Mein Zustand, inkl. dem Gesund werden, kann noch immer nicht als "normal" bezeichnet werden. Nach drei Jahren würde man meinen, dass endlich ein normales Leben nach dem Hirnabszess möglich ist.
Aber was ist wirklich möglich? Kann ich schon normal Leben?
Ich bin natürlich versucht, mich mit meinem früheren ICH zu vergleichen. Nur war früher eben so viel mehr möglich, dass ich jetzt an einer solchen Messlatte zerbrechen würde.
Zu akzeptieren, dass vieles nicht (mehr) möglich ist, war am Anfang das Schwierigste. Mittlerweile akzeptiere ich, dass es derzeit so ist. Nicht akzeptieren kann ich, dass es so bleiben soll.
Aber was ist noch möglich? Diese Frage ist mein Antrieb seit langem.
In meinem ersten Leben war ich viel. Der Leistungssport war in erster Linie der Versuch, mich besser kennen zulernen. Dieses Leben an der Grenze brachte mich in vielem weiter.
Gleich wie ich mich geistig weiterentwickelte, entwickelte ich mich auch körperlich weiter. Wahrnehmung, Kraft, Übersicht, Reaktion und noch vieles mehr, wurde im Sport immer besser ausgebildet. Besonders die Reaktion war auf einem hohen Niveau.
Umstände, die mir später im Beruf des Videojournalisten sehr geholfen haben. Eine bessere Schulung als im Sport konnte ich mir dafür nicht vorstellen.
Ich lernte über den Sport Leistung zu bringen. Wichtig war mir aber immer die entsprechende Ethik in allem was ich tat. Das ist mir auch jetzt noch ein hoher Wert.
Begonnen habe ich mit dem Radrennsport auf der Straße. Es wurde mir bald klar, nicht der Sieg war mir allein wichtig. Durch Niederlagen konnte ich mehr über mich lernen. Dieses Lernen stand bald im Vordergrund.
Besonders am Anfang wollte ich einfach nur dranbleiben. Nicht abreißen lassen, auch wenn es schwer wurde. Es war die Zeit des Dopings, aber darüber machte ich mir keine Gedanken. Mein Ziel war in erster Linie die Selbsterfahrung und nicht der Sieg. Was hätte es mir gebracht, wenn ich diese Erfahrungen mit unerlaubten Mitteln errungen hätte?
Dieses damals gelernte "dranbleiben", hilft mir jetzt enorm in meiner Rehabilitation nach dem Hirnabszess. So wie ich als Radrennfahrer täglich trainierte, so absolviere ich jetzt mein tägliches Training zur Rehabilitation.
Wenn es mir einmal nicht so gut geht, dann hilft mir der Gedanke des dran bleibens. Denn würde ich mich hängenlassen, dann bräuchte ich wieder dreimal so lange, wieder dort zu sein, wo ich schon war.
Dieses "dranbleiben" ist seit drei Jahren mein ständiger Begleiter. Mir wurde trotz verminderten Denkens bald klar, dass es einer entsprechenden Einstellung bedarf, um wieder Gehen zu lernen und ins Leben zurück zu kommen.
Es sind die kleinen Dinge des Lebens, die mich oft am meisten fordern. Dinge, die ich zuvor als selbstverständlich sah. Wenn ich etwas noch nicht kann, dann bleibe ich dran, es wieder zu können. Ich bin nicht wirklich ungeduldig, aber gesunde Ungeduld treibt mich an, es wieder zu können. Ich muss nur aufpassen, mein ehemaliges Können nicht als Maßstab zu nehmen.
Es heißt in jedem Bezug nach dem Hirnabszess "dranbleiben".
An erster Stelle steht bei mir das Gehen. Ich kann mich wieder fortbewegen. Allerdings mit Einschränkungen, denn zum richtigen Gehen fehlt noch der Automatismus. Ich muss zuviel denken, damit ich gehen kann. Das kostet Energie, die mir am Ende des Tages fehlt.
Es war mir schon immer klar, aber erst jetzt kann ich es bewerten, wie viel Kraft das Denken kostet. Automatisch Gehen und Bewegen zu lernen, ist mein dringlichstes Anliegen. Dadurch wäre viel Energie einzusparen, welche ich für das Denken sonst brauchen würde.
Das was ich bisher erreicht habe, ist mehr als man erwarten durfte. Es ist für Außenstehende leichter erkennbar, als für mich. Denn ich bewege mich, trotz der Fortschritte, noch immer am Limit. Und Limit bleibt Limit, auch wenn sich einiges verbessert hat.
Mein Leben besteht seit drei Jahren aus Therapie. Aus gezielter Therapie und dem Alltag als Therapie. Jede Bewegung im Alltag habe ich bisher als Therapie gesehen. Egal ob aus dem Bett steigen, waschen, die Stufen hinunter oder hinauf steigen und anderes mehr.
Alles was zusätzlich neben dem normalen Alltag kommt, nehme ich als Belastung wahr. Ich kann es nicht einfach zusätzlich erledigen. Anderes ist mir damit nicht mehr möglich zu tun. Ich sage dazu immer, "Der Tag ist länger, als meine Energie reicht!" oder "Es bleibt noch viel Tag über, wenn meine Energie verbraucht ist".
Es ist nicht leicht, aber ich soll wieder lernen zu Leben. Es hat sich in mir eingebrannt, dass alles Therapie ist. Ab sofort soll es Zeiten für Therapie und Zeiten für das Leben geben. Das wird am Anfang nicht einfach sein, aber wie schon alles andere auch, Step by Step.
Im Park von Judendorf hat die Gemeinde einen neuen Geschicklichkeitsparcour gebaut. Wenn es passt, übe ich dort gerne. Die Balance wiederfinden, dass ist mein Ziel. Nicht nur im Körper, sondern auch im Leben.
Ich stehe auf der Stufe eines Kindes und lerne langsam dazu. Möchte ich zu viel, stoppt mich Schwindel und Unsicherheit.
Wie lange braucht ein Kind bis zum Gehen? Wann hat es seine Balance ausgebildet und kann herumspringen?
Ich bin im Verhältnis erst drei Jahre alt. Das darf ich nie vergessen, wenn ich wieder einmal ungeduldig bin und mehr möchte, als ich drauf habe.
Ich bewerte mich gerne mit dem Himmel und Hölle Spiel. Immer wenn ich es wo sehe, erinnert es mich daran. Der Schritt auf die Vier steht bevor, aber es ist noch nicht soweit. Die Drei hält mich fest gefangen.
Ich startete im Rollstuhl und habe jetzt im Schnitt eine Zahl pro Jahr erklommen. Bis ich bei Zehn ankomme, habe ich also noch sieben Jahre Zeit. Ich fühle mich wie in einer Zeitmaschine, allerdings einer zur Verlangsamung.
Es sind so viele Dinge, an die ich mich erst wieder gewöhnen muss. Zug fahren zum Beispiel. Wobei das Fahren das geringste Problem ist. Besonders Bahnhöfe und Bahnsteige sind noch immer eine Herausforderung.
Ich kann Entfernungen noch immer schwer abschätzen und die Stufen bei Auf- oder Abgängen stellen eine Herausforderung dar. Auch nach drei Jahren habe ich das nicht im Griff. Der Organismus ist gefordert, mit überhöhtem Puls und Tunnelblick, besonders wenn mehr Menschen unterwegs sind.
Da es sich bei mir um großteils unsichtbare Handicaps handelt, tue ich mich schwer im Umgang mit anderen Menschen, besonders in der Mitteilung. Ich brauche alle Energie für die Bewegung und Wahrnehmung.
Mein Bestreben ist es, alles dafür zu geben, wieder einigermaßen Leben zu können. Ich investiere viel Zeit dafür, was ich gerne mache. Denn nur so habe ich die Chance, wieder ein normales Leben zu führen.
Meine Beschwerden sind ähnlich der Multiplen Sklerose (MS). Nur glaube ich daran, dass es in eine andere Richtung geht und besser wird. Trainiere ich allerdings einen Tag nicht, stagniert es. Trainiere ich eine Woche nicht, sind es zwei Wochen harter Arbeit, um wieder dorthin zu gelangen, wo ich vorher war.
Es ist ein täglicher Kampf auf Messers Schneide. Training und Erholung gehören richtig getimt.
"Ganz gleich wie beschwerlich das Gestern war, stets kannst du im HEUTE von NEUEM beginnen."
Ich bin in den letzten Jahren mehrmals hingefallen, aber es kommt darauf an, dass man wieder aufsteht und weitermacht!
Es liegen jetzt drei Jahre der Rehabilitation und Therapie hinter mir. Davon verbrachte ich fünf Monate im Krankenhaus und weitere vier Monate auf stationärer Rehabilitation.
Dazu kamen unzählige Stunden im Fitnessstudio oder trainieren in Eigenregie.
Mein Leben besteht seit damals aus Therapie. Es war mir unmöglich, an etwas anderes zu denken. Nicht weil ich nicht wollte, sondern weil ich nicht konnte. Seit dem Jakobsweg war es mir klar, dass es so nicht weiter gehen darf. Allerdings wollte mein Gehirn noch nicht mittun.
Wenn ich zurückdenke, ist es mir klar. Mein Hirn hat mich in Schutz genommen, damals und jetzt auch noch. Es gibt mir so die Möglichkeit, mich voll und ganz aufs Gesundwerden fokussiert zu bleiben.
Man würde sonst an zu viele Sachen denken, was den Heilungsprozess verzögert.
Mein Ziel ist es, meine Feinmotorik zu verbessern und wieder mehr Automatisation zu bekommen. Besonders die Sprunggelenke sind mir ein Anliegen, um wieder mehr Beweglichkeit zu bekommen.
Ein vermehrtes automatisches Gehen soll die Folge davon sein. Genauso geht es in der Ergotherapie zu. Die Feinmotorik in den Händen und Fingern soll mir ermöglichen, wieder mehr greifen zu können.
Für die nächsten zwei Monate habe ich alles andere zurückgestellt und konzentriere mich voll auf die Therapien. Gleichzeitig habe ich zu Lernen, manchmal nicht an Therapie zu denken und einfach nur zu Leben.
In der Ergotherapie bekam ich den Anreiz, eine strikte Trennung von Therapie und privatem Leben zu finden.
Bisher war es ja so, dass Aufstehen vom Bett, der Gang in die Küche, Zähne putzen und der Versuch Kaffee zu kochen, so viel Aufwand bedarf, dass es für mich Therapie ist. Jede kleinste Tätigkeit ist Therapie.
Ich soll aber lernen, auch wenn es nicht einfach ist, ein normales Leben zu führen. Das muss ich auch, denn drei Jahre sind genug. Therapie ist Therapie und der Rest soll mein Leben werden.
Das geht natürlich nicht von heute auf morgen, aber sollte doch immer wieder möglich sein. Bisher tat ich ja alles unter dem Gesichtspunkt, besser zu werden. Wenn du nichts richtig greifen kannst, kein Wunder. Muss ich was hantieren, tue ich es immer unter dem Gesichtspunkt, es wieder zu erlernen.
Das hat zwar noch immer Sinn, aber es darf auch Zeiten geben, wo ich nichts erreichen möchte.
Da muss ich besonders beim Spazieren gehen achtsam damit umgehen. Ich habe zum Lernen, dass es Zeiten gibt, in denen ich nur für mich spazieren gehe. Andererseits gibt es Zeiten für Spaziergänge, in denen die Therapie, also das Gehen lernen und Übungen am Programm stehen.
Das werde ich versuchen, umzusetzen. Ein wichtiger Schritt zurück ins Leben.
Das wird noch länger dauern, ist aber wichtig. Gerade im öffentlichen Raum mich bewegen zu können, ist noch ein Handicap.
Mein Muskelkorsett ist noch immer zu schwach, um im Bus oder der Straßenbahn sicher stehen zu können. Ich bin auf einen Sitzplatz angewiesen, um nicht umzufallen. Daher fahre ich nur zu den Zeiten, wo kaum Schüler unterwegs sind.
Da ich noch so darauf schauen muss, ist es Therapie für mich. Es wird noch eine Zeit lang dauern, bis ich entspannt mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann.
Für wichtige Termine lasse ich mich nach wie vor fahren. Da komme ich noch nicht drumherum. Ich bin halt noch immer nicht so weit, wieder ein normales Leben zu führen.
....mein Leitmotto! Egal was, es geht nur Schritt für Schritt. Mein Gehirn lässt es nicht zu, einen Schritt zu überspringen.
Noch muss ich genau überlegen, was ich meinem Körper zumuten kann und was nicht. Denn noch immer hat der Tag mehr Stunden, als meine Energie reicht. Darum muss ich mir genau überlegen, wo ich meine tägliche Energie einsetze.
Mein nicht funktionierendes Kurzzeitgedächtnis wurden mir beim Einkaufen sehr eindrücklich bewusst gemacht. Es ist nach wie vor noch sehr schlecht.
Ich sollte ein paar Sachen vom Supermarkt mitbringen und dachte, ich kann es mir ohne Aufschreiben merken. Drei, vier Produkte sind an für sich ja leicht zu merken und kam mir auch nicht schwer vor. Aber es ist doch anders gekommen.
Auf dem Weg zum Kaufhaus sagte ich mir die Sachen innerlich leise vor, doch schon beim Eingang wurde ich mir unsicher. Ich dachte mir nur, "Das gibt`s ja nicht, dass ich mir das nicht merken kann."
20 dag Krakauer, mehlige Bio-Kartoffel, Eier und eventuell einen Salat. Es war mir nicht möglich, mir das für einige Minuten zu merken. Es ist eine Katastrophe. Das hätte ich nicht gedacht.
Im Training mit dem Fresh Minder habe ich gewissen Erfolg, aber die Realität schaut anders aus. Ich merke mir die einfachsten Dinge nicht. Oft habe ich keinen Kugelschreiber zur Hand, gehe ins nächste Zimmer und weiß nicht mehr, was ich überhaupt wollte.
Es scheint, das es mir erhalten bleibt, alles mit Post-its vollzukleben, um mich zu erinnern. Mein Kurzzeitgedächtnis will es noch nicht anders.
Wie meinen Körper, muss ich auch meinen Gehirn-Muskel trainieren. Das es langsam geht, bin ich schon gewohnt. Wichtig ist nur, dran zu bleiben!
Die Zahnsanierung ist gut getimt. Es ist zwar oft im Verhältnis nicht viel was gemacht wird, aber für mich einmal mehr, einmal weniger belastend. Mit der Hin- und Rückfahrt ist es Energie mäßig mein Tagesprogramm.
Allein den Mund längere Zeit offen zu halten, ist anstrengend. Ein Implantat und ein Stiftzahn erfordert meinem Körper einiges ab. Zweieinhalb Jahre nach dem Hirnabszess spüre ich noch jede außergewöhnliche Belastung. Dann heißt es mit dem anderen Training zurück schalten.
Vom Mund aufhalten bekomme ich Muskelkater. Jeder kleinste Muskel im ganzen Körper gehört aufgebaut und trainiert. Den Kiefer brauche ich nicht oft, so bekomme ich das zu spüren.
Eine Behandlung beim Zahnarzt kostet mir zwei Tage. So muss ich die Therapien genau timen, damit ich alles unter einen Hut bringe.
Es sind ganz feine Übungen, die meine Feinmotorik verbessern sollen. Ergo und Physio gehen Hand in Hand. Ich muss schauen, dass ich für jede Einheit ausgerastet bin.
Es wird spannend werden zu sehen, ob sich die Beweglichkeit und Motorik der Sprunggelenke, sowie der Hände, sich verbessern. Erwarten tue ich mir aber nichts, zumindest nicht in den nächsten Wochen. Die Neurologie hat eine andere Zeitrechnung.
Es geht weiter mit Therapien. Ich versuche alles, was mir hilft, die Kontrolle über mich wiederzu erlangen. Dazu gehören verschiedene Möglichkeiten, zurück ins Leben zu kommen. Einige möchte ich dazu vorstellen.
Die Temperaturen waren die letzten Tage sehr freundlich und motivierten mich, auch im Freien einiges zu versuchen.
Als Auswirkung hatte ich eine Rechtsseitenlähmung, Bewegungs- und Sprachstörungen. Da der Abszess am Thalamus saß, war damit die Steuerzentrale des Körpers betroffen. Diverse Fähigkeiten kann ich, vielleicht auch nur teilweise, wiedererlangen. Sicher ist das aber nicht.
Nach mittlerweile drei Jahren ist mir klar, dass es sich nicht um eine schnelle Wiederherstellung handelt. Ich muss mich in Geduld üben und weiter "Step by Step" vorgehen. Mein Leben wird nach wie vor von Training und Rehabilitation bestimmt.
Durch intensives Training können andere Bereiche im Gehirn die Funktionen der geschädigten Areale übernehmen, müssen aber nicht. Ich werde auch weiterhin alles tun, was mir möglich ist, um Verbesserungen zu erzielen.
Professionelle Hilfe erhalte ich in einem interdisziplinären Institut. So kann der Fortschritt überprüft und angepasst werden. Ich bekomme zielgerichtete Übungen, die meine Stabilität und damit die Bewegung verbessern sollen.
Das geschulte Auge der Physiotherapeutin erkennt, wo muskuläre Defizite vorhanden sind. Man kann es mit einem Skispringer vergleichen, der an einzelnen Bereichen trainieren muss und viele einzelne Bereiche ein Ganzes ergeben.
Die ambulante Reha bzw. Physiotherapie hat Vorteile gegenüber einer stationären. Das Zentralnervensystem reagiert langsam und ich muss längere Zeit eine Übung trainieren, bis Ergebnisse sichtbar werden. Die Reizweiterleitung ist stark vermindert. Krafttraining dauert zum Beispiel um ein vielfaches mehr. Noch fehlt viel bis zu einem selbstbestimmten Leben.
Therapie braucht ein Gegengewicht. Für mich sind das Ruhe und Erholung. Die Stadt stresst mein Körpersystem und die Natur ist ein guter Gegensatz. Die Ruhe dazu finde ich am Schlossberg, im Stadtpark oder an der Mur. Und dort habe ich es gefunden.
Eigentlich kannte ich es schon von früher, aber ich erinnerte mich nicht mehr daran. An einer Steinmauer befinden sich Griffe zum Bouldern. Der Tag war warm und ich konnte mich nicht zurückhalten, es zu versuchen.
Es blieb beim Versuch, denn es kostet mir noch enorm viel Kraft, auf den kleinen Tritten zu stehen. Aber es ist eine tolle Möglichkeit meine Koordination und das Gleichgewicht zu schulen und vom Stress der Stadt Erholung zu finden.
Es ist noch ein einfaches Steigen von Tritt zu Tritt, macht aber Spaß. Für richtiges Klettern fehlt noch die Kraft, aber ich werde es im Auge behalten.
Der Vollmond motivierte mich ihn anschauen zu gehen. Das war verbunden mit einem Gang in die nähere Umgebung. Das letzte Mal war ich am Jakobsweg im Finsteren unterwegs. Seither vermied ich es, im Dunkeln zu gehen.
Mein gesamtes Kontrollsystem ist gestört und im Dunkeln tue ich mich schwer. Ich habe keinen Anhalt dafür, wo oben oder unter ist. Beim Gehen muss ich den Boden sehen, was im Finstern nicht geht. Eine Stirnlampe hilft mir und es geht phasenweise besser. Aber es ist ähnlich dem Tunnelblick, der in extremen und stressigen Verhältnissen noch immer besteht.
Es war alles sehr lehrreich für mich und zeigte mir, dass ich noch viel Übung benötige.
Zwei Bücher haben mir geholfen, den Weg zurück ins Leben zu verstehen. Das erste ist das Buch von Monica Lierhaus, deren Satz, "Die Länge des Weges nicht thematisieren!", mir sehr geholfen hat.
Das andere ist von Gela Allmann, das mir, in der ersten Zeit nach dem Krankenhaus, das Erlebte besser verstehen ließ. Durch das Buch wurden viele Erlebnisse hervorgeholt und ich konnte viele Dinge besser verarbeiten.
Viele Einzelheiten und Erlebnisse aus dem Krankenhaus wurden für mich wieder greifbar. Es war emotional sehr aufwühlend, aber tat mir gut, weil es mir Verständnis für meine Lage gab.
Der Spruch aus Ihrem Buch, "Die Länge des Weges nicht thematisieren", wurde für mich prägend.
Es war mir in der ersten Zeit nicht möglich, das Geschehen zu erfassen. Denken und Körper waren wie getrennt. Ich konnte nur auf das unmittelbare auf mich eintreffende reagieren. Ich verfing mich immer wieder in einer Denkschleife, aus der es mir nicht gelang rauszukommen.
Es war unmöglich das Geschehene zu verstehen oder zu realisieren, wie lange es noch dauern würde. Als ich zum Ersten mal den Satz las, ließ er mich nicht mehr los. Ich habe ihn in mein Notizbuch auf die erste Seite geschrieben. Dadurch werde ich immer daran erinnert, wenn der Fortschritten .
Jetzt, nach drei Jahren, ist alles klarer geworden. Hätte ich die Dauer damals als Thema für mich wichtig gemacht, ich wäre daran zerbrochen.
Mittlerweile weiß ich, es wird nie mehr so sein wie es war. Die Schwierigkeit ist für mich, dass in seiner Gesamtheit zu verstehen. Mein Gehirn macht einfach nicht mit. Ich befinde mich wie in einer Warteschleife. Ich kann gewisse Dinge nicht weiter oder zu Ende denken.
Das zu akzeptieren ist nicht leicht. Oft möchte ich es verstehen, aber ich kann es nur Sein lassen. Ich darf mich nicht in Gedanken verstricken, aus denen ich sowieso nicht raus finde.
Der Hirnabszess bedeutete für mich einen Neuanfang. Ich musste alles umkrempeln, was mir bisher etwas bedeutete. Ich musste mein Leben ändern und es sollte sich ändern.
Diese Chance auf einen Neuanfang war nicht nur eine Chance. Wollte ich über- und weiterleben, durfte ich nicht in alten Strukturen bleiben.
Trotz Hirnschädigungen, die mich unter anderem nur im Hier und Jetzt halten, wurde es ein Neuanfang. Ich kann noch immer nichts planen, nur reagieren und im jetzt leben. Was an und für sich ja nicht schlecht ist, aber die einfachsten Pläne sind mir kaum möglich.
Das ist oft frustrierend und lässt mich in einer Denkschleife zurück. Da raus zu kommen ist oft nicht leicht.
Mit dem Schreiben versuche ich zu verstehen. Wie alles andere auch, ist das nur langsam möglich. Es ermöglicht mir, vieles besser zu verstehen. Es dauert oft Wochen, bis mir ein Thema klarer wird.
Wenn ich so vage darüber schreibe, dann nur deswegen, weil mir vieles noch unklar ist. Ich möchte versuchen, es zu verstehen. Erst dann kann ich darüber schreiben.
Das ist die andere Seite meines Weges zurück ins Leben, die Gedankliche. Ich erzähle darüber selten, weil es zuviel nachdenken erfordert, was mir nicht immer gelingt. Oft füge ich ein Bruchstückchen ans andere. Das Schreiben hilft mir dabei.
Es ist ein langer Weg, den ich zu gehen habe. Wie lange er noch dauert? Ich weiß es nicht. Zu fragen hätte keinen Sinn, es kann mir sowieso niemand beantworten.
Jeden Tag mein Bestes geben und darauf vertrauen, dass es mich weiter bringt. So schaut es aus.
Mein Weg besteht noch aus Rehabilitation. Die Behinderungen sind Allgegenwärtig. Ich kann keinen Schritt machen, ohne das ich daran erinnert werde.
Ich versuche mich weiterzubilden, wie mein Nervensystem funktioniert. Das gehört auch zu meiner Rehabilitation. Wobei, noch wichtiger ist der Energiefluss, denn bringe ich die Energie wieder zum Fließen, dann habe ich viel gewonnen.
Ich muss mich immer nach meinem Befinden am Tag richten. Erst danach entscheide ich, was ich tun kann.
Lieber sage ich Training zu meiner Rehabilitation. Es hat mehr mit dem Leben zu tun, als das Wort Rehabilitation, das mehr mit Krankheit zu tun hat.
Eines ist mir wichtig geworden. Ich darf niemals
"...die Länge des Weges thematisieren!"
"Gott schuf die Zeit, von Eile hat er nichts gesagt!"
Wie am Jakobsweg, stoße ich auch Zuhause auf viele Sprüche am Weg. Gerade die Zeit hat für mich eine neue Bedeutung bekommen.
Viele Sprüche sind Weisheiten seit vielen Generationen. Oft jahrhundertealt werden sie noch lange Zeit ihre Gültigkeit behalten.
Am Jakobsweg erinnern viele Sprüche daran, was wirklich wichtig ist im Leben.
Seit dem Hirnabszess nehme ich die Zeit anders wahr und sie hat für mich eine neue Bedeutung bekommen. Der Tag wurde länger, weil ich ohne Achtsamkeit nicht mehr Leben kann.
Jede Tätigkeit mit Achtsamkeit angehen. Bei mir sind es so einfache Sachen wie Essen, Zähne putzen oder Gehen. Ein wichtiger Punkt für mich ist, nur eine Tätigkeit machen.
Im Gehirn wurden Bereiche geschädigt, die Multitasking unmöglich machen. Gewisse Defizite brachten mir sogar Lebensqualität. Es ist nicht notwendig mehrere Dinge gleichzeitig zu machen.
Diesen Spruch kennt wohl jeder. Nun, ich kann gar nicht anders. Mein Körper und Geist ist auf Langsamkeit eingestellt worden. Mittlerweile habe ich akzeptiert, dass ich nichts schnell machen kann.
Das kann besonders an der Kassa im Supermarkt eine Prüfung sein. Ich kann die Sachen nicht so schnell wegräumen, wie die Kassierin alles vorbeizieht und gleichzeitig soll man schon bezahlen.
Auch beim Arzt sind lange Wartezeiten kein Problem. Ich habe Zeit, im Gegensatz zu früher. Und trotzdem erledige ich alles, Step by Step. Und was nicht geht, verschiebe ich auf den nächsten Tag.
Da ich alles neu lernen muss, ist Geduld und Zeit haben keine schlechte Grundvoraussetzung. Viele Dinge erfordern Geduld. Am meisten Geduld muss ich für das Laufen aufbringen.
Ich habe damit begonnen, etwa einmal pro Woche immer wieder ein paar Schritte zu Laufen. Es ist aber wie Gehen lernen. Auch dafür brauchte ich etwa zwei Jahre und lerne es noch heute.
Ich kann vieles noch gar nicht erfassen, weil mein Gehirn es nicht zulässt. Selbst Gedanken die normalerweise selbstverständlich sind, habe ich zumindest einmal wieder zu lernen. Es ist wirklich der gesamte Körper betroffen, darum die vielfältigen Aufgaben und die lange Zeit die es bisher brauchte.
Alles braucht seine Zeit. Mein größter Wunsch ist es, ein möglichst Beschwerdefreies Leben zu führen. Dafür ist aber noch eine Menge Arbeit zu tun.
Der Wald ist mein Gym im Freien und dient der Fitness. Er dient mir fürs Konditionstraining, für sensomotorisches Training, aber auch für die Erholung.
Ich begann vor drei Jahren bei Null. Meine Fitness war mir damals ein wichtiges Ziel. Ein Ziel, das ich auch heute noch verfolge. Die Langsamkeit der Verbesserung überrasche mich, war ich doch Sportler und ein schnelleres Tempo gewohnt.
Der Wald ist ideal fürs Training. Ich gehe zwar auch gerne ins Fitness-Studio, aber ich ziehe die Natur vor. Allerdings macht mir besonders im Winter die Kälte zu schaffen.
Schon im Herbst 2016 begann ich mit den ersten Übungen, hauptsächlich für die Beine. Wippen auf Baumstämmen, Gleichgewicht üben und vieles mehr.
Das Gehen auf weichen Untergründen ist enorm wichtig für die Sensomotorik. Der Wald bietet dafür ideale Voraussetzungen. Bergauf, bergab, Schräghänge, felsiger Boden, mit Laub bedeckter Boder - es ist für alles etwas dabei.
In der Sensomotorik habe ich meine größten Schwierigkeiten. Dieses Jahr möchte ich mit Barfuß-Schuhen beginnen. Den damit soll eine bessere Balancefähigkeit erreicht werden.
Mit dem Krafttraining habe ich im Wald erst letztes Jahr begonnen. Zu Steigen und höhere Stufen zu bewältigen, ist vorrangig. Knapp Kniehoch, ist dafür hervorragend geeignet. Es ist wie im Fitness-Studio.
Aber wie das gesamte Krafttraining allgemein, ist auch hier nur langsamer Fortschritt möglich.
Die Erholung ist die am meisten genutzte Tätigkeit. Die neuere Bezeichnung wird auch Waldbaden genannt. Ich gehe einfach gerne in den Wald, um mich von der Stadt zu erholen.
Dann setze ich mich hin und genieße es nur. Es prasseln rund 11 Millionen Sinneseindrücke pro Sekunde im Alltag auf uns ein. Unser Gehirn hat zwar einen Filter eingebaut, aber der ist bei mir durch den Hirnabszess geöffnet worden.
Dadurch bin ich in der Stadt so überfordert. Der Wald bietet die genau richtige Dosierung für das Gehirn an.
So ist der Wald und die Natur für meinen gesundheitlichen Erfolg sehr wichtig und der Unterschied Stadt-Natur ist mir noch stärker bewusst geworden.
"DO WHAT IS RIGHT.
NOT WHAT IS EASY."
In meiner täglichen Rehabilitation spielt Ruhe eine große Rolle. Meist schreibe ich darüber, was ich alles aktiv mache. Aber genauso wichtig ist die Ruhe und das Nichts-Tun.
Es gibt für mich zwei Arten davon, die Aktive und die Passive Ruhe.
Das liebste Nichts-Tun ist mir der Spaziergang im Wald. Er bekommt dann einen meditativen Charakter und ist für mich pure Erholung. Die Ruhe an nichts denken zu müssen, tut gut.
Aber auch am Jakobsweg praktizierte ich oft ein aktives Nichts-Tun. Es war wie ein sehr langer Spaziergang. Damals konnte ich beim Gehen erstmals gedanklich leer werden und trotz der Anstrengung, war es Ruhe und Erholung für meinen Körper. Ich war glücklich.
Ich brauche die tägliche Bewegung, denn daraus schöpfe ich Kraft und Ruhe. Durch die Beeinträchtigung des Gehirns, ist es aber nur schwer möglich abzuschalten, denn es läuft ständig auf Hochtouren, speziell jetzt im Winter.
Das Gehen auf Eis und Schnee erfordert besondere Aufmerksamkeit. Da kann ein einfacher Spaziergang schnell in ein aktives Training umschlagen.
Ich meditiere meistens im und durch das Gehen. Meditatives Gehen ist vielen bekannt.
Ich setze mich aber auch gerne im Wald hin und lasse dann die Geräusche und Gerüche auf mich einwirken. Den Geist versuche ich ruhig zu halten.
Zuhause meditiere ich selten sitzend, die Natur ist mir dazu lieber. Sowieso gibt es viele Arten von Meditation und ich mache das, was mir mein Gefühl sagt. Ich brauche dazu kein Studio oder eine Anleitung.
Wenn ich möchte, dann versetze ich mich in einen meditativen Zustand, egal wo. Mein Gehirn braucht immer wieder eine Auszeit, nicht nur wenn ich schlafe.
Nun, Ruhe bedeutet nicht immer totale Passivität. Es kann auch sein, mir die Zeit für ein Buch zu nehmen und zu Lesen.
Mein Tisch ist voll von ungelesenen Büchern. Sobald mich etwas anspricht, nehme ich es mit. Manche Bücher lese ich zwei, dreimal, um es besser zu verstehen und abzuspeichern.
Das mit dem Merken ist so eine Sache. Vieles wusste ich schon früher, kann mich aber nicht daran erinnern. Die Synapsen wurden zerstört und es heißt neue bilden. Leichter geht es mit schon einmal gelernten, schwerer tue ich mir damit, neue Sachen zu Lernen.
Manches kann ich durch einmaliges Lesen wiederherstellen. Anderes muss ich mir erarbeiten. Ich brauche absolute Ruhe dabei, mich zu konzentrieren.
Absolute Ruhe bekomme ich nur, wenn ich die Augen schließe und schlafe. Das ist die mit Abstand beste Erholung und ich brauche es noch immer sehr oft. Im Krankenhaus verbrachte ich die meiste Zeit mit Schlafen.
Auch heute noch ist Schlafen die beste Medizin. Speziell am Nachmittag überkommt es mich und wenn es möglich ist, lege ich mich hin. Da stellt sich dann die Frage, wie wichtig bin ich mir. Gestatte ich es mir zu schlafen, wenn ich es brauche.
Allerdings brauche ich darüber nicht nachdenken. Noch ist mein Gesundheitszustand so, dass ich alles tun muss, was mir gut tut. Alles andere wäre nicht in diesem Sinne und würde meine Rehabilitation nur verlängern. Ein normales Leben ist so nicht möglich.
Es sind jetzt bald drei Jahre seit dem Hirnabszess vergangen. Eine lange Zeit, in der ich jeden Tag ans Limit stoße, weil die Energie nicht für einen ganzen Tag reicht.
Ich trainiere täglich dafür und da ist auch die notwendige Ruhe inbegriffen. Denn Nichts-Tun ist eben auch etwas TUN. Aber die wenigsten halten das aus. TUN durch NICHTS-TUN!
Wie sagte mir mein Freund Harry im Sport:
Mit Langlaufen mein Zentralnervensystem verbessern, ist das möglich? Es ist ein komplexes Ding dieses System, das uns das Leben ermöglicht.
Ich habe auf meinen Recherchen im Internet Berichte über das Training einiger der weltbesten Trainer durchstudiert.Dabei bin ich immer wieder auf das Zentralnervensystem gestoßen, welches eine große Rolle im Spitzensport einnimmt.
Mein Freund Bernd hat mich aus meinem derzeitigen Leben, das schon seit langem aus Rehabilitation, Üben und Training besteht, rausgeholt. Dieser Tag wurde ein tolles Erlebnis, denn zum Ersten mal spürte ich wieder die Leichtigkeit im Leben. Das Langlaufen brachte mir neue Erkenntnisse für meinen Körper.
Am Jakobsweg bekam ich eine gewisse mentale Leichtigkeit, aber noch mehr war er Rehabilitation. Besonders bergauf war es mit "leicht" vorbei. Damals tat ich im Nachhinein gesehen genau das Richtige und in der richtigen Dosierung.
Ich konnte jede mentale Anspannung vermeiden und tat nur das, was mir gut tat. Das ZNS wurde dort optimal trainiert. Auf intensivere Tage folgten welche mit weniger Umfang. Im Nachhinein war es so, als ob ich nach einem Trainingsplan unterwegs war.
(Hier geht´s zu meinen Erlebnissen am Jakobsweg)
Ich versuche viel, um die Leichtigkeit wiederzufinden. Dazu gehört zum Ersten körperliches Betätigung, denn von nichts kommt nichts. Gerade in Bezug auf das Zentralnervensystem ist Sport wichtig und bei mir noch wichtiger, denn ich war mein Leben lang Sportler und auf Bewegung seit jungen Jahren konditioniert.
Gehen, Fitnessstudio, Bouldern, Schwimmen, Tauchen und mehr - gerade der Sport ist ein wichtiges Element für das Zentralnervensystem und für mich ein wichtiger Schlüssel auf dem Weg zurück ins Leben.
Aber nicht nur Training mit dem Körper, sondern auch mit dem Geist. Denn diese beiden in Einklang zu bringen ist die große Herausforderung, dass ist Heilung!
Das Langlaufen brachte mir das Gefühl der Leichtigkeit wieder ein Stück näher und ein tieferes Verständnis für meinen Körper und wie er funktioniert.
Es war so überraschend und ein bislang einzigartiges Erlebnis für mich. Ich kann nicht sagen warum, aber es war eine Empfindung, wie ich sie seit dem Hirnabszess nicht mehr hatte.
Es war ein Gefühl, dass alles leicht ist und die normalerweise bleierne Schwere im Körper weg war. Ich würde es so beschreiben, es war ein Gefühl, mit Leichtigkeit durchs Leben zu gleiten.
Es ist ja schon letzte Woche passiert, aber ich fand bisher die Worte nicht. Ich musste darüber meditieren und lange nachdenken, um zu verstehen was da vor sich ging.
Ich benötigte mehrere Tage, um es zu verinnerlichen und beginne noch immer, es besser zu verstehen.
Die Tage davor standen unter dem Schneechaos im Norden der Steiermark, wie wir es schon lange nicht mehr erlebt haben. Bei mir daheim ist die Grenze des Berglandes nach Süden, so bekam ich fast nichts davon mit und konnte Schneelos mein Gehen im Freien durchziehen.
Dieser Tag wurde mein erster Tag am Berg seit dem Hirnabszess und war mein erster im Schnee mit Sonne dieses Jahr. Das es dazu gleich mit Langlaufen geschehen ist, war selbst für mich überraschend.
Bernd rief mich an. Er wollte mit mir einen Ausflug auf die Teichalm machen. An für sich wäre das schon Grund genug gewesen, aber er fragte mich, ob ich nicht Langlaufen probieren wolle.
Ich wollte schon, war aber zurückhaltend, weil ich noch zu viel mit dem Gleichgewicht und Schwindel zu tun habe. Außerdem bin ich stark verlangsamt in der Steuerung meiner Koordination, daher habe ich ja die Probleme mit dem Laufen, weil es mir zu schnell geht. Wie sollte dann Langlaufen funktionieren?
Wenn mir etwas zu schnell ist, verfalle ich in eine Art Schockstarre. Besser gar nichts tun, als mich mit unkontrollierten Bewegungen zu schaden.
Andererseits, ich hatte nichts zu verlieren, im Gegenteil. Den ganzen Winter schon schaute ich mir Langlaufrennen im Fernsehen an und stellte mir vor, dabei selbst zu laufen. Dabei versuchte ich die Bewegung beim Skaten geistig nachzuempfinden.
Als Radrennfahrer trainierte ich früher oft Langlaufen, als Konditions- und Ausgleichstraining. Das gerade populär gewordene Skaten brauchte kein aufwendiges wachsen mehr und kam mir entgegen.
Der Siitonen-Schritt brachte viel Erleichterung, denn mit dem aufwendigen Wachsen wollte ich, damals wie heute, nichts zu tun haben. Skaten war die Weiterentwicklung und das Wachsen wesentlich einfacher.
Ich hatte zwar noch meine alten Ski zu Hause, allerdings keine Schuhe. Die waren mittlerweile zerfallen und nicht mehr zu gebrauchen. Also mussten neue her.
Über das Internet fand ich gebrauchte Schuhe, die mit den damaligen von früher nichts mehr gemein hatten. Als Ski nahm ich meinen 25 Jahre alten.
Einzig für die Bindung meines Siitonen-Skis fand ich keine Schuhe, aber zum Glück hatte ich ein zweites Paar Ski, mit einer der ersten SNS-Bindungen. Das passte also.
Vor dem Laufen mit Ski hatte ich gehörig Respekt. Zum ersten Mal auf so schmalen Latten und dann auch noch gleiten. Eine große Herausforderung für das Gleichgewicht.
Aber dafür hatte ich ja schon mit der Kraft der Vorstellung geübt und ein gutes Gefühl entwickelt.
Beim Gehen habe ich noch immer ein Gefühl der Unsicherheit und vor allem die Stabilität im Körper macht mir zu schaffen. Die erste Herausforderung war schon das Anziehen der Schuhe und das Anlegen der Ski. Hätte ich meinen Puls gemessen, so wäre das schon meine erste Trainingseinheit gewesen.
Ich stand also endlich auf den Ski, schnaufte durch und es konnte losgehen.
Meine Überraschung war groß, denn ich hatte kaum Schwindel oder Gleichgewichtsprobleme. Es war komplett anders, wie beim Gehen. Auch die Koordination der Hände und Füße funktionierte überraschend gut, besser als beim Gehen.
Ich konnte es kaum glauben. War der Skilanglauf die Lösung? Kann ich damit meine Koordination und damit mein Zentralnervensystem verbessern?
Bernd filmte meinen ersten Versuch. Es war nicht perfekt, aber es war unglaublich, was mir gelang. Seit mehreren Jahren nicht auf Ski, gerade Gehen gelernt und ich konnte einfach loslaufen ....und es genießen.
Ich laufe noch sehr aufrecht, was meiner Vorsicht zuzurechnen ist. Noch fehlt die Kraft und das Vertrauen, mich nach vor zu beugen.
Die Erinnerung meines Physiotherapeuten: "Trau dich, bring deinen Schwerpunkt nach vone!", kam mir immer wieder in den Sinn.
Ja, es geht leichter, wenn ich mich nach vorne beuge. Aber dafür brauche ich noch mehr Kraft, die ich derzeit nur kurzfristig aufwenden kann. Da macht mir die Kondition noch einen Strich durch die Rechnung. Aber ich arbeite daran, es dauert noch länger.
Das ist noch mein größtes Handicap. Mir fehlt die Wahrnehmung dafür, zu spüren, wann der Fuß den Boden berührt. Deswegen muss ich immer schauen, wo ich hinsteige.
Im Krankenhaus wurde ich damals gefragt, ob ich weiß, wo ich aufhöre? Ich wusste mit dieser Frage nichts anzufangen. Ich lag im Bett und sollte wissen wo ich aufhöre. Das habe ich nicht verstanden. Das war zu kompliziert für mein Gehirn.
Jetzt wird es mir immer bewusster, was damit gemeint ist. Beim Langlaufen wirkt es sich so aus, dass ich eine Spur zu weit das Bein hebe und dann mit dem Ski auf den Boden hinunterfallen lasse. Dadurch bin ich eine Spur zu spät dran, um die Kraft mit Druck anbringen zu können.
Das ist ein Bereich, den ich noch viel üben muss, denn das brauche ich auch beim Laufen oder um Automatisch Gehen zu können. Diese Wahrnehmung für Distanzen.
Durch das Gleiten im Schnee spürte ich eine Leichtigkeit in mir. Das habe ich natürlich nur im Flachen oder Bergab, noch nicht Bergauf. Dieses Gleiten auf den Langlaufskiern war einzigartig und bisher noch nie möglich.
Wichtig wird werden, dieses Gefühl, später beim Gehen oder Laufen, nachzuempfinden und zu behalten.
Das Glücksgefühl beim Skaten war mit nichts bisher vergleichbar. Man tut sich natürlich viel leichter mit aktuellem Empfinden, als es sich nur vorzustellen. Man kann darauf aufbauen.
Dieses Gefühl der ersten Meter werde ich mir lange behalten. Denn es wird Tage geben, an dem es mir nicht leicht fällt, egal was auch immer. Aber dann brauche ich nur zurückdenken und die Leichtigkeit spüren. Das hilft enorm weiter.
Gesund werden ist von vielen Bausteinen abhängig. Ich werde alle nutzen und einsetzen.
Das war die große Frage. Ist es ein gutes Training oder noch zu früh, wie die Slackline?
Diese Frage kann ich eindeutig mit JA beantworten. Es geht besser als erwartet. Durch die ständige Gewichtsverlagerung habe ich kaum Probleme mit dem Gleichgewicht. Außerdem sind die Stecken von Vorteil.
Auch die Koordination funktioniert irgendwie besser, als zum Beispiel beim Gehen. Es ist alles irgendwie leichter. Kaum bin ich wieder von den Ski herunten, spüre ich die altbekannten Probleme.
Langlaufen ist eine Willkommene Abwechslung zum Fitnessstudio. Es ist ein Ganzkörpertraining für praktisch alle Muskeln. Ich kann allerdings nur rund 100 Meter am Stück laufen. Diese versuche ich aber ordentlich zu machen, dann kurz Pause und wieder ein Stück. Es ist wie im Fitnessstudio. Viele Wiederholungen mit Pausen.
Für mich interessant waren Artikel von den besten Trainern der Welt, vorzugsweise in der Leichtathletik. Sie achten ganz besonders auf das Zentralnervensystem ihrer Athleten. Diese Trainingskonzepte helfen auch mir, nur auf einem anderen Niveau. Ich werde dazu in einem der nächste Beiträge mehr dazu bringen.
Es ist entscheidend wie ich trainiere, also in welchem Bereich, die Intensität und die Dauer. Da muss ich meinem Instinkt derzeit vertrauen und auf ihn hören. Der Weg vom Sportler zum Weltmeister ist ein ähnlicher, den auch ich jetzt gehe. Nur hat mein Weg eben bei Null begonnen und mein Weltmeistertitel wird es sein, wieder ins Leben zu kommen.
(Hier geht´s zum Anfang meines Krafttrainings)
Ein wichtiger Punkt wird sein, mich jetzt voll und ganz auf mich zu konzentrieren und fokussiert zu bleiben. Genug Pausen und Ruhephasen einzulegen und aufpassen mit belastenden Dingen. Ich brauche die volle Konzentration auf mich, denn meine Gesundung hat Vorrang vor allem. Trotz manch gutem Erfolg bin ich noch sehr fragil und muss alles bestmöglich ausbalancieren.
Die nächsten Wochen kommt regelmäßig die Zahnsanierung dazu, die mir doch mehr Kräfte abverlangt als gedacht. Das alles bestmöglich zu koordinieren verlangt mir einiges ab. Vor allem weiß ich nicht, wie ich die Tage nach einer Behandlung drauf bin. Darum kann ich nicht nach Plan tun, sondern muss täglich noch mehr darauf schauen, wie es mir geht.
Ich kann mich noch nicht auf mehrere Dinge gleichzeitig konzentrieren. "STEP BY STEP" ist nach wie vor gültig und wird mich noch länger am weiteren Weg begleiten.
Das Denken und Ich, eine zwiespältige Sache. Betroffen ist der Thalamus, das Steuerzentrum des Körpers. Es steuert die Motorik, Sensorik, aber auch die Psyche. Also alles, was mich eigentlich ausmacht.
Das heißt aber nicht, das ich geistig behindert bin. Ich nehme alles wahr, nur ist es mir nicht möglich alle Zusammenhänge zu erkennen oder verbal auszudrücken.
Der Thalamus ist eines der komplexesten Bereiche im Gehirn. Ich darf jetzt diese Auswirkungen handhaben lernen, ja muss sie lernen, denn sonst habe ich keine Lebensqualität.
Das ist eine Frage, die ich selbst gerne wüsste. Immer mehr Bausteine fügen sich jetzt langsam zusammen. Schon seit längerem recherchiere ich über das Gehirn, die Funktion des Thalamus und den Auswirkungen auf mich.
Die Bewegung ist das Eine, das Denken das andere. Irgendwie gehört beides zusammen, steht aber doch für sich alleine. Das macht es schwer, darüber zu schreiben.
Denn diese Zusammenhänge sind für mich kaum zu erfassen. Das Niederschreiben hilft mir, ein bisschen den Überblick zu bewahren.
So wird eine erworbene Sprachstörung bezeichnet und wird auch mit "Sprachlosigkeit" übersetzt. Es gibt unterschiedliche Schweregrade. Es kann das Lesen, das Schreiben oder das Verstehen betroffen sein.
Ich habe von allem etwas. Ich kann mich mit jemanden unterhalten, ohne das Probleme damit wirklich auffallen und doch sind sie da. Denken kann ich es, aber es fehlt die Verbindung es auch aussprechen zu können.
Beim Schreiben ist es schon schwieriger. Es passieren Schreibfehler und die Ausdrucksweise fehlt mir für vieles. Das hat doch fast jeder, bekomme ich dann oft zu hören. Für mich nicht, ich war Videojournalist und hatte damit tagtäglich zu tun. Fehler durften nicht passieren. Es ist jetzt eine Lernaufgabe für mich, Fehler zu akzeptieren.
Etwas anderes ist es mit dem Blog. Mich und meine Gefühle zu Beschreiben erfordert eine gute Ausdrucksweise und die fehlt mir. Natürlich versuche ich es gutzumachen, aber Fehler darf ich mir jetzt erlauben. Ich schreibe so, wie es mir gerade einfällt.
Wichtig ist mir nur, dass es so rüberkommt, wie ich es erlebe. Ich bin behindert und werde oft behindert. Diese Schwierigkeiten und Erlebnisse dokumentiere ich.
Aphasiker sind nicht geistig behindert! Ich kann Situationen richtig erfassen und beurteilen, auch wenn ich das nicht verbal ausdrücken kann.
Es geht vieles schon besser, aber einiges fehlt noch, um mich besser mitteilen zu können. Manche Situationen bereiten mir Stress, auch wenn ich es nicht möchte. Unter Druck geht schon gar nichts und manchmal gerate ich ungewollt unter Druck. Schon einfachste Vorfälle können reichen, dass ich mich nicht mehr richtig mitteilen kann, wie ich eigentlich möchte. Das Denken stresst mich dann.
Ich habe daraus gelernt und versuche stillzuhalten. Rückzug ist oft besser. Denn dieser Stress wirkt sich auch auf alles andere aus. Mein System ist so diffizil und gerät schnell aus der Balance. Körper und Geist sind untrennbar verbunden. Die kleinste Belastung kann mich aus der Balance bringen.
Seit einiger Zeit versuche ich mich in puncto Gehirn weiterzubilden.
Besonders der Thalamus ist dabei in meinem Focus. Das Internet bietet dazu viele Möglichkeiten. Natürlich wäre es schön mit einem Arzt darüber zu reden, aber dazu fehlt mir oft die Formulierung, was ich will. Ich kann es nur denken.
Ein Bereich des Thalamus ist mir dabei besonders aufgefallen. Ist er gestört, kommt es zu Störungen der Oberflächen- und Tiefensensibilität. Ein Gefühl der Schwere kann in den Extremitäten entstehen.
Allein das zu wissen tut mir gut und ich kann gezielter bei meinen Übungen vorgehen. Schön langsam kann ich vieles an mir besser verstehen, was die Bewegung und das Denken betrifft.
Für die nächste Zeit wird es wichtig sein, mich allem zu entziehen, was mir Stress verursacht. Das sind Besuche in der Stadt, wie auch schwierige Konversationen oder Lärm. Ich bin in einem entscheidenden Moment. Es zu beschreiben ist mir kaum, bis nicht möglich.
Ich darf und muss jetzt auf mein Gefühl hören. Es teilt mir am besten mit, was ich brauche und was mir helfen kann. Durch meine Hochsensibilität bin ich sehr feinfühlig und diesem Gefühl kann ich vertrauen, das habe ich gelernt.
Früher habe ich dieses Gefühl nicht beachtet. Jetzt höre ich darauf, denn es ist ein Teil zur Heilung. Und die ersten Erfolge zeigen sich schon. Ein Ereignis beschäftigt mich sehr. Wenn ich es schaffe, dann werde ich im nächsten Blogartikel darüber berichten. Zuvor muss ich es noch innerlich verarbeiten. Darüber zu Denken ist zum Glück kein Stress.
Zeit, Ruhe und Gelassenheit zu allem gegenüber, dass darf ich mir jetzt geben. Noch gelte ich als behindert, aber das soll sich ändern. Es wird noch einige Zeit brauchen und es ist noch nicht das Ende.
Bis dahin aber gilt der Spruch vom Jakobsweg, den ich einmal auf Instagram gepostet habe und an den ich dieser Tage von jemanden erinnert wurde: