Vom Smartphone zurück zum Fotoapparat – ein bewusster Weg

20. September 2025
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5 Minuten Lesezeit

Mein Anfang mit der Fotografie nach dem Hirnabszess

Ich begann meine fotografische Reise 2016 nach dem Hirnabszess zunächst mit dem Smartphone. Es war leicht, handlich, und ich konnte damit viel Gewicht sparen. Auf meinen ersten Pilgerfahrten hatte ich allerdings immer eine kleine Kompaktkamera dabei, denn die damaligen Handys besaßen noch keinen guten Fotoapparat.

So war das Fotografieren von Anfang an ein treuer Begleiter meiner Wege – einmal mit dem Handy, einmal mit der Kamera, immer auf der Suche nach dem richtigen Blick. Auf meinem Walkabout durch Österreich war das Gewicht in der Ausrüstung ein großes Thema und ich begann das Smartphone anstatt einer Kamera zu verwenden, um Gewicht zu sparen. 

Seit 2021 fotografiere ich mit dem Handy, doch jetzt kehre ich bewusst zurück zum Fotoapparat. Denn so praktisch das Smartphone auch ist: Die Tiefe, die Ruhe und die Aufmerksamkeit finde ich nur mit der Kamera in der Hand.

Fotoapparat versus Handy, Smartphone

Fotoapparat - Leichtigkeit mit Verlust

Das Fotografieren mit dem Smartphone hatte für mich lange Zeit einen klaren Vorteil: Es war unkompliziert, immer griffbereit und sparte Gewicht. Doch je mehr ich damit unterwegs war, desto deutlicher spürte ich, dass mir etwas verloren ging – die Aufmerksamkeit, die Fokussierung auf das Bild, auf die Komposition, auf das kleine Detail. Genau das also, was ich ja in puncto Wahrnehmung eigentlich verbessern wollte.

Der Neubeginn nach dem Hirnabszess

Vor Jahren begann ich nach dem Hirnabszess wieder mit dem Fotoapparat, um meine Pilgerwege zu dokumentieren. Und schon bald merkte ich, wie gut mir dieser Wechsel tat. Plötzlich wurde das Sehen selbst zu einer Übung: das Entdecken, das Erkennen, das bewusste Gestalten. Nicht einfach nur den Auslöser drücken, sondern innehalten, überlegen, entscheiden. Jedes Bild eine kleine Konzentrationsübung. 

Mein Gehirn lernte dabei neu, Details wahrzunehmen, und ich konnte spüren, wie sich meine Aufmerksamkeit Schritt für Schritt schärfte.

Konzentration statt Ablenkung

Mit der separaten Kamera erlebe ich heute einen ganz anderen Zustand der Konzentration. Während das Smartphone ständig nach Aufmerksamkeit ruft – mit Benachrichtigungen, Apps und all seinen Ablenkungen –, konnte ich mich mit dem Fotoapparat ganz auf das Fotografieren einlassen.

Focus

Das Mehrgewicht des Fotoapparat als Gewinn

Natürlich bringt der Fotoapparat auch sein Gewicht mit. Rund 300 Gramm mehr trage ich nun in der Tasche – eine Last, die ich bewusst in Kauf nehme. Denn der Gewinn überwiegt deutlich: mehr Konzentration, mehr Achtsamkeit, mehr Freude am Bild. Dieses Mehr an Gewicht verwandelt sich unterwegs in ein Mehr an Tiefe beim Fotografieren.

Schon im Krankenhaus zeigte sich, dass ich mit Bildern leichter umgehen konnte als mit Schrift. Ich bin ein visueller Typ. Damals begann ich, mit Fotos aus der Vergangenheit zu arbeiten, um mich zu orientieren und Erinnerungen zu verankern.

Bis heute begleitet mich diese Art des Denkens. Auch mein Schreiben im Blog entsteht meist aus Bildern heraus – sie sind für mich der Ausgangspunkt, um Worte zu finden. Bilder sind meine Brücke zur Erinnerung, zur Sprache, zum Ausdruck.

Ein praktischer Grund für den Fotoapparat

Aus diesem Grund habe ich mich entschlossen, wieder zurück zum Fotoapparat zu gehen. Doch es war nicht allein die Konzentration. Ein weiterer Grund liegt in meinen Nervenschädigungen: Durch die Störung bin ich beim Greifen anfällig, und so kam es immer wieder vor, dass mir Geräte aus den Händen fielen.

Ein- bis zweimal im Jahr brauchte ich deshalb ein neues Handy oder eine neue Kamera. Bei Preisen zwischen vier- und siebenhundert Euro wurde das auf Dauer zu teuer. Mit dem Fotoapparat habe ich nun eine Lösung gefunden, die für mich stabiler, verlässlicher und langfristig sinnvoller ist.

Erinnerungen und Motivation

Ein weiterer Grund, warum mir das Fotografieren so wichtig ist, liegt in meinen Erinnerungen. Viele Bilder aus meiner Vergangenheit stammen aus Film- und Fotodokumentationen, die ich selbst aufgenommen habe. Diese Aufnahmen sind heute ein wertvoller Schatz – sie erinnern mich an Momente, die längst vergangen sind, und lassen sie wieder lebendig werden.

Ich habe zwar mein Langzeitgedächtnis behalten, doch auch dieses ist nicht mehr vollständig. Viele meiner Erlebnisse im Radrennsport, im Extremsport und beim Bergsteigen leben für mich vor allem durch die Bilder weiter. Ohne sie wären manche Erfahrungen nur noch bruchstückhaft in Erinnerung – durch die Fotografien bleiben sie dagegen lebendig und greifbar. Gerade deshalb möchte ich auch weiterhin bewusst mit einer Kamera unterwegs sein und neue Erinnerungen in derselben Qualität festhalten.

Entscheidung für die Olympus T7

Frustriert darüber, dass ich erneut eine Kamera verloren hatte, überlegte ich lange, wie es weitergehen sollte. Schließlich entschied ich mich, eine neue zu kaufen – nicht mit dem Anspruch auf höchste Qualität, sondern mit dem Blick auf die Robustheit.

So fiel meine Wahl auf die Olympus T7. Sie mag vielleicht Abstriche bei der Bildqualität haben, doch ihre Stabilität und Widerstandsfähigkeit sind für mich ein großer Pluspunkt. Damit kann ich wieder unbeschwerter unterwegs sein, ohne ständig Angst vor dem nächsten Totalschaden zu haben.

Fotoapparat Olympus T7
Olympus T7 Fotoapparat

Fotografieren als Therapie

Für mich ist das Fotografieren längst mehr als nur ein Hobby geworden. Seit dem Hirnabszess ist es ein wichtiger Teil meines Trainings – fast wie eine stille Therapie. Mit jedem Bild übe ich, mich zu konzentrieren, mich auszurichten, bewusst wahrzunehmen. Der Fotoapparat zwingt mich, genauer hinzuschauen, mich zu entscheiden: Was will ich wirklich festhalten? Welches Detail verdient meine Aufmerksamkeit?

So ist das Fotografieren für mein Gehirn zu einer Art Schulung geworden. Ich lerne dabei nicht nur, Bilder zu gestalten, sondern auch, wieder klarer zu denken, mich zu sammeln, mich zu fokussieren. Wie beim Gehen draußen in der Natur ist es das wiederholte Tun, das mich stärkt. Jeder Druck auf den Auslöser ist eine kleine Übung, ein Schritt zurück zur Aufmerksamkeit, zurück zu mir selbst.

Erinnern durch Bilder

Fotografieren bringt mir Freude – und diese Freude ist für mich von unschätzbarem Wert. Seit dem Hirnabszess fehlt mir das Kurzzeitgedächtnis. Viele Dinge würden einfach verschwinden, wenn ich sie nicht in Bildern festhalte. Die Fotos helfen mir, mich zu erinnern, sie geben mir Halt, sie machen Erlebnisse wieder greifbar.

Gerade auf Wegen wie dem JOGLE, dem Hexatrek oder den Pilgerwegen erlebe ich unzählige kleine Momente. Würde ich mich heute allein auf mein Gedächtnis verlassen, wären sie längst verloren. Doch die Fotos führen mich zurück. Sie lassen mich diese Wege erneut durchschreiten, sie bewahren die Erinnerungen, die sonst verblassen würden.

Erinnerungen an den Hexatrek 2024, in den Südalpen. Mit dem Handy und nicht mit dem Fotoapparat
Unterwegs am HexaTrek 2024
Erinnerungen mit dem Fotoapparat beim Iditabike Alaska 1997
Erinnerungen Iditabike Alaska 1997

So sind es die vielen Bilder, die für mich zu einem Schatz geworden sind. Ich blättere sie nicht einfach durch, sondern tauche mit ihnen wieder ein in die Augenblicke, die mich geprägt haben. Erinnerungen werden im Alter immer wichtiger, umso mehr, wie ich mich mit dem Erinnern schwertue.

Die Collage vom Pico Sacro

Ein besonderes Foto begleitet mich seit Jahren: auf der Via de la Plata, am Ende des Camino Sanabres, steht der Pico Sacro. Dort stehe ich im aufgehenden Sonnenlicht, still, meditierend, auf einem kleinen Gipfel. Dieses Bild hängt – gemeinsam mit weiteren Aufnahmen – als Collage an meiner Wand.

Foto Collage vom Pico del Sacro
Foto Collage vom Pico del Sacro

Drei Bilder, die mich in unterschiedlichen Momenten zeigen: meditierend, im Sonnenaufgang, im stillen Stehen vor dem weiten Horizont, in der aufgehenden Sonne.

Diese Collage erinnert mich jeden Tag daran, dass ein Foto mehr sein kann als ein Bild. Es ist Erinnerung, es ist Kraft, es ist ein Stück meines Weges, das ich nicht verlieren möchte und es erinnert mich daran, niemals aufgegeben zu haben.

“Never give up!”

Fazit – Warum der Fotoapparat

Das Smartphone bleibt praktisch, leicht, immer griffbereit. Doch gerade darin liegt aber auch seine Schwäche: Es lenkt ab, es zerstreut, es zieht den Blick fort vom Wesentlichen. Der Fotoapparat dagegen schenkt mir Klarheit. Er zwingt mich, innezuhalten, zu sehen, wahrzunehmen. Er fordert Gewicht im Gepäck, aber er lässt mich tiefer erleben und schult meine Wahrnehmung. 

Darum habe ich mich entschieden: Ich nehme wieder den Fotoapparat. Für die Aufmerksamkeit. Für die Erinnerung. Und für die Freude am bewussten Fotografieren.


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Ich bin Jörg, wohne in der Nähe von Graz und blogge hier über meinen Weg zurück ins Leben, das ein Hirnabszess 2016 völlig auf den Kopf gestellt hat.
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