerne das Überwinden von Herausforderungen in Kauf, als von vornherein aufzugeben.

Fazit: Der Camino als Metapher für das Leben

Dieser 10. Camino war für mich nicht nur eine Wanderung, sondern ein Spiegel meines Lebens. Er zeigte mir, dass Rückschläge uns formen, aber nicht definieren müssen. Dass Heilung Zeit braucht, aber möglich ist. Und dass jeder Schritt, egal wie klein, uns weiterbringen kann.

Durch meine Geschichte hoffe ich, andere zu inspirieren, eine schwierige Phase in ihrem Leben überwinden zu können. Der Weg zeigt sich, wenn wir bereit sind, ihn zu gehen.

"Never give up!", wurde zu meinem Leitsatz.

Buen Camino!


HexaTrek, Stage 4/6

In Viviers, welches an der Rhone liegt, beginnt der 4. Abschnitt des Hexatrek. Der Süden Frankreichs, mit der Ardeche und den Cevennen, warten auf mich.

Die Alpen liegen hinter mir und ich überlege kurz, hier abzubrechen und nach Hause zu fahren. Ich habe meine Ziele erreicht, allerdings überwiegt die Freude hier zu sein und den Hexatrek vielleicht zu vollenden. So gehe ich nach einem Ruhetag in Le Chateaneuf weiter und freue mich auf die Ardeche.

Hexatrek, Gorges du Tarn

Vievier, Stage 4 am Hexatrek beginnt

Grenzgang Ardeche

Vor zwölf Jahren war ich schon einmal hier – damals für Filmaufnahmen. In meiner Erinnerung trug mich ein schmaler Pfad durch die Schlucht, von Felsen umrahmt. Doch das, was mich heute erwartet, fordert mich bald mehr, als mir lieb ist. Nach rund dreißig Kilometern beginnt der Abstieg hinab, ganz tief in den Schlund der Schlucht. Zunächst freue ich mich noch auf diesen Weg, ahne jedoch nicht, wie sehr er mich fordern wird.

Auf dem Wasser sind viele Kajaks und Rafting Boote unterwegs und geben ein buntes Bild ab. Der Fluss wird rechts und links von hohen Felswänden eingerahmt und ein Durchkommen zu Fuß erscheint unmöglich. Ich finde Markierungen und kämpfe mich Meter für Meter vorwärts. Und Kämpfen ist der richtige Ausdruck. Tiefe, sandige Passagen wechseln mit dem Springen von Stein zu Stein ab.

Seit dem Hirnabszess versuche ich es zu vermeiden zu Kämpfen, alles soll mit einer Leichtigkeit passieren und einfach sein. Hier stoße ich aber an Grenzen, die für mich zu hoch sind. An einer Stelle steht auf den Fels geschrieben: "Ab hier müssen sie klettern". Allerdings ist mir nicht klar, wohin?

Eine etwa drei Meter hohe senkrechte Stelle führt hinunter zum Fluss, auf eine nächste Felsebene und ebenso steil geht es nach oben, ohne zu sehen wohin. Für mich unüberwindbar. Ich gehe auf und ab und kann mich nicht entscheiden, also gehe ich zurück. Über riesige Felsblöcke, durch Brennnessel, mit Gestrüpp und ausgesetzte Stellen versuche ich diese Kletterstelle zu umgehen und gelange wirklich an die Stelle darunter, wo ich vorher oben umdrehte.

Es geht weiter, tiefer hinein in die Schlucht. Die Wände aus Fels sind vom Wasser über Jahrtausende ausgewaschen, glatt und zugleich schroff. Ich klettere über wuchtige Brocken, wate durch tiefen Sand, der jeden Schritt zäher macht. Meine Füße und Knöchel sind so gefordert wie noch nie zuvor auf dem Hexatrek. Immer wieder treffe ich auf ausgesetzte Passagen, wo Eisenklammern in den Fels geschlagen sind – zehn Meter über dem Fluss, den Blick hinunter vermeide ich so gut ich kann.

Ich habe auf dem Hexatrek schon vieles geschafft, Grenzen verschoben und Hürden genommen. Doch hier stoße ich mit meiner Propriozeption an ein Ende, das ich nicht erwartet habe. Unter mir glitzert das Wasser – für andere vielleicht schön, für mich eine ständige Bedrohung. Ich spüre, dass mir dieser Abschnitt nicht guttut, und dennoch bleibt zunächst nur eines: weitergehen.

In den Felswänden der Ardeche

In einer Stunde komme ich nicht einmal zwei Kilometer vorwärts und es sind noch sechs bis zum nächsten Campingplatz. Es hat über 30 Grad und meine Wasservorräte sind bald erschöpft. Schritt für Schritt kämpfe ich mich vorwärts, jeden Schritt muss ich genau wählen, wo ich ihn hinsetze. Für die nächsten Kilometer würde ich so noch drei bis fünf Stunden brauchen.

Zu Biwakieren wäre eine Möglichkeit, allerdings müsste ich dann zu lange ohne Wasser auskommen, also verwerfe ich es. Der Fluss ist zwar nur wenige Meter entfernt, aber ich erreiche ihn nicht. Außerdem ist das Biwakieren in der Schlucht verboten, da es ein strenges Naturschutzgebiet ist.

Ich entscheide mich dafür, bei der nächsten Möglichkeit zur Straße aufzusteigen. Ein kaum erkennbarer Pfad schlängelt sich wie eine Schlange steil nach oben und verliert sich im Nichts. Einem Höhenbergsteiger ähnlich steige ich langsamen Schrittes nach oben. Die Erinnerung an die Krankheit bleibt mein stummer Begleiter, doch die Schönheit der Wildnis gibt mir Kraft und Stärke. Meine superleichten Wanderstöcke aus Carbon unterstützen mich, so kann ich Steilstufen leichter überwinden, wenn ich Kniehoch nach oben steige muss.

Die Muskelschwäche wird mir dabei oft bewusst gemacht, trotzdem ich die Alpen hinter mir habe. Das bisherige Gehen und Steigen war gutes Training und ich fühlen mich stärker als nie zuvor. Trotzdem ist steiles Gelände noch immer eine Herausforderung und bringt mich schnell an die Belastungsgrenze. Gerade rechts, wo ich die Lähmung hatte, verweigert ein zu starkes Abwinkeln des Beines, dass ich mich aufrichten kann. Aus der Hocke aufstehen, gar mit Rucksack, ohne mich wo anzuhalten, kann ich noch heute nicht.

Plötzlich türmt sich eine Felswand unüberwindbar vor mir auf. Ich pendle darunter nach rechts und links und wieder zurück, um einen Ausweg zu finden. Zum ersten Mal fühle ich mich erschöpft. Anfangs noch euphorisch, wandeln sich meine Gefühle in "...ich möchte nur mehr nach oben kommen!". In dieser steilen Wand suche ich lange nach dem Ausstieg auf die Straße. Nach einer gefühlten Ewigkeit bin ich endlich oben.

Der Schweiß rinnt in Strömen, im wahrsten Sinn des Wortes. T-Shirt und kurze Hose sind klatschnass. Oben angelangt werfe ich mich und den Rucksack müde in den Staub. Nach einer kurzen Pause steht mir ein langer Fußmarsch auf der Straße bevor, was aber immer noch besser ist, als über die ausgesetzten Stellen am Fluss zu klettern. Atemberaubende Tiefblicke in die Schlucht lenken vom eintönigen Gehen auf der Straße ab.

Kurz vor La Combe, wo das Ende der Schlucht ist, nimmt mich eine Familie mit dem Auto mit, da es hier durch mehrere Tunnel geht. Am Fußweg außen herum, käme ich heute nicht mehr zum Campingplatz, abgesehen vom schon dringend benötigten Wasser. Vom Auto aus sehe ich den Pont d'Arc ein bisschen wehmütig und vermisse es, nicht zu gehen. Andererseits hätte ich ihn nur gesehen, wenn ich mit dem Kajak gefahren wäre.

In Le Comb springe ich aus dem Auto, bedanke mich und gehe zum Campingplatz. Ein riesiger Stellplatz erwartet mich dort, sogar mit Stromanschluss, trotzdem bezahle ich nur als Wanderer. Es ist bereits das Ende der Ferien und viel Platz. Da merke ich wieder, dass ich bereits den ganzen Sommer unterwegs bin und der Herbst vor der Tür steht. Die Annehmlichkeiten des Platzes nutze ich, besonders eine heiße Dusche bringt Erholung.

Georges de Tarn

Es scheint, dass die Gegend zum Meer hin, von Nord nach Süd, mit zahlreichen Flüssen gespickt ist, die tiefe Furchen gezogen haben. Da ich von Ost nach West quere, ist ein Auf und Ab vorprogrammiert. Drei bis fünfhundert Meter, meist steil, im Auf und Abstieg, sind es jedes Mal.

Die traumhafte Gegend wechselt von Hochebenen auf Wege entlang des Flusses tief unten, unterbrochen von kleinen Ortschaften, die oft verlassen wirken. Der steile Trail fordert mich körperlich heraus, aber die Belohnung ist der atemberaubende Ausblick, der sich mir jedes Mal eröffnet, wenn ich oben ankomme. Nie hätte ich gedacht, dass mich die Gorges de Tarn so fordern würden.

Die eigentümlichen Knieschmerzen trüben meine Freude ein wenig. Nach den Alpen, wo ich mich so fit gefühlt habe, ist das eine echte Überraschung. Ich frage mich, ob es an der unterschiedlichen Beschaffenheit des Untergrunds liegt oder ob ich vielleicht eine Überlastung habe.

Eine muskuläre Dysbalance kann von den Schuhen kommen, da ich aufgrund meiner gestörten Propriozeption und Muskelschwäche eine lange Eingewöhnungszeit auf neue Modelle habe. Ein Wechsel kann dazu führen, dass meine Knie einer anderen Stoßbelastung ausgesetzt sind, was zu Schmerzen führen kann. Deshalb verwende ich seit Jahren nur zwei Modelle, an die sich die Füße gewöhnt haben. Hier war ich aber gezwungen auf ein anderes Modell umzusteigen.

Die Gorges du Tarn, eine spektakuläre Naturlandschaft am Hexatrek

Diese Region ist Heimat einer Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten, darunter seltene Vögel, Schmetterlinge und Blumen. Vor einigen Jahrzehnten waren Geier in dieser Region ausgestorben. Dank einem erfolgreichen Wiederansiedlungsprojekt sind sie wieder heimisch, besonders der Gänsegeier. Von Ihnen geht eine Faszination aus und es ist ein Erlebnis, sie in ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten.

Cevennen

Mich selbst zu erfahren, bekommt in diesen Tagen eine neue Bedeutung. In den letzten Wochen war mein Gehen so sehr von Konzentration bestimmt, dass kein Raum für Gedanken blieb. Schritt um Schritt, stets auf den Weg fixiert – und doch fehlte mir etwas. Es wurde zu einseitig, die inneren, psychischen Erfahrungen blieben auf der Strecke. Ich spüre, dass die größten Erkenntnisse dann entstehen, wenn sich das Geistige und das Körperliche berühren: wenn ich geistige Erfahrungen in Bewegung umsetze und körperliche Erfahrungen zu Gedanken reifen lasse.

Bewege ich mich zu einseitig im Physischen, besteht die Gefahr, dass ich mich selbst zerstöre. Bewege ich mich im Gegensatz dazu zulange im Psychischen Grenzbereich, ist ebenfalls Selbstzerstörung die Folge. Die Balance zwischen beiden ist das Beste.

Aufgrund der Wege in den Alpen war es mir aber nicht möglich, öfter auch das Psychische einzubeziehen. Zu sehr musste ich aufpassen, wohin ich trete. Eigentlich bin ich dauernd damit beschäftigt. Das Physische hat überhand genommen.

Seit dem Hirnabszess mache ich täglich neue Erfahrungen. Mache ich keine, stagniere ich. Was mir am Hexatrek gut gelingt ist, die Bereitschaft und Fähigkeit zu haben, möglichst viel bewusst zu erleben. Ich, als Mensch, kann mich verwirklichen. Dieses Gefühl ist Gold wert. Auch unter Belastung, ruhe ich in mir. Vermeidung von Stress ist nicht nur hier, sondern seit Jahren, mein oberstes Prinzip. Außerdem sauge ich die Natur in mir auf.

Wenn der Trail es zulässt, versuche ich die Erfahrungen der letzen Wochen zu vergeistigen. Das gelingt nur selten, denn der Weg lässt es kaum zu. Dieses einseitige, in diesem Fall physisch, artet in Stress aus und ist in Folge schädlich. Immer öfter denke ich an einen ruhigen Camino in Spanien und das so etwas jetzt ideal wäre. Am Camino lernte ich gehen und denken, auf ruhige Art. Daher schwanke ich zwischen aufhören und heimfahren oder doch weitergehen und den Hexatrek beenden.

Die Erfahrungen in den Alpen waren so intensiv, dass ich eigentlich heimfahren kann und auf diesen in der Tanz-Therapie aufbauen kann. Auf der anderen Seite fühle ich mich so wohl hier, dass ich den Hexatrek nicht beenden möchte. Es stehen ja nur mehr die beiden Stage 5 und 6 durch die Pyrenäen aus. Wie ich weiter mache, werde ich in den nächsten Tagen entscheiden.

Die Schuhe zwingen mich zum Nachdenken

Es passt eigentlich alles – bis auf die Schuhe. Da ist der Wurm drin. Statt eines leichten Laufschuhs trage ich diesmal einen etwas schwereren Wanderschuh. Eine kleine Veränderung, so dachte ich, doch sie beschert mir Knieschmerzen, wie ich sie bisher nicht kannte. Der Schuh ist zwar von meiner Lieblingsmarke Hoka und fühlt sich auf den ersten Blick auch gut an, doch er verändert meinen Schritt mehr, als mir lieb ist. Ich hätte wohl doch den Laufschuh nehmen sollen. Damals schien es keine große Entscheidung zu sein – heute weiß ich es besser.

Der Weg führt mich vorbei an stillen Zeugen vergangener Zeiten – einer alten Templerburg, die sich wie ein Wächter über das Tal erhebt, und einem Felsbogen, der den Himmel einrahmt. Die Landschaft ist von einer Schönheit, die mich innehalten lässt. Ich spüre Dankbarkeit, hier gehen zu dürfen, Schritt für Schritt durch dieses Bilderbuch aus Stein und Geschichte.

Sturm, Regen und Nässe am Hexatrek

Schon am Morgen, als ich losgehe, meldet die Wetter-App für den Nachmittag heftige Gewitter. In einem kleinen Städtchen gehen ich einkaufen und setze mich in ein Cafe. Bis zum nächsten Campingplatz sind es nur noch 10 Kilometer und daher lasse ich mir Zeit. Der Pfade windet sich rauf und runter. Dann, etwa zwei Kilometer vor einem Dorf, beginnt es zu regnen. Aber was für ein Regen. Er prasselte wie tausend kleine Nadeln auf mich herab und wird immer stärker.

Innerhalb Minuten stürzt ein Sturzbach auf mich herab, wo auch der Poncho nicht mehr hilft. Ein Unterstand ist weit und breit nicht zu sehen. Das Wasser kommt mir Knöcheltief auf der Straße wie ein Fluss entgegen. Das Handy gibt seinen Geist auf und reagiert nicht mehr, so feucht und nass ist es. Der Campingplatz ist nirgends angeschrieben und somit weiß ich nicht wohin.

Unter einem dürren Baum suche ich verzweifelt nach Schutz. Der Wind peitscht den Regen gegen mich und ich fröstle am ganzen Körper. Endlich entdecke ich einen Hauseingang, der mir einen kleinen Unterschlupf bietet. Nach vielen Versuchen bekomme ich das Handy trocken und starte es.

Meine Feinmotorik versagt in den vom Wasser aufgeweichten Fingern. Ungeschickt tippe ich auf die Hexatrek-App, sehe kurz, wohin ich muss – da schaltet sich das Display schon wieder ab. Als der Regen für einen Moment nachlässt, mache ich mich sofort auf den Weg. Zwei weitere Kilometer, dann erreiche ich den Campingplatz. Die Luft ist inzwischen schneidend kalt, ein bitterer Kontrast zur Hitze des Tages.

Meine Hände gehorchen mir nicht mehr. Da der Regen erneut einsetzt, hat es keinen Sinn, das Zelt sofort aufzubauen. Stattdessen dusche ich kurz und setze mich unter ein Vordach. Alles, was ich bei mir trage, lege und hänge ich rings um mich aus, in der Hoffnung, es wenigstens halbwegs zu trocknen.

In einer kurzen Regenpause wage ich den Versuch, das Zelt aufzustellen. Doch der Himmel ist schneller: Noch bevor ich das Überzelt überwerfen kann, ergießen sich Sturzbäche ins Innere. Zum zweiten Mal auf diesem Weg erwischt mich ein Unwetter mit voller Wucht – und bringt mich an mein Limit.

Nass und durchgebeutelt gehe ich weiter. Innerhalb weniger Tage hat der Herbst Einzug gehalten. Da ich mich für die Pyrenäen nicht ausgerüstet fühle, werde ich von Carcassonne heimfahren.

Mein Telefon spinnt und funktioniert wegen der Feuchtigkeit kaum noch. Dazu werden die Berghütten in den Pyrenäen ab 15.Septmber größtenteils geschlossen, was die Folge hat, mehr zu tragen. Mein Entschluss steht damit fest, aufzuhören. Wegen dem Telefon habe ich auch kaum Bilder vom Schluss, was mir sehr leid tut.

Fazit des Hexatrak

Mein Fazit fällt durchwegs positiv aus. Nie hätte ich gedacht soweit zu kommen. In den Alpen hat ein neuer Zeitabschnitt begonnen, auf dem ich aufbauen kann. Mein Ziel, für das ich acht Jahre gearbeitet habe, konnte ich verwirklichen.

Mit dem Erreichen dieses Ziel ist es aber nicht vorbei. Die Behinderung und die Handicaps bleiben. Dranbleiben wird auch weiterhin mein Motto bleiben. Mich mehr in der Natur aufzuhalten und weniger in der Stadt, kann ich akzeptieren. Die Hochsensibilität bleibt und lässt sich kaum verbessern.

Die gewonnenen Erfahrungen werde ich in den nächsten Wochen und Monaten in mein Leben integrieren lernen und weiterhin an mir arbeiten. Da habe ich genug zu tun. An erster Stelle steht, ein neues Ziel zu finden. Besonders wichtig ist es, die richtige Formulierung zu finden.

"Alles, was ich verarbeiten kann, schafft mir ein Fundament"

Die Pyrenäen mit Stage 5 und 6, über 900 km des Hexatrek, nehme ich mir für nächstes Jahr vor. In Hendaye ins Meer zu springen, ist nach wie vor mein Ziel!


Ich bin Jörg, wohne in der Nähe von Graz und blogge hier über meinen Weg zurück ins Leben, das ein Hirnabszess 2016 völlig auf den Kopf gestellt hat.
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