1000 Posts auf Instagram, als bildliches Tagebuch meiner Rehabilitation!

17. Juli 2020
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4 Minuten Lesezeit

1000 Posts auf Instagram

Es ist wieder einmal Zeit für ein Resümee über die letzten 1570 Tage, seit dem Thalamus-Abszess im Gehirn. Ein weiterer Anlass ist mein 1000er Post auf Instagram, wo ich meinen Weg der Rehabilitation in Bildern festhalte.

Die Welt hat sich verändert und auch ich und meine Ziele, denn das Pilgern hat ein vorläufiges Ende gefunden. Das, was mir am meisten geholfen hat, um zurück ins Leben zu finden, ist für mich vorläufig zu Ende.

1570 Tage oder 4 Jahre, 3 Monate und 20 Tage, so lange dauert mittlerweile mein Weg zurück ins Leben. Auf eine gewisse Art bin ich zurück im Leben, habe ich seither doch so viel erlebt. Andererseits fehlt noch viel, um ein "normales" Leben zu führen.

Instagram Tagebuch

Therapie und Rehabilitation

Ich startete mein neues Leben am 27.3.2016. Es begann alles mit der Einlieferung ins Krankenhaus. Das Ödem drückte damals so stark auf den Thalamus, dass ich neurologische Ausfälle bekam. Innerhalb eines Tages konnte ich nicht mehr Laufen, Gehen und meine Gedanken waren verwirrt.

Nach einer Woche war ich rechtsseitig gelähmt und konnte nicht mehr klar denken. Die Lähmung betraf auch das Gesicht und das Reden wurde schwieriger. Die neurologischen Ausfälle betrafen die Gliedmaßen rechts und links, dazu kam die Hemiparese rechtsseitig.

Gedanken an die Vergangenheit oder Zukunft wurden im Gehirn unterbunden und alle Energie wurde für das Überleben gebraucht. Auf der Intensivstation war ich wie ein regungsloser Fleischklumpen, ohne Kraft und Koordination. Ich konnte mich im Bett nicht alleine aufrichten oder umlegen. Mein Gehirn schützte mich vor allem Belastenden und ließ einfachste Gedankengänge nicht zu.

Nach etwa zwei Monaten entschieden sich die Ärzte für eine Operation, alleine mit Antibiotika bekam man es nicht mehr in den Griff. Fünf Monate im Krankenhaus waren notwendig und ab September 2016 war ich wieder Zuhause.

Mein Gehirn MRT

Gehen lernen und Waldbaden

Fünfzig bis Hundert Meter konnte ich nach dem Krankenhaus gehen. Es sollte zwei Monate dauern, bis ich den nahen Wald erreichte und zum ersten Mal darin eintauchen konnte. Der Begriff "Waldbaden" existierte damals für mich noch nicht, aber es wurde mein wichtigster Teil in der Rehabilitation und sollte mich bis heute nicht loslassen.

Der Wald ist extrem wichtig für mein Nervensystem geworden. Bildlich gesprochen erreichte ich jeden Tag einen Meter weiter, in Richtung Wald. Es war eine Steigerung, die fast nicht messbar für mich war. Wieder Gehen zu können, setzte sich in meinem Gehirn so fest, wie kaum etwas anderes.

Es war allerdings nicht nur das Gehen zu lernen, sondern wesentlich mehr. Gehen lernen bedeutet, die Technik zu beherrschen und das beanspruchte viel Zeit. Der Arzt sagte zu mir, wenn ich wieder einmal ungeduldig war: "Wie lange braucht ein Kind, bis es gehen kann? Das saß und ich gab mir die Zeit, die von nun an eine andere Bedeutung bekam.

Waldbaden, die Bäume brauche ich!

Gehen lernen am bekanntesten Pilgerweg

Im Juni 2018 fuhr ich dann das erste Mal zum Camino Frances in Spanien. Meine ehemaligen Radrennkollegen sammelten für mich und ermöglichten mir die Fahrt zum Camino. Da ich nur die Berufsunfähigkeitsrente bekomme, sind viele Therapien für mich nicht bezahlbar. Dass der Camino ein so guter Ersatz dafür wurde, hoffte ich zwar, aber wusste ich nicht.

Meine damalige Lebensgefährtin trennte sich von mir und die Folge war, dass ich nur ein Monat später, im Juni, zum Jakobsweg fuhr. Vom ersten Tag an, war es ein Gehen an der Grenze. Es war aber das Beste, was mir passieren konnte. Meine Mit-Pilger waren zuerst überzeugt davon, dass ich nichts mit ihnen zu tun haben wollte, weil ich immer auf den Boden starrte und Begegnungen oft nicht wahrgenommen habe. Dabei musste ich nur so konzentriert gehen, dass ich rundum nichts wahrgenommen habe.

Erst im Laufe der folgenden Tage kam ich mit einigen ins Gespräch und sie erfuhren den Grund. Es sprach sich herum und von da an hatten sie immer ein Auge auf mich oder halfen mir über Schwierigkeiten hinweg. Ich war glücklich hier zu sein und mir rannen immer wieder Tränen der Freude herunter.

Mein erster Camino Frances, auch auf Instagram
Mein erster Camino Frances, auch auf Instagram

Ich merkte hier zum ersten Mal wirklich, dass ich ein Problem damit hatte, Emotionen frei zu empfinden. Es gab keine Abstufungen. 0 oder 100%, anderes war nicht möglich. Da ich nicht jedes Mal wegen allem Möglichen in Tränen ausbrechen konnte, entwickelte sich über die Zeit ein Vermeidungsverhalten. Bis heute arbeite ich daran, Gefühle wieder zuzulassen und Emotionen auszuleben.

Am Camino Norte ein Jahr später, bekam ich zum ersten Mal das Gefühl, was es bedeutet, wieder zu Leben. Bis dahin bestand mein Leben aus Therapie.

Camino Norte
Camino del Norte

Posten auf Instagram

Ich musste lange üben, um wieder Schreiben zu lernen oder ein Handy zu bedienen. Im April, Mai 2017 war es dann so weit. Ich begann meinen Blog von0auf101 und postete die ersten Bilder auf Instagram.

Die ersten Monate hatte ich noch Probleme mit dem Schreiben. Ich konnte oft einen Gedanken nicht zu Ende bringen. Es war aber gleich wie mit dem Gehen. Dranbleiben hieß das Zauberwort. Langsam besserte sich alles.

Instagram wurde fast mein Tagebuch in Bildern. Ich bin dabei, es als Buch zu fassen. Denn die Bilder sind ein Zeugnis darüber, was ich alles erreicht habe und es macht Spass, es in Buchform durchzublättern.

Denn oft kann ich nicht sehen, was ich alles erreicht habe. Für mich ist behindert eben behindert sein, egal ob mehr oder weniger. Sehe ich aber, wie lange ich durchgehalten habe, um ein paar Meter mehr zu schaffen, dann kann ich es besser nachvollziehen und sehe es.

Instagram

Wieder mehr Bloggen

In Zukunft möchte ich wieder mehr Bloggen und Instagram nicht mehr jeden Tag bedienen. Corona hat viel verändert, besonders hat es meine Konzentrationsfähigkeit gemindert und damit auch das Schreiben.

Für Instagram brauche ich nur kurze Texte. Das ist mir speziell in den letzten Monaten zurechtgekommen. Es ging immer um den Tag, für mehr spielte mein Gehirn nicht mit. Das ist auch der Grund, warum ich kaum längere Texte verfassen konnte. Es geisterten viele Themen im Kopf herum, aber sie ließen sich nicht greifen.

Schauen wir mal, wo mich die nächste Zeit hinbringt. Langsam reifen wieder Ziele, aber Corona kann alles wieder unmöglich machen. Auf jeden Fall bin ich wieder motiviert mehr zu Schreiben und es warten eine Menge neuer Themen, da ich auch neue Therapien in Angriff genommen habe, aber dazu in einem eigenen Blog-Bericht!


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Ich bin Jörg, wohne in der Nähe von Graz und blogge hier über meinen Weg zurück ins Leben, das ein Hirnabszess 2016 völlig auf den Kopf gestellt hat.
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