Die richtige Ausrüstung für den Jakobsweg zu finden, ist gleichzeitig Therapie für mich. Genau zu wissen, was ich brauche, erfordert ein Denken, welches mir eigentlich noch fehlt. Es muss alles bedacht sein, denn immerhin muss ich alles selber tragen.
Eines war für mich gleich klar. Das Gewicht spielt eine große Rolle, für mich noch mehr. Früher habe ich auch schon großen Wert auf das Gewicht gelegt, nach dem Hirnabszess bekam es aber eine noch größere Bedeutung, jeder Kilo wiegt für mich dreifach.
Verschiedene Teile der Ausrüstung sind mir vorgegeben, denn ich habe sie noch aus meiner Zeit vom Trailrunning. Damals legte ich besonderen Wert auf das Gewicht, denn umso leichter, umso weniger zu tragen.
Die Packliste dient mir als Leitfaden für minimalistisches Wandern. Es kann natürlich das eine oder andere ergänzt oder weggelassen werden.
Ich muss bei jedem Stück das Gewicht beachten. Ich habe jetzt die Erfahrung von zwei Reisen, was sich gut bewährt hat und was nicht gepasst hat.
Die neurologischen Folgen des Hirnabszesses lassen mich das Gewicht eines Rucksacks viermal so schwer fühlen. Ein 5 kg Rucksack ist für mich so schwer wie einer mit 20 Kilogramm. Jedes Gramm ist daher bedeutend, was ich weniger zum Tragen habe.
Auf meinen bisherigen zwei Reisen am Camino Frances (Stand 2019) verwendete ich zwei verschiedene Rucksäcke. Beim Ersten mal verwendete ich einen neun Jahre alten Leichtrucksack. Es war einer der ersten auf dem Markt und ich kaufte ihn vor einer Bike und Hike Tour der Radzwillinge in den USA, vom Death Valley auf den Mt.Whitney.
Er wog 500 Gramm, hatte eine minimierte Rückenpolsterung und Gurte und fasste etwa 35 Liter. Ideal für den Jakobsweg, auf Dauer aber für meine Schwache Muskulatur nicht so gut.
Daher wechselte ich am zweiten Teil, der über die Berge führte, auf einen Lauf-Rucksack um. Er war mit 880 Gramm etwas schwerer, hatte aber wesentlich bessere Tragegurte, Polsterung und Verstaumöglichkeiten. Allerdings auch ein Fassungsvermögen von 40+ Litern, was an für sich zuviel ist.
Nach meiner Rückkehr suchte ich nach einer leichteren und kleineren Alternative. Bei einem Angebot konnte ich nicht widerstehen. Es ist die kleinere Variante des Peak 40, nämlich der Peak 30. Er wiegt nur 545 Gramm und mit der gleichen Ausstattung wie die größere Variante.
Da ich sowieso minimalistisch unterwegs bin, reichten 30 Liter Fassungsvermögen. Er hat das gleiche Gewicht wie mein 9 Jahre alter Rucksack, allerdings eine modernere Ausstattung.
Minimalistisch, leicht, klein verstaubar und schnell trocknend sind die Grundvoraussetzungen. Eine Wander-Hose ohne Gürtel bevorzuge ich, dazu für den Abend eine leichte lange Lauf-Hose. Die nehme ich im Falle eines Kälteeinbruchs auch für unter der Wander-Hose.
Für sehr warme Tage verwende ich eine kurze Lauf-Short mit Inlet und Seitentaschen. Ergänzt wird es noch um zwei schnell trocknende Sport-Unterhosen und einer Regenhose. Alles bei einem Gesamtgewicht von 760 Gramm.
Hier versuche ich viel Gewicht einzusparen, aber trotzdem gegen Regen geschützt zu sein.
Eine leichte Goretex Jacke mit 250 Gramm, soll gegen den Regen schützen. Eine Alternative wäre ein Regenschirm. Dazu eine leichte Fleecejacke mit 350 Gramm, im Fall von Kälte muss ich eben alles, was ich habe anziehen.
Zwei Leibchen reichen, denn das Verschwitzte wird täglich gewaschen. Ich hatte beim Ersten mal drei Leibchen dabei, aber es stellte sich heraus, dass zwei vollauf genügen. Dazu noch ein langes Unterleibchen, für kühlere Tage zur Sicherheit.
Sollte was kaputtgehen oder es doch kälter als gedacht sein, so gibt es in jeder größeren Stadt die Möglichkeit etwas zu kaufen.
Die perfekten Schuhe sollte man nicht ändern. Mich haben bisher immer Speedcross begleitet. Trotzdem habe ich mich entschlossen, dieses Mal etwas anderes zu nehmen. Ich habe mich für Hoka entschieden. Sehr leicht und mit einer hervorragenden Dämpfung. Damit sollte ich gut klarkommen.
Eigentlich wollte ich gerne Barfuß-Schuhe verwenden, aber meine Gelenke und Sehnen sind noch nicht so belastbar und die Gewöhnung daran dauert bei mir zu lange.
Für die Herbergen und als Reserve nahm ich normale Crocks mit.
Als Socken nehme ich Wright Socks, mit ihnen habe ich das letzte Mal hervorragende Erfahrung gemacht. Zwei Paar würden reichen, ich nehme aber ein drittes Paar als Reserve mit.
Socken und Schuhe wiegen zusammen 1.060 Gramm.
Mein altbewährter Schlafsack von Northland wird mich wieder begleiten. Aus Daune und nur 420 Gramm schwer, ist er auch für kühle Temperaturen geeignet. Dazu kommen Taschenmesser, Stirnlampe, Packbeutel und Regenhülle.
Macht zusammen 627 Gramm.
Zahnbürste, Zahnpasta und Seife. Ein Reisehandtuch, Kamm und besonders wichtig, Blasenpflaster. Einweg-Kontaktlinsen trage ich an besonders sonnigen Tagen, kombiniert mit einer guten Sonnenbrille. Ich bin sehr lichtempfindlich seit dem Hirnabszess und möchte nicht darauf verzichten. Dazu kommen eine Soft-Flask Trinkflasche und Sonnencreme.
Mit weiteren Kleinteilen wie Duschgel und Rasierer komme ich auf ca. 500 Gramm.
Ein Handy ist Pflicht, allerdings mit limitierten Einschaltzeiten. Die Kompaktkamera Lumix DC-TZ91 nimmt einigermaßen gute Bilder auf. Dazu ein USB-Charger mit 2 bis 4 Anschlüssen und diverse Ladekabel.
Da ich das nächste Mal mehr Schreiben möchte, überlege ich ein 6" Handy oder ein Tablet mit Tastatur mitzunehmen. Ein kleines MacBook Air 11" oder ein Microsoft Surface wäre die Alternative. Zwar besser zum Schreiben, aber auch ein höheres Gewicht von 700 Gramm bis 1 kg.
Wichtig ist der Pilgerausweis, ein Reiseführer und Reisepass und EC Karte.
Den Abschluss macht ein kleiner Stein, den ich in Finesterre oder Muxia ablegen werde.
Alles zusammen wiegt nicht ganz 6 Kilogramm.
Davon bleibt rund 4,5 Kilogramm im Rucksack zum Tragen über, den Rest trage ich am Körper. Dazu kommen noch Wasser und Verpflegung.
Diese Ausrüstung beinhaltet alles, was ich zum Leben brauche. Ich könnte damit noch die nächsten Jahre unterwegs sein.
Mein Leben bestand bisher nur aus Therapie. Drei Jahre sind aber genug und diese Zeit habe ich mir auch gegeben. Man sagt, dass die ersten zwei Jahre in der Neurologie besonders wichtig sind.
Eine neue Aufgabe besteht darin, zwischen Leben und Therapie zu unterscheiden. Der Weg zur Jakobus Kirche in Thal war ideal dazu.
Das ist nicht einfach, wenn die letzten drei Jahre nur aus Therapie bestanden. Für mich war auch jede Tätigkeit im normalen Leben eine Therapie.
Es ist eigentlich nur die Sichtweise darauf. Ich kann spazieren gehen und es als Therapie sehen oder es einfach für mich tun, ohne mit dem Ziel, etwas zu verbessern oder es als Therapie zu sehen.
Immer wieder gehe ich jetzt spazieren, ohne etwas zu wollen. Das ist nur eine kleine Gedankenänderung, die aber sehr viel ausmacht.
Im Pilgern erwarte ich mir nichts, trotzdem kann Pilgern Therapie sein. Am Jakobsweg voriges Jahr habe ich beides erlebt. Der ganze Weg war eine Therapie und hat meine Defizite verbessert.
Gleichzeitig konnte ich auch erstmals seit drei Jahren Leben. Der Camino hat mir so viel gegeben, wie nichts anderes bisher. Klar, ich war oft am Limit, aber ich konnte einen wichtigen Schritt auf dem Weg zurück ins Leben machen.
Ich mache jetzt schon seit einiger Zeit wieder Physio- und Ergotherapie. Ich brauchte dringend einen Ausgleich dazu. Was lag näher, als die Jakobus Kirche in Thal zu besuchen! Ich versuchte den Weg im Pilgermodus zu beschreiten.
Die Jakobus Kirche in Thal ist von Prof. Ernst Fuchs in besonderer Weise gestaltet. Das Auf und Ab des Lebens, wie des Pilgerweges, symbolisiert er durch unebenen Boden, der für mich besonders schwer zu begehen ist.
Die Kirche ist der Beginn des Weststeirischen Pilgerweges von Thal nach Lavamünd in Kärnten. Am liebsten wäre ich gleich weiter gegangen, aber die Therapie hat Vorrang.
Dafür gelang es mir, in den Pilgermodus zu kommen. Es war seit langem ein besonders unbeschwerter Tag, den ich voll und ganz genießen konnte. Manchmal war es zwar auch Therapie, aber ich konnte beim Gehen immer wieder schnell umschalten.
Der Tag motivierte mich, wieder Pilgern zu gehen. Da es mir im letzten Jahr so gutgetan hatte, werde ich nach dem Ende der Therapie wieder Pilgern gehen. Welchen Weg weiß ich noch nicht, das werde ich kurz vorher entscheiden.
Da ich im Moment nicht sehr gut drauf bin, werde ich den Weg sehr langsam gehen. Das macht aber nichts, denn schnell kann ich sowieso nicht. Ein weiterer Grund ist mein Buch, dass ich fertig schreiben möchte. Daher kann ich mir Zeit lassen.
Ich bin jetzt schon längere Zeit nicht mehr weiter unterwegs gewesen. Daher bin ich auch Ausdauer mäßig nicht sehr gut drauf. Es wird ähnlich wie im letzten Jahr sein. Nur weiß ich diesmal, dass ich viel mehr schaffe, als ich oft glaube. Natürlich bin ich im Denken noch nicht viel besser drauf, wie im Vorjahr. Aber ich weiß jetzt besser damit umzugehen.
So hat mir die Kirche in Thal sehr viel gegeben und mich für neue Aufgaben motiviert.
Ja, mein dritter Geburtstag ist heute. Vor drei Jahren, am 27.3.2016, hat mein neues Leben begonnen. An diesem Tag wurde ich ins Krankenhaus eingeliefert und dieser Tag sollte alles verändern, wie nie zuvor. Heute ist Jahrestag!
Die Auswirkungen des Hirnabszesses sind so gravierend, dass sie bis heute andauern. Mein Leben hat sich so sehr verändert, kein Stein blieb auf dem anderen. Ich MUSSTE ein neues Leben beginnen, wollte ich überleben.
Das mit dem "...kein Stein blieb auf dem anderen!" ist im wörtlichen Sinn gemeint. Mein jetziges Leben hat nichts mehr gemein mit dem von früher.
Durfte es auch nicht, denn meine damalige Denkweise hatte den Hirnabszess gebracht. Also habe ich zu lernen, mein Denken wieder in bessere und in gesündere Bahnen zu bringen. Bessere Bahnen heißt unter anderem, ich muss wieder mehr auf mein Herz hören.
Die Auswirkungen des Abszesses machten Denken und Entscheidungen fällen unmöglich. Ich war gezwungen auf mein Herz zu hören, musste ihm wieder vertrauen lernen und danach handeln. Dinge, die mir vorher unmöglich schienen, nahmen plötzlich Platz in meinem Leben ein und wurden wichtig. Es dauerte aber, bis ich so weit war.
Ja und Nein! Was mich jetzt zu vorher unterscheidet ist, dass ich mir selbst wieder zu Vertrauen lernte und auf mein Herz höre. Das genaue Gegenteil zu früher, denn damals hat der Kopf mit dem Denken die Macht übernommen. Kopfgesteuert wurden Gefühle immer mehr ausgeblendet.
Gerade für mich als Herzensmensch eine verzwickte Lage. Ich wollte die Dinge nur mehr mit dem Kopf lösen und das brachte mich in eine Lage, wo der Körper nicht mehr weiter wusste. Erst der Hirnabszess brachte mich wieder zurück zum Herzen.
Gesundheitlich besteht mein Leben noch aus Therapie. Nach wie vor bin ich beeinträchtigt mit dem Denken. Vernetztes und weiterführendes Denken kann ich noch kaum und es hält mich von vielem ab. Ich mache zwar dazu meine Übungen und trainiere auch mein Gehirn, aber der Erfolg ist überschaubar.
Aus diesem Grund konzentriere ich mich auch mehr auf die Bewegung. Da erhoffe ich mir die meisten Fortschritte, denn auch das Gehirn braucht Bewegung. Die besten Fortschritte brachte mir dazu der Jakobsweg im vorigen Jahr.
Wenn man nachdenken möchte, aber nicht kann, dann endet es oft mit Depressionen. Ich kann es nicht, daher wurde der Drang mich zu bewegen sehr stark. Depressionen und Bewegung passen nicht zusammen. Bin ich in Bewegung, kann ich nicht schlecht gelaunt sein und auf falsche Gedanken kommen. Es war daher nur logisch mich zu Bewegen.
Allerdings benötigt jede Bewegung Denken, sodass kaum mehr Energie für weiteres Denken übrig bleibt. Ein beschädigtes Kurzzeitgedächtnis vereinfacht die Sache nicht. Das Denken bleibt somit ein zentrales Thema. Aus diesem Grund wollte ich auch im Kopf leer werden, was mir am Jakobsweg gelang.
Hier hatte ich nichts anderes zu tun, als zu Gehen. Ich war im absoluten JETZT. Es gab keine Gedanken an die Vergangenheit und die Zukunft, die mir viel Energie kosten.
Zum Ersten mal konnte ich mich wirklich voll und ganz auf mich konzentrieren. Der Körper dankte es mir damit, dass ich lernte, mit meinen Handicaps besser umzugehen. Es war so viel Positives am Weg, ich war glücklich. Obwohl ich mich oft schwertat, vorwärtszukommen. Es hatte keine Bedeutung. Ich war glücklich, einfach nur zu Sein.
Es brachte mir noch eine weitere große Veränderung. Nach 19 Jahren trennten sich meine Lebensgefährtin und ich. Ich kann es akzeptieren, aber mein Gehirn schafft es nicht, darüber nachzudenken. Dazu fehlt mir das vernetzte Denken. Ich falle immer in eine Schleife, aus der es kein rauskommen gibt. Dadurch vermeide ich es.
Daher denke ich nicht daran und konzentriere mich ganz aufs Gesund werden. Das erfordert meine ganze Kraft, denn noch immer muss ich mir den Tag genau einteilen, was ich mache. Unnötige Gedanken, die ich ja doch nicht weiterdenken kann, haben da nichts verloren.
Um eine Normalität einkehren zu lassen, soll ich nicht mehr jede Bewegung, jedes Tun als Therapie sehen. Es hat mit Automatismus zu tun, an dem ich speziell seit letztem Jahr arbeite. Schaffe ich es, mehr Automatismus in meine Bewegung zu bekommen, werde ich nicht dauernd an die Bewegung erinnert. Dann kann Normalität einkehren.
Ich stoße noch immer sehr schnell ans Limit, dann ist es vorbei mit Normalität. Mein Leben neu zu organisieren bringt mich immer wieder an die Grenze. Manchmal ist alles so viel, dass ich nicht mehr möchte. Dann lege ich mich hin und lasse alles sein, egal was ansteht.
In solchen Momenten ist es wichtig auf mein Herz zu hören. Es sagt mir immer, wann es richtig ist mich zurückzuziehen. Höre ich nicht darauf, dann bekomme ich es zu spüren, indem es mir körperlich nicht gut geht.
Eines habe ich seit dem Hirnabszess erfahren. Es geht immer weiter und ich habe es selbst in der Hand zu entscheiden, ob es mir gut geht oder ob ich schlecht drauf bin.
Denn in jeder, auch negativen, Erfahrung steckt etwas Gutes. Ich muss nur bereit sein hinzuschauen und das Gute erkennen.
Neben dem körperlichem praktiziere ich auch Geistiges Heilen auf dem Weg zur Gesundheit. Diese über einen längeren Zeitraum eingenommenen negativen Emotionen lassen einen krank werden.
Ärger bringt Magengeschwüre. Das kennt jeder. An Magenkrebs verstorbene haben sich im Leben sicher viel geärgert. Ein Beispiel für krankmachende Emotionen.
Es gibt positive und negative Emotionen. Eine wichtige Einstellung ist: Ich muss gesund werden wollen!
Und gesund werden kann man nur mit positiven Emotionen. Harmonie zwischen Körper und Psyche soll wieder hergestellt werden. Eine negative emotionale Einstellung ist selbstzerstörerisch und bringt Unharmonie in den Körper.
Der Beginn zeigt sich Anfangs nur energetisch, was die Schulmedizin nicht feststellen kann. Das kann dann zu einer Krankheit führen. Als Energetiker habe ich mich damit vor 20 Jahren befasst und bin dann trotzdem selbst reingekippt. Das Ziel ist es, eine Emotion in eine Medizin umzuwandeln.
Der Tod ist ein wichtiger Verbündeter auf dem Weg zu Gesundung. Nach dem Hirnabszess hat er für mich den Schrecken verloren. Ich konnte ihm über die Schulter schauen.
Man benimmt sich plötzlich anders und verschwendet sein Leben nicht mehr oder lebt gar ins Leere. Man wird nichts machen, wofür man sich nachher schämen müsste.
Tod und Lüge sind nicht vereinbar!
Jeden Tag soll man so leben, als könnte man morgen sterben. Der Hirnabszess hat es mir gezeigt.
Die letzten drei Jahre bestanden praktisch nur aus Therapie. Jeden Tag konnte ich dazulernen. Ich versuche so zu leben, dass ich am nächsten Tag sterben könnte.
Natürlich gibt es schöneres als Therapie. Trotzdem gehört sie dazu. Ich werde zum Jakobsweg auch heuer wieder aufbrechen. Gehen als Therapie, denn worauf soll ich denn warten. Auf ein Ende der Therapien. Das kann noch dauern und unter Umständen sogar bis zum Tod. Warten bringt nichts. JETZT ist der beste Zeitpunkt.
Ich merkte es noch nie so stark wie in den letzten Jahren. Der Wald und die Natur wurden meine Ladestation. Der Rhythmus des Waldes ist ein Abbild der Gesundheit. Deshalb fühlt man sich in der Natur so wohl. Hoch sensible können ein Lied davon singen.
Ist man krank, bedeutet das ein Abweichen vom Richtigen. Man wird unter Beton nie so ein Gefühl bekommen, wie im Wald. In der Stadt, an einer befahrenen Strasse, fühlt man sich krank. Viele haben verlernt, zu spüren, was ihnen gut tut.
Der Hauptgrund für eine Krankheit liegt immer in einem selbst. Eine negative emotionale Einstellung ist der Grund einer jeden und ist zerstörerisch. Man beginnt sich selbst zu zerstören. Im Idealfall ist das ein Schnupfen, bei mir wurde es ein Hirnabszess. Es bedurfte etwas größerem, um daraus zu lernen. Ein Schnupfen hätte mir nicht geholfen, mein Bewusstsein zu erweitern.
Die Hauptaufgabe im Leben ist die Lenkung der Emotionen und ihre heilsamen Kräfte zu finden. Freude zu verspüren sollte der Grundton sein. Keine Freude mehr zu haben, ist der Beginn von Krankheit.
Hast du einen Beruf, der dir keine Freude bereitet? Frage dich selbst, ob du gesund bist! Natürlich hat es nicht immer mit dem Beruf zu tun. Es gibt viele Themen, eine wichtiges können Beziehungen sein.
Der Abszess war innerlich im Gehirn. Es tritt eigentlich sehr selten auf und kann verschiedene Auswirkungen in der Stärke haben.
Meines saß am Thalamus, an der Steuerzentrale des Körpers. Damit sind mir vielfältige Lernprozesse möglich. Ein Abszess bedeutet einen abgekapselten Konfliktstoff und beinhaltet ein Aggressionsproblem.
Es ist eine Eiteransammlung, die das umliegende Gewebe, in meinem Fall das Gehirn, unter Druck setzt. Der Druck war an dieser Stelle besonders fatal, denn er stört verschiedene Aufgaben, welche das Gehirn steuert. In meinem Fall war der Thalamus betroffen, der für die gesamte Steuerung des Körpers zuständig ist, Bewegung wie Emotionen.
Ein Konflikt in mir bildete einen Durchbruchsversuch von innerer Energie nach außen. Ich konnte ihn seelisch nicht äußern, ihn mitteilen oder mich nicht ausdrücken. Es staute sich innerlich an, bis er explodierte.
Der Abszess war ein kalter, kein heißer. Es war abgekapselte Wut, bei der Resignation und Enttäuschung mitschwingen. Ich konnte keine Entladungs- oder Lösungsmöglichkeit finden.
Gedankliche Durchbrüche stehen an. Ich muss auf meine Emotionen draufkommen, möchte ich etwas verändern, sonst ist Heilung nicht möglich. Es verschiebt sich nur auf eine andere Ebene. Meine Krankheit war eine so schwere, auf was sollte es sich jetzt noch verschieben?
Beim Tod habe ich bereits angeklopft, also was wäre dann die nächste Ebene?
Eiter ist immer Konflikte in Gestalt von faulen Kompromissen. Ich habe mutige Konfliktbewältigung und offensive Entscheidungen zu lernen. Ich soll bisherige Grenzen in Frage stellen und womöglich überschreiten. Was hinaus möchte, muss auch hinaus.
Besser explodieren als implodieren!
Zunächst muss ich mich diesen Konflikten stellen, was ich zum Teil schon getan habe. Aber da kommen die Emotionen mit ins Spiel. Negative Emotionen haben mir den Hirnabszess gebracht. Positive Emotionen können mir wieder Heilung bringen.
Diese heißt es jetzt finden. Da gibt es allerdings noch eine große Herausforderung. Mein Gedächtnis funktioniert nur bedingt. Ich kann mich nicht darauf verlassen. Mein Kurzzeitgedächtnis ist beschädigt und Vernetztes oder Verschränktes Denken nur sehr schwer, bis gar nicht möglich.
Ich kann nichts Denkender Weise lösen. Es ist wichtig auf mein Herz zu hören und danach zu handeln. Als Herzmensch habe ich nach Herzensentscheidungen zu handeln. Dem vertraute ich aber nicht mehr und wollte alles mit dem Kopf lösen.
Das war der Anfang vom Hirnabszess. Vom Herz abgeschnitten, hörte ich nur mehr auf meinen Kopf. Aber das ist kein guter Ratgeber für einen Herzensmenschen.
Mein Denken wurde durch den Abszess abgeschalten. Es gab von einem Tag auf den anderen keine Vergangenheit und Zukunft mehr. Ich war auf Herzensentscheidungen zurückgeworfen, denen ich erst nach und nach wieder vertrauen lernte. Es dauerte Monate das zu begreifen. Ich hatte zu lernen, mir wieder selbst zu Vertrauen und auf mein Herz zu hören.
Deswegen wurde Vertrauen in den letzten Jahren so wichtig für mich. Alles was mein Vertrauen missbrauchte, hatte keinen Bestand und verschwand aus meinem Leben. Positive Emotionen bekamen plötzlich wieder ihren Platz und Entscheidungen konnte ich nur mit meinem Herzen fällen.
Was aber nicht einfach ist, denn die Jahre davor war ich nur mehr im Kopf daheim. Immer wieder versuche ich den Kopf zu fragen, was denn richtig oder falsch sei, wie ich mich entscheiden sollte. Ich hatte zu lernen, nur auf mein Herz oder mein Gefühl zu hören und das stellte sich meist als richtig heraus.
Viele Entscheidungen von früher sehe ich jetzt anders und hätte ich nach heutigem Wissen auch anders entschieden. Es waren viele Fehler darunter, aber nachher ist man immer gescheiter.
Es heißt jetzt positive Emotionen zu leben. Wichtig ist es, die gesundheitlichen Auswirkungen des Hirnabszesses anzunehmen, dass es so ist, wie es ist. Ich sehe es nicht als negativ, denn es hat mir eine enorme Bewusstseinserweiterung gebracht.
Als Beispiele seien folgende Emotionen angeführt:
Das waren alles Emotionen, in denen ich zu lange ausgeharrt habe. Der Hirnabszess war nur eine logische Konsequenz daraus. Ich darf sie natürlich nicht aus meinem Leben verbannen. Die Frage ist nur, wie lange ich mich darin aufhalte?
Dazu gibt es seit drei Jahren eine Antwort:
Step by Step!
Ich musste ein neues Leben beginnen. In kleinen Schritten, einem nach dem anderen, habe ich jetzt zu lernen, diese positiven Emotionen zuzulassen und wieder zu Leben.
Mein Zustand, inkl. dem Gesund werden, kann noch immer nicht als "normal" bezeichnet werden. Nach drei Jahren würde man meinen, dass endlich ein normales Leben nach dem Hirnabszess möglich ist.
Aber was ist wirklich möglich? Kann ich schon normal Leben?
Ich bin natürlich versucht, mich mit meinem früheren ICH zu vergleichen. Nur war früher eben so viel mehr möglich, dass ich jetzt an einer solchen Messlatte zerbrechen würde.
Zu akzeptieren, dass vieles nicht (mehr) möglich ist, war am Anfang das Schwierigste. Mittlerweile akzeptiere ich, dass es derzeit so ist. Nicht akzeptieren kann ich, dass es so bleiben soll.
Aber was ist noch möglich? Diese Frage ist mein Antrieb seit langem.
In meinem ersten Leben war ich viel. Der Leistungssport war in erster Linie der Versuch, mich besser kennen zulernen. Dieses Leben an der Grenze brachte mich in vielem weiter.
Gleich wie ich mich geistig weiterentwickelte, entwickelte ich mich auch körperlich weiter. Wahrnehmung, Kraft, Übersicht, Reaktion und noch vieles mehr, wurde im Sport immer besser ausgebildet. Besonders die Reaktion war auf einem hohen Niveau.
Umstände, die mir später im Beruf des Videojournalisten sehr geholfen haben. Eine bessere Schulung als im Sport konnte ich mir dafür nicht vorstellen.
Ich lernte über den Sport Leistung zu bringen. Wichtig war mir aber immer die entsprechende Ethik in allem was ich tat. Das ist mir auch jetzt noch ein hoher Wert.
Begonnen habe ich mit dem Radrennsport auf der Straße. Es wurde mir bald klar, nicht der Sieg war mir allein wichtig. Durch Niederlagen konnte ich mehr über mich lernen. Dieses Lernen stand bald im Vordergrund.
Besonders am Anfang wollte ich einfach nur dranbleiben. Nicht abreißen lassen, auch wenn es schwer wurde. Es war die Zeit des Dopings, aber darüber machte ich mir keine Gedanken. Mein Ziel war in erster Linie die Selbsterfahrung und nicht der Sieg. Was hätte es mir gebracht, wenn ich diese Erfahrungen mit unerlaubten Mitteln errungen hätte?
Dieses damals gelernte "dranbleiben", hilft mir jetzt enorm in meiner Rehabilitation nach dem Hirnabszess. So wie ich als Radrennfahrer täglich trainierte, so absolviere ich jetzt mein tägliches Training zur Rehabilitation.
Wenn es mir einmal nicht so gut geht, dann hilft mir der Gedanke des dran bleibens. Denn würde ich mich hängenlassen, dann bräuchte ich wieder dreimal so lange, wieder dort zu sein, wo ich schon war.
Dieses "dranbleiben" ist seit drei Jahren mein ständiger Begleiter. Mir wurde trotz verminderten Denkens bald klar, dass es einer entsprechenden Einstellung bedarf, um wieder Gehen zu lernen und ins Leben zurück zu kommen.
Es sind die kleinen Dinge des Lebens, die mich oft am meisten fordern. Dinge, die ich zuvor als selbstverständlich sah. Wenn ich etwas noch nicht kann, dann bleibe ich dran, es wieder zu können. Ich bin nicht wirklich ungeduldig, aber gesunde Ungeduld treibt mich an, es wieder zu können. Ich muss nur aufpassen, mein ehemaliges Können nicht als Maßstab zu nehmen.
Es heißt in jedem Bezug nach dem Hirnabszess "dranbleiben".
An erster Stelle steht bei mir das Gehen. Ich kann mich wieder fortbewegen. Allerdings mit Einschränkungen, denn zum richtigen Gehen fehlt noch der Automatismus. Ich muss zuviel denken, damit ich gehen kann. Das kostet Energie, die mir am Ende des Tages fehlt.
Es war mir schon immer klar, aber erst jetzt kann ich es bewerten, wie viel Kraft das Denken kostet. Automatisch Gehen und Bewegen zu lernen, ist mein dringlichstes Anliegen. Dadurch wäre viel Energie einzusparen, welche ich für das Denken sonst brauchen würde.
Das was ich bisher erreicht habe, ist mehr als man erwarten durfte. Es ist für Außenstehende leichter erkennbar, als für mich. Denn ich bewege mich, trotz der Fortschritte, noch immer am Limit. Und Limit bleibt Limit, auch wenn sich einiges verbessert hat.
Mein Leben besteht seit drei Jahren aus Therapie. Aus gezielter Therapie und dem Alltag als Therapie. Jede Bewegung im Alltag habe ich bisher als Therapie gesehen. Egal ob aus dem Bett steigen, waschen, die Stufen hinunter oder hinauf steigen und anderes mehr.
Alles was zusätzlich neben dem normalen Alltag kommt, nehme ich als Belastung wahr. Ich kann es nicht einfach zusätzlich erledigen. Anderes ist mir damit nicht mehr möglich zu tun. Ich sage dazu immer, "Der Tag ist länger, als meine Energie reicht!" oder "Es bleibt noch viel Tag über, wenn meine Energie verbraucht ist".
Es ist nicht leicht, aber ich soll wieder lernen zu Leben. Es hat sich in mir eingebrannt, dass alles Therapie ist. Ab sofort soll es Zeiten für Therapie und Zeiten für das Leben geben. Das wird am Anfang nicht einfach sein, aber wie schon alles andere auch, Step by Step.
Im Park von Judendorf hat die Gemeinde einen neuen Geschicklichkeitsparcour gebaut. Wenn es passt, übe ich dort gerne. Die Balance wiederfinden, dass ist mein Ziel. Nicht nur im Körper, sondern auch im Leben.
Ich stehe auf der Stufe eines Kindes und lerne langsam dazu. Möchte ich zu viel, stoppt mich Schwindel und Unsicherheit.
Wie lange braucht ein Kind bis zum Gehen? Wann hat es seine Balance ausgebildet und kann herumspringen?
Ich bin im Verhältnis erst drei Jahre alt. Das darf ich nie vergessen, wenn ich wieder einmal ungeduldig bin und mehr möchte, als ich drauf habe.
Ich bewerte mich gerne mit dem Himmel und Hölle Spiel. Immer wenn ich es wo sehe, erinnert es mich daran. Der Schritt auf die Vier steht bevor, aber es ist noch nicht soweit. Die Drei hält mich fest gefangen.
Ich startete im Rollstuhl und habe jetzt im Schnitt eine Zahl pro Jahr erklommen. Bis ich bei Zehn ankomme, habe ich also noch sieben Jahre Zeit. Ich fühle mich wie in einer Zeitmaschine, allerdings einer zur Verlangsamung.
Es sind so viele Dinge, an die ich mich erst wieder gewöhnen muss. Zug fahren zum Beispiel. Wobei das Fahren das geringste Problem ist. Besonders Bahnhöfe und Bahnsteige sind noch immer eine Herausforderung.
Ich kann Entfernungen noch immer schwer abschätzen und die Stufen bei Auf- oder Abgängen stellen eine Herausforderung dar. Auch nach drei Jahren habe ich das nicht im Griff. Der Organismus ist gefordert, mit überhöhtem Puls und Tunnelblick, besonders wenn mehr Menschen unterwegs sind.
Da es sich bei mir um großteils unsichtbare Handicaps handelt, tue ich mich schwer im Umgang mit anderen Menschen, besonders in der Mitteilung. Ich brauche alle Energie für die Bewegung und Wahrnehmung.
Mein Bestreben ist es, alles dafür zu geben, wieder einigermaßen Leben zu können. Ich investiere viel Zeit dafür, was ich gerne mache. Denn nur so habe ich die Chance, wieder ein normales Leben zu führen.
Meine Beschwerden sind ähnlich der Multiplen Sklerose (MS). Nur glaube ich daran, dass es in eine andere Richtung geht und besser wird. Trainiere ich allerdings einen Tag nicht, stagniert es. Trainiere ich eine Woche nicht, sind es zwei Wochen harter Arbeit, um wieder dorthin zu gelangen, wo ich vorher war.
Es ist ein täglicher Kampf auf Messers Schneide. Training und Erholung gehören richtig getimt.
"Ganz gleich wie beschwerlich das Gestern war, stets kannst du im HEUTE von NEUEM beginnen."
Ich bin in den letzten Jahren mehrmals hingefallen, aber es kommt darauf an, dass man wieder aufsteht und weitermacht!
Es liegen jetzt drei Jahre der Rehabilitation und Therapie hinter mir. Davon verbrachte ich fünf Monate im Krankenhaus und weitere vier Monate auf stationärer Rehabilitation.
Dazu kamen unzählige Stunden im Fitnessstudio oder trainieren in Eigenregie.
Mein Leben besteht seit damals aus Therapie. Es war mir unmöglich, an etwas anderes zu denken. Nicht weil ich nicht wollte, sondern weil ich nicht konnte. Seit dem Jakobsweg war es mir klar, dass es so nicht weiter gehen darf. Allerdings wollte mein Gehirn noch nicht mittun.
Wenn ich zurückdenke, ist es mir klar. Mein Hirn hat mich in Schutz genommen, damals und jetzt auch noch. Es gibt mir so die Möglichkeit, mich voll und ganz aufs Gesundwerden fokussiert zu bleiben.
Man würde sonst an zu viele Sachen denken, was den Heilungsprozess verzögert.
Mein Ziel ist es, meine Feinmotorik zu verbessern und wieder mehr Automatisation zu bekommen. Besonders die Sprunggelenke sind mir ein Anliegen, um wieder mehr Beweglichkeit zu bekommen.
Ein vermehrtes automatisches Gehen soll die Folge davon sein. Genauso geht es in der Ergotherapie zu. Die Feinmotorik in den Händen und Fingern soll mir ermöglichen, wieder mehr greifen zu können.
Für die nächsten zwei Monate habe ich alles andere zurückgestellt und konzentriere mich voll auf die Therapien. Gleichzeitig habe ich zu Lernen, manchmal nicht an Therapie zu denken und einfach nur zu Leben.
In der Ergotherapie bekam ich den Anreiz, eine strikte Trennung von Therapie und privatem Leben zu finden.
Bisher war es ja so, dass Aufstehen vom Bett, der Gang in die Küche, Zähne putzen und der Versuch Kaffee zu kochen, so viel Aufwand bedarf, dass es für mich Therapie ist. Jede kleinste Tätigkeit ist Therapie.
Ich soll aber lernen, auch wenn es nicht einfach ist, ein normales Leben zu führen. Das muss ich auch, denn drei Jahre sind genug. Therapie ist Therapie und der Rest soll mein Leben werden.
Das geht natürlich nicht von heute auf morgen, aber sollte doch immer wieder möglich sein. Bisher tat ich ja alles unter dem Gesichtspunkt, besser zu werden. Wenn du nichts richtig greifen kannst, kein Wunder. Muss ich was hantieren, tue ich es immer unter dem Gesichtspunkt, es wieder zu erlernen.
Das hat zwar noch immer Sinn, aber es darf auch Zeiten geben, wo ich nichts erreichen möchte.
Da muss ich besonders beim Spazieren gehen achtsam damit umgehen. Ich habe zum Lernen, dass es Zeiten gibt, in denen ich nur für mich spazieren gehe. Andererseits gibt es Zeiten für Spaziergänge, in denen die Therapie, also das Gehen lernen und Übungen am Programm stehen.
Das werde ich versuchen, umzusetzen. Ein wichtiger Schritt zurück ins Leben.
Das wird noch länger dauern, ist aber wichtig. Gerade im öffentlichen Raum mich bewegen zu können, ist noch ein Handicap.
Mein Muskelkorsett ist noch immer zu schwach, um im Bus oder der Straßenbahn sicher stehen zu können. Ich bin auf einen Sitzplatz angewiesen, um nicht umzufallen. Daher fahre ich nur zu den Zeiten, wo kaum Schüler unterwegs sind.
Da ich noch so darauf schauen muss, ist es Therapie für mich. Es wird noch eine Zeit lang dauern, bis ich entspannt mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann.
Für wichtige Termine lasse ich mich nach wie vor fahren. Da komme ich noch nicht drumherum. Ich bin halt noch immer nicht so weit, wieder ein normales Leben zu führen.
....mein Leitmotto! Egal was, es geht nur Schritt für Schritt. Mein Gehirn lässt es nicht zu, einen Schritt zu überspringen.
Noch muss ich genau überlegen, was ich meinem Körper zumuten kann und was nicht. Denn noch immer hat der Tag mehr Stunden, als meine Energie reicht. Darum muss ich mir genau überlegen, wo ich meine tägliche Energie einsetze.
Mein nicht funktionierendes Kurzzeitgedächtnis wurden mir beim Einkaufen sehr eindrücklich bewusst gemacht. Es ist nach wie vor noch sehr schlecht.
Ich sollte ein paar Sachen vom Supermarkt mitbringen und dachte, ich kann es mir ohne Aufschreiben merken. Drei, vier Produkte sind an für sich ja leicht zu merken und kam mir auch nicht schwer vor. Aber es ist doch anders gekommen.
Auf dem Weg zum Kaufhaus sagte ich mir die Sachen innerlich leise vor, doch schon beim Eingang wurde ich mir unsicher. Ich dachte mir nur, "Das gibt`s ja nicht, dass ich mir das nicht merken kann."
20 dag Krakauer, mehlige Bio-Kartoffel, Eier und eventuell einen Salat. Es war mir nicht möglich, mir das für einige Minuten zu merken. Es ist eine Katastrophe. Das hätte ich nicht gedacht.
Im Training mit dem Fresh Minder habe ich gewissen Erfolg, aber die Realität schaut anders aus. Ich merke mir die einfachsten Dinge nicht. Oft habe ich keinen Kugelschreiber zur Hand, gehe ins nächste Zimmer und weiß nicht mehr, was ich überhaupt wollte.
Es scheint, das es mir erhalten bleibt, alles mit Post-its vollzukleben, um mich zu erinnern. Mein Kurzzeitgedächtnis will es noch nicht anders.
Wie meinen Körper, muss ich auch meinen Gehirn-Muskel trainieren. Das es langsam geht, bin ich schon gewohnt. Wichtig ist nur, dran zu bleiben!
Die Zahnsanierung ist gut getimt. Es ist zwar oft im Verhältnis nicht viel was gemacht wird, aber für mich einmal mehr, einmal weniger belastend. Mit der Hin- und Rückfahrt ist es Energie mäßig mein Tagesprogramm.
Allein den Mund längere Zeit offen zu halten, ist anstrengend. Ein Implantat und ein Stiftzahn erfordert meinem Körper einiges ab. Zweieinhalb Jahre nach dem Hirnabszess spüre ich noch jede außergewöhnliche Belastung. Dann heißt es mit dem anderen Training zurück schalten.
Vom Mund aufhalten bekomme ich Muskelkater. Jeder kleinste Muskel im ganzen Körper gehört aufgebaut und trainiert. Den Kiefer brauche ich nicht oft, so bekomme ich das zu spüren.
Eine Behandlung beim Zahnarzt kostet mir zwei Tage. So muss ich die Therapien genau timen, damit ich alles unter einen Hut bringe.
Es sind ganz feine Übungen, die meine Feinmotorik verbessern sollen. Ergo und Physio gehen Hand in Hand. Ich muss schauen, dass ich für jede Einheit ausgerastet bin.
Es wird spannend werden zu sehen, ob sich die Beweglichkeit und Motorik der Sprunggelenke, sowie der Hände, sich verbessern. Erwarten tue ich mir aber nichts, zumindest nicht in den nächsten Wochen. Die Neurologie hat eine andere Zeitrechnung.
Es geht weiter mit Therapien. Ich versuche alles, was mir hilft, die Kontrolle über mich wiederzu erlangen. Dazu gehören verschiedene Möglichkeiten, zurück ins Leben zu kommen. Einige möchte ich dazu vorstellen.
Die Temperaturen waren die letzten Tage sehr freundlich und motivierten mich, auch im Freien einiges zu versuchen.
Als Auswirkung hatte ich eine Rechtsseitenlähmung, Bewegungs- und Sprachstörungen. Da der Abszess am Thalamus saß, war damit die Steuerzentrale des Körpers betroffen. Diverse Fähigkeiten kann ich, vielleicht auch nur teilweise, wiedererlangen. Sicher ist das aber nicht.
Nach mittlerweile drei Jahren ist mir klar, dass es sich nicht um eine schnelle Wiederherstellung handelt. Ich muss mich in Geduld üben und weiter "Step by Step" vorgehen. Mein Leben wird nach wie vor von Training und Rehabilitation bestimmt.
Durch intensives Training können andere Bereiche im Gehirn die Funktionen der geschädigten Areale übernehmen, müssen aber nicht. Ich werde auch weiterhin alles tun, was mir möglich ist, um Verbesserungen zu erzielen.
Professionelle Hilfe erhalte ich in einem interdisziplinären Institut. So kann der Fortschritt überprüft und angepasst werden. Ich bekomme zielgerichtete Übungen, die meine Stabilität und damit die Bewegung verbessern sollen.
Das geschulte Auge der Physiotherapeutin erkennt, wo muskuläre Defizite vorhanden sind. Man kann es mit einem Skispringer vergleichen, der an einzelnen Bereichen trainieren muss und viele einzelne Bereiche ein Ganzes ergeben.
Die ambulante Reha bzw. Physiotherapie hat Vorteile gegenüber einer stationären. Das Zentralnervensystem reagiert langsam und ich muss längere Zeit eine Übung trainieren, bis Ergebnisse sichtbar werden. Die Reizweiterleitung ist stark vermindert. Krafttraining dauert zum Beispiel um ein vielfaches mehr. Noch fehlt viel bis zu einem selbstbestimmten Leben.
Therapie braucht ein Gegengewicht. Für mich sind das Ruhe und Erholung. Die Stadt stresst mein Körpersystem und die Natur ist ein guter Gegensatz. Die Ruhe dazu finde ich am Schlossberg, im Stadtpark oder an der Mur. Und dort habe ich es gefunden.
Eigentlich kannte ich es schon von früher, aber ich erinnerte mich nicht mehr daran. An einer Steinmauer befinden sich Griffe zum Bouldern. Der Tag war warm und ich konnte mich nicht zurückhalten, es zu versuchen.
Es blieb beim Versuch, denn es kostet mir noch enorm viel Kraft, auf den kleinen Tritten zu stehen. Aber es ist eine tolle Möglichkeit meine Koordination und das Gleichgewicht zu schulen und vom Stress der Stadt Erholung zu finden.
Es ist noch ein einfaches Steigen von Tritt zu Tritt, macht aber Spaß. Für richtiges Klettern fehlt noch die Kraft, aber ich werde es im Auge behalten.
Der Vollmond motivierte mich ihn anschauen zu gehen. Das war verbunden mit einem Gang in die nähere Umgebung. Das letzte Mal war ich am Jakobsweg im Finsteren unterwegs. Seither vermied ich es, im Dunkeln zu gehen.
Mein gesamtes Kontrollsystem ist gestört und im Dunkeln tue ich mich schwer. Ich habe keinen Anhalt dafür, wo oben oder unter ist. Beim Gehen muss ich den Boden sehen, was im Finstern nicht geht. Eine Stirnlampe hilft mir und es geht phasenweise besser. Aber es ist ähnlich dem Tunnelblick, der in extremen und stressigen Verhältnissen noch immer besteht.
Es war alles sehr lehrreich für mich und zeigte mir, dass ich noch viel Übung benötige.
Zwei Bücher haben mir geholfen, den Weg zurück ins Leben zu verstehen. Das erste ist das Buch von Monica Lierhaus, deren Satz, "Die Länge des Weges nicht thematisieren!", mir sehr geholfen hat.
Das andere ist von Gela Allmann, das mir, in der ersten Zeit nach dem Krankenhaus, das Erlebte besser verstehen ließ. Durch das Buch wurden viele Erlebnisse hervorgeholt und ich konnte viele Dinge besser verarbeiten.
Viele Einzelheiten und Erlebnisse aus dem Krankenhaus wurden für mich wieder greifbar. Es war emotional sehr aufwühlend, aber tat mir gut, weil es mir Verständnis für meine Lage gab.
Der Spruch aus Ihrem Buch, "Die Länge des Weges nicht thematisieren", wurde für mich prägend.
Es war mir in der ersten Zeit nicht möglich, das Geschehen zu erfassen. Denken und Körper waren wie getrennt. Ich konnte nur auf das unmittelbare auf mich eintreffende reagieren. Ich verfing mich immer wieder in einer Denkschleife, aus der es mir nicht gelang rauszukommen.
Es war unmöglich das Geschehene zu verstehen oder zu realisieren, wie lange es noch dauern würde. Als ich zum Ersten mal den Satz las, ließ er mich nicht mehr los. Ich habe ihn in mein Notizbuch auf die erste Seite geschrieben. Dadurch werde ich immer daran erinnert, wenn der Fortschritten .
Jetzt, nach drei Jahren, ist alles klarer geworden. Hätte ich die Dauer damals als Thema für mich wichtig gemacht, ich wäre daran zerbrochen.
Mittlerweile weiß ich, es wird nie mehr so sein wie es war. Die Schwierigkeit ist für mich, dass in seiner Gesamtheit zu verstehen. Mein Gehirn macht einfach nicht mit. Ich befinde mich wie in einer Warteschleife. Ich kann gewisse Dinge nicht weiter oder zu Ende denken.
Das zu akzeptieren ist nicht leicht. Oft möchte ich es verstehen, aber ich kann es nur Sein lassen. Ich darf mich nicht in Gedanken verstricken, aus denen ich sowieso nicht raus finde.
Der Hirnabszess bedeutete für mich einen Neuanfang. Ich musste alles umkrempeln, was mir bisher etwas bedeutete. Ich musste mein Leben ändern und es sollte sich ändern.
Diese Chance auf einen Neuanfang war nicht nur eine Chance. Wollte ich über- und weiterleben, durfte ich nicht in alten Strukturen bleiben.
Trotz Hirnschädigungen, die mich unter anderem nur im Hier und Jetzt halten, wurde es ein Neuanfang. Ich kann noch immer nichts planen, nur reagieren und im jetzt leben. Was an und für sich ja nicht schlecht ist, aber die einfachsten Pläne sind mir kaum möglich.
Das ist oft frustrierend und lässt mich in einer Denkschleife zurück. Da raus zu kommen ist oft nicht leicht.
Mit dem Schreiben versuche ich zu verstehen. Wie alles andere auch, ist das nur langsam möglich. Es ermöglicht mir, vieles besser zu verstehen. Es dauert oft Wochen, bis mir ein Thema klarer wird.
Wenn ich so vage darüber schreibe, dann nur deswegen, weil mir vieles noch unklar ist. Ich möchte versuchen, es zu verstehen. Erst dann kann ich darüber schreiben.
Das ist die andere Seite meines Weges zurück ins Leben, die Gedankliche. Ich erzähle darüber selten, weil es zuviel nachdenken erfordert, was mir nicht immer gelingt. Oft füge ich ein Bruchstückchen ans andere. Das Schreiben hilft mir dabei.
Es ist ein langer Weg, den ich zu gehen habe. Wie lange er noch dauert? Ich weiß es nicht. Zu fragen hätte keinen Sinn, es kann mir sowieso niemand beantworten.
Jeden Tag mein Bestes geben und darauf vertrauen, dass es mich weiter bringt. So schaut es aus.
Mein Weg besteht noch aus Rehabilitation. Die Behinderungen sind Allgegenwärtig. Ich kann keinen Schritt machen, ohne das ich daran erinnert werde.
Ich versuche mich weiterzubilden, wie mein Nervensystem funktioniert. Das gehört auch zu meiner Rehabilitation. Wobei, noch wichtiger ist der Energiefluss, denn bringe ich die Energie wieder zum Fließen, dann habe ich viel gewonnen.
Ich muss mich immer nach meinem Befinden am Tag richten. Erst danach entscheide ich, was ich tun kann.
Lieber sage ich Training zu meiner Rehabilitation. Es hat mehr mit dem Leben zu tun, als das Wort Rehabilitation, das mehr mit Krankheit zu tun hat.
Eines ist mir wichtig geworden. Ich darf niemals
"...die Länge des Weges thematisieren!"
"Gott schuf die Zeit, von Eile hat er nichts gesagt!"
Wie am Jakobsweg, stoße ich auch Zuhause auf viele Sprüche am Weg. Gerade die Zeit hat für mich eine neue Bedeutung bekommen.
Viele Sprüche sind Weisheiten seit vielen Generationen. Oft jahrhundertealt werden sie noch lange Zeit ihre Gültigkeit behalten.
Am Jakobsweg erinnern viele Sprüche daran, was wirklich wichtig ist im Leben.
Seit dem Hirnabszess nehme ich die Zeit anders wahr und sie hat für mich eine neue Bedeutung bekommen. Der Tag wurde länger, weil ich ohne Achtsamkeit nicht mehr Leben kann.
Jede Tätigkeit mit Achtsamkeit angehen. Bei mir sind es so einfache Sachen wie Essen, Zähne putzen oder Gehen. Ein wichtiger Punkt für mich ist, nur eine Tätigkeit machen.
Im Gehirn wurden Bereiche geschädigt, die Multitasking unmöglich machen. Gewisse Defizite brachten mir sogar Lebensqualität. Es ist nicht notwendig mehrere Dinge gleichzeitig zu machen.
Diesen Spruch kennt wohl jeder. Nun, ich kann gar nicht anders. Mein Körper und Geist ist auf Langsamkeit eingestellt worden. Mittlerweile habe ich akzeptiert, dass ich nichts schnell machen kann.
Das kann besonders an der Kassa im Supermarkt eine Prüfung sein. Ich kann die Sachen nicht so schnell wegräumen, wie die Kassierin alles vorbeizieht und gleichzeitig soll man schon bezahlen.
Auch beim Arzt sind lange Wartezeiten kein Problem. Ich habe Zeit, im Gegensatz zu früher. Und trotzdem erledige ich alles, Step by Step. Und was nicht geht, verschiebe ich auf den nächsten Tag.
Da ich alles neu lernen muss, ist Geduld und Zeit haben keine schlechte Grundvoraussetzung. Viele Dinge erfordern Geduld. Am meisten Geduld muss ich für das Laufen aufbringen.
Ich habe damit begonnen, etwa einmal pro Woche immer wieder ein paar Schritte zu Laufen. Es ist aber wie Gehen lernen. Auch dafür brauchte ich etwa zwei Jahre und lerne es noch heute.
Ich kann vieles noch gar nicht erfassen, weil mein Gehirn es nicht zulässt. Selbst Gedanken die normalerweise selbstverständlich sind, habe ich zumindest einmal wieder zu lernen. Es ist wirklich der gesamte Körper betroffen, darum die vielfältigen Aufgaben und die lange Zeit die es bisher brauchte.
Alles braucht seine Zeit. Mein größter Wunsch ist es, ein möglichst Beschwerdefreies Leben zu führen. Dafür ist aber noch eine Menge Arbeit zu tun.