85. Die Entscheidung, mit Noah zum Jakobsweg?

9. November 2018
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4 Minuten Lesezeit

Es war eine sehr kurzfristige Entscheidung, mit meinem Sohn Noah, zum Jakobsweg zu fahren. Ich hatte gerade den Camino Frances in Finesterre beendet und wollte eigentlich noch in der Gegend bleiben.  Allerdings verschlechterte sich das Wetter, es war kalt und windig am Meer. Da kam mir die Idee! Warum nicht einen Abschnitt vom Anfang wiederholen.

Entscheidung Jakobsweg

Da fiel mir Noah ein. Er hatte gerade die Matura mit Auszeichnung hinter sich gebracht und war im Begriff ins Leben zu starten. Was für eine Entscheidung konnte da besser sein, als am Jakobsweg zu gehen. Denn der Weg zeigt dir, wie das Leben funktioniert und was wirklich wichtig ist. Den Sinn des Lebens sozusagen oder zumindest einen Blick darauf.

Gedacht, getan. Eine Woche später saß ich mit Noah im Bus nach Pamplona. Von dort wollten wir nach Burgos gehen, etwa 220 km, am Camino Frances. Ich  war dort im Juni gewesen und fand es ideal für den Einstieg ins Pilgern.

Ankunft in Pamplona

Wir kamen am Nachmittag in Pamplona an. Erst wollte ich dort übernachten, entschied mich aber dafür, die ersten 5 Kilometer nach Cizur Menor zu gehen. Auf dem Weg dorthin dann die Überraschung. In der Hektik der Reise hatte ich nicht mitbekommen, dass an diesem Tag Nationalfeiertag in Spanien war. Es gab nichts zum Einkaufen und wir mussten damit auskommen, was wir mit hatten.

Im Ort angekommen bezogen wir Quartier in der dortigen Herberge. Noah war auf diese Art noch nie unterwegs gewesen und wurde sofort mit dem Alltag einer Herberge konfrontiert.

Erfahrungen

noah und ich

Nun, die beste Erfahrung war sicher, dass der Weg nicht endet, sondern mit diesem Ende der Weg eigentlich erst anfängt. Man fängt an, sich mehr mit dem Hier und Jetzt auch zu Hause zu beschäftigen.

Man muss sich Unterwegs auf Unvorhergesehenes einstellen. Diese Aufmerksamkeit wird so mehr auf die Gegenwart gerichtet, anstatt auf die Vergangenheit oder Zukunft.

Gerade was ich durch den Hirnabszess lernte, nämlich im Hier und Jetzt zu leben, wird am Camino besonders gelehrt. Man kann dort nicht anders, als sich um das gerade Wichtige zu kümmern und das findet eben Jetzt statt.

Wie sagen viele: Gehen, Schlafen, Essen, Gehen, Wäsche waschen, Gehen!

Es sind wirklich die essenziellen Dinge im Leben, auf die es ankommt und die man erlebt.

Entscheidung zur Reduktion

Was viele unterschätzen ist, wie wenig man am Jakobsweg wirklich benötigt. Der Rucksack wird meist zu voll eingepackt. Mit so wenig unterwegs  sein zu können, war auch für Noah eine Überraschung und auch er fand einiges überflüssige in seinem Gepäck. Ein leichter Rucksack bereitet mehr Freude beim Gehen.

Dieses überzählige Gewicht bestand, zum Glück, hauptsächlich in Form von Süßigkeiten. Allerdings benötigten wir einige Tage, bis wir das Rucksackgewicht drastisch reduziert hatten. Wir gaben auch an Mit-Pilger ab, die sich darüber sehr freuten.

An Ausrüstung achtete ich schon zu Hause, dass er nicht zu viel mitnimmt. Schließlich hatte er alles zu tragen. Jeder Gramm unwichtiges bedeutete mehr zu tragen.

Diese Reduktion zeigt, wie viel wir zu Hause an Unnötigem anhäufen, Stichwort Minimalismus. Man reduziert sich auf das wesentlichste. Man lernt, mit wie wenig man auskommt.

Gehen

Gehen

Mir tat das Gehen sowieso gut. Spannend wurde es, wie Noah damit umging. Die ersten Tage war ich überrascht. Es ging besser als gedacht. Allerdings ignorierte er Tipps, die man gerade am Anfang beachten sollte. So war es kein Wunder, dass er Blasen bekam.

Für ihn natürlich eine Katastrophe. Ich konnte nicht anders, ich musste lachen. Sein Gehen glich meinem und plötzlich waren wir zu zweit mit Handicap unterwegs. Jetzt konnte er meine Erzählungen verstehen, dass ich hier gar nicht auffalle, weil hier praktisch jeder Beschwerden hat.

Wir hätten natürlich viel abwenden können, wenn er auf mich gehört hätte. In seinem Alter ignoriert man aber oft gut gemeinte Ratschläge, ich habe es früher auch getan. Mit dem bittersten aller Lernen, nämlich der eigenen Erfahrung, musste er klarkommen. Er hat es aber, bis auf wenige Ausnahmen, gut durchgestanden.

Erinnerungen

Fischdosen, Entscheidung welche?

Wenn man Noah fragt, sind eine seiner spontansten Erinnerungen an den Jakobsweg die Fischdosen. Und es gibt in der Tat eine immense Auswahl daran, welche die Entscheidung für welche, schwer machte.

Es zeigt aber auch, was die Ernährung für eine wichtige Rolle spielt. Man muss oft für ein, zwei Tage vorausdenken und sich mit Essen eindecken, vor allem für unterwegs. Aber auch das organisieren zu Mittag oder am Abend gehört dazu. Es ist ganz wesentlich, sich täglich ums Essen zu kümmern.

Meine Behinderung

Noah

Für Noah war es normal, mir in gewissen Situationen zu helfen. Ein Problem war das Geh-Tempo. Aber nicht für mich, sondern für Noah. Ich brauche eine gewisse Grundgeschwindigkeit. Gehe ich zu langsam, bekomme ich Probleme mit dem Gleichgewicht. Dieses Tempo war für Noah oft zu schnell, besonders als die Blasen auftraten.

Ich hatte im Vorfeld eher Bedenken, dass ich zu langsam bin. Das überraschte mich dann doch. Aber die Blasen ließen für ihn kein höheres Tempo zu. Ich ging meine drei bis vier km/h, allerdings mit vielen Pausen. Er ging oft mit nur zwei km/h. Das war für mich definitiv zu langsam.

Man ist zwar zu zweit unterwegs, aber den Jakobsweg geht man trotzdem alleine. Das musste erst verstehen lernen.

Fazit

Es gibt zu meiner Überraschung ein kurzes Fazit. Die Entscheidung hinzufahren war so gut, dass er nächstes Jahr den gesamten restlichen Weg nach Santiago gehen möchte. Was möchte man mehr?

Na dann,  Buen Camino!


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Ich bin Jörg, wohne in der Nähe von Graz und blogge hier über meinen Weg zurück ins Leben, das ein Hirnabszess 2016 völlig auf den Kopf gestellt hat.
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