"Wieder Leben lernen", habe ich mir vorgenommen. Zum Ersten mal seit vielen Monaten wollte ich etwas machen, ohne dabei an Therapie zu denken. Der Badlgraben wurde dafür erkoren.
Ich bin dankbar dafür, was ich in den letzten Monaten geschafft habe. Der Beginn des Radfahrens, Schulung meiner Wahrnehmung, Konzentration auf mich und meine Defizite, das war der Hauptinhalt seit April.
Ich habe nach diesen über vier Monaten Therapie ein positives Resümee gezogen. Ich spürte aber in mir, dass etwas Neues Anstand, dass ja eigentlich ein Altes war, habe ich es ja schon ein Jahr lang unter anderen Voraussetzungen geübt.

Es ist wichtig das Leben, über all den Therapien, nicht zu vergessen. Corona hat mir allerdings diesen Teil des Lebens genommen und ich habe lange gebraucht, um mich darin zurechtzufinden.
Im April des vorigen Jahres bekam ich in der Ergotherapie den Auftrag, des Öfteren etwas zu machen, was nicht unter dem Mantel der Therapie steht. Dazu fällt mir als erstes Kino gehen ein. Zu dem Zeitpunkt sah ich Zug- oder Straßenbahnfahren als Therapie für mich, genauso wie in ein Kino zu gehen. Ich hatte mich erst daran zu gewöhnen.
Es war aber auch wichtig, mich einmal nicht selbst zu beobachten, wie es mir dabei geht oder zu beurteilen, besser oder schlechter. Ich sollte einfach nur ins Kino gehen und mir einen Film ansehen. Auf diese Art lernte ich wieder zu Leben und mich unter Menschen zu begeben.
Später im Juni war der Camino Norte eine wundervolle Möglichkeit, mich wieder mehr ans Leben zu gewöhnen. Ich bekam hier zum ersten Mal das Gefühl, was es bedeutet zu Leben und nicht nur zu therapieren.

Immer öfter bekam ich das Gefühl zu Leben und mein Highlight dazu war der Camino Frances im Winter dieses Jahres. Voller Pläne, wie ich die nächsten Wochen gestalten wollte, kam ich nach Hause.

Mit Corona waren diese Pläne innerhalb eines Tages allerdings zunichte. Mein Gehirn war überfordert damit und vor allem damit, dass alles was mir wichtig gewesen ist, plötzlich nicht mehr gegolten hat. Alles, woran ich seit einem Jahr arbeitete, war von einem auf den anderen Tag hinfällig. Selbst die Trauma-Therapie wurde ausgesetzt.
Die einzige Chance das zu überstehen fand ich darin, mich auf nichts anderes einzulassen, als konzentriert an meinen Defiziten in den nächsten Monaten zu arbeiten und mein Wissen um die Therapie umzusetzen. Denn eines war mir nach dem Wegbrechen aller Therapien klar, ich musste alleine Lösungen für alles finden.
Gesagt, getan, einzig das Leben kam dabei zu kurz. Ich war erneut in Therapie und Rehabilitation gefangen, aus der ich vor einem Jahr entkommen wollte. Es ist in erster Linie ein mentaler Zustand, in den ich kommen wollte. Die Umstände waren aber schwierig, so blieb ich bei dem, was ich kannte.
Es sind natürlich nicht immer Therapien unter Anleitung. Im Gegenteil, eigentlich fast immer Dinge in Eigenregie. Vieles hatte ich in meinen zahlreichen Rehabilitations-Aufenthalten gelernt oder wusste ich noch aus meiner Sportvergangenheit oder der Zeit als Energetiker.
Dabei ist es egal, ob auf mentaler oder körperlicher Ebene. Mein Glück ist es, alles mit Freude zu machen. Es ist noch immer ein Antrieb in mir, besser zu werden. Diesmal bedarf es aber einer besonderen Beharrlichkeit. Das Kleine in den Dingen zu erkennen wurde wieder wichtig. Viele Kleinigkeiten ergeben irgendwann das Große, deswegen hat Aufgeben auch keinen Sinn.
Durch die Erwerbsunfähigkeitspension wurde das Gesund werden praktisch zu meinem Beruf. Ich brauche mich 24 Stunden am Tag nur darum zu kümmern, dass es mir besser geht, so wie früher im Sport.
Dazu zählen alle Therapien, aber auch das "Leben lernen". Langsam spielt mein Gehirn wieder mit, diesen Gedanken zu verstehen und leben zu können. Derzeit noch Ansatzweise, versuche ich diesen Gedanken in mir immer mehr bewusst zu machen. Der Therapie ihre eigene Zeit zu geben, habe ich jetzt zu lernen.
Es war ein ganz großer Unterschied vom Badlgraben zum Mariazellerweg zuletzt. Den Weg über die Teichalm und den Schranzsattel nach Mitterdorf im Mürztal sah ich als reine Therapie und Training für meine Wahrnehmung. Mein Ziel ist es ja, mich an das Übernachten im Zelt gewöhnen zu können, um auch in Österreich mehrere Tage Pilgern oder Wandern zu können, ohne die teuren Übernachtungen.

Der Mariazellerweg hat mir sehr geholfen, meine Grenzen wieder zu erweitern. Es war am Limit und ich brauchte danach eine Woche um mich zu Erholen. Im Badlgraben war zwar keine Übernachtung vorgesehen, aber der Weg führt durch eine Art Klamm, gesichert mit Stahlseilen und Eisenklammern.
Es war an der Zeit, wieder den nächsten Schritt zu wagen. Nicht so ausgesetzt wie ein Klettersteig, war der Weg an der Grenze für meine Möglichkeiten der Bewegung. Diesmal wollte ich trotz der Schwierigkeiten nicht therapieren, sondern genießen und nicht an die Defizite denken.
Der erste Abschnitt war grenzgenial und führte durch Dschungel ähnliche Gegend. Praktisch kein einziges Mal dachte ich an Therapie, auch weiter drinnen nicht.

Vor vielen Jahren war ich des Öfteren hier unterwegs. Es ist eine wunderschöne Klamm, mit einer urigen Gegend. Einige wenige Passagen sind mit einem Stahlseil und Eisenklammern gesichert, um ein sicheres Hinübergelangen zu gewährleisten. Heute war sie allerdings eine Prüfung für mich. Jeder Tritt musste passen, da sonst ein Abrutschen unvermeidlich war.

Ich dachte diesmal nie an Therapie. Es war an der Grenze, aber machbar. Vor einem halben Jahr hätte ich mich noch nicht über solche Passagen gewagt.


Wie unterschiedlich die Tage noch sein können, wird mir einige Tage später bewusst, als ich den Bericht schreibe. Gleichgewichtsstörungen und Schwindel lassen mich nur drei Kilometer weit kommen und den Balance-Park abbrechen. Ich war noch nicht erholt von der Wanderung, der Badlgraben hat mehr Energie gekostet, als gedacht.
Es war ein neuer Schritt zurück ins Leben, der nicht Therapie beinhaltet hat. Ich habe ihn auch nicht für die Rehabilitation gemacht. Wie vor einem Jahr ins Kino, habe ich mich diesmal einfach nur auf den Weg gefreut, ohne etwas zu wollen oder Trainieren zu müssen.
Ich möchte einfach wieder ins Gefühl zu Leben kommen. Therapie und Rehabilitation wird seinen Platz bekommen, aber ich habe zu lernen, wieder Leben zu können, mit und ohne Corona.

Ich werde die Stadt auch weiterhin meiden und möchte dieses Leben lernen in der Natur umsetzen. Die letzten Monate haben es gezeigt, meine Wahrnehmung hat sich gebessert. Das möchte ich stabilisieren und nicht durch den Stress in der Stadt in Gefahr bringen. Zu wackelig ist noch das Fundament und erst wenn ich stabil bin, werde ich mich stressigeren Dingen widmen können.
Corona hat viel verändert und ich bin dabei, neue Strategien zu entwickeln. Das Pilgern in der Form der vergangenen Jahre hat mir am meisten geholfen und mich dahin gebracht, wo ich jetzt stehe. Ich hätte mir gewünscht, in dieser Art noch einige Zeit am Camino in Spanien verbringen zu können. Diese Art der lebensnahen Therapie kann ich für längere Zeit vergessen und darf mir etwas Neues einfallen lassen.
"Im Leben kommt es nicht darauf an, ein gutes Blatt in der Hand zu haben, sondern mit schlechten Karten gut zu spielen!"
Robert Louis Stevenson, schottischer Schriftsteller (Die Schatzinsel)
Dieses Gefühl zu Leben wird noch ein Weile dauern, bis ich es verinnerlicht habe. Denn noch muss ich zu viel an der Bewegung bewusst Denken und die Behinderung ist noch zu groß. Aber so wie ich gehen lernte, werde ich auch wieder das Leben lernen!
Vor genau vier Jahren wurde ich nach fünf Monaten im Krankenhaus, nach dem Hirnabszess, entlassen. Meine Rehabilitation zu Hause konnte beginnen. Drei Reha-Aufenthalte und unzählige Physio- und Ergotherapien folgten.
Wenn ich heute an diese Zeit zurückdenke, ist es noch immer sehr emotional. Jedes Jahr denke ich an diese Tage. So sehr ich mit den Gedanken Schwierigkeiten und mein Kurzzeitgedächtnis verloren habe, diese Tage haben sich in mir eingebrannt.
Der 21. August 2016 war mein erster voller Tag zu Hause, nachdem ich fünf Monate vorher mit dem Hirnabszess eingeliefert wurde.
Mein Hauptziel war immer, mich wieder Bewegen zu können. Bewegung bedeutet aktiv sein und ich schreibe viele Artikel im Blog und poste Fotos darüber, was ich dafür alles mache. Das sieht nach einem sehr aktiven Leben aus, dass es auch sein kann. Aber das ist nicht alles.
Die andere Seite, die ich eigentlich nie kommuniziere, ist der Stillstand in meinem Leben. Den muss es auch geben. Ich habe vor viereinhalb Jahren im absoluten Stillstand wieder begonnen, Bewegung in mein Leben zu bringen. So viel ich aktiv bin, der Stillstand und die Ruhe, spielt nach wie vor eine größere Rolle, als alle Aktivität.
Das Verhältnis Ruhe zu Bewegung, fällt eindeutig auf die Seite Ruhe. Die Erholung spielt über den Tag die wohl wichtigste Rolle. Damit hat sicher auch die Muskelschwäche zu tun, die immer wieder Pausen erfordert.
Mit Ruhe wird verschiedenes bezeichnet, wie:
Durch Ruhe erreicht man Erholung, Regeneration und die Rückgewinnung verbrauchter Kräfte, sowie der Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit. Laut Wikipedia bedeutet Erholung auch "wieder gesund werden" und Rekonvaleszenz. Es beinhaltet kräftig und wieder stark werden.
Die beste Erholung erreiche ich, wenn ich mich waagrecht hinlegen kann. Ich brauchte viele Monate, um mich aus der waagrechte wieder in die senkrechte zu begeben. Selbst am Jakobsweg war es immer wieder nötig, mich dann und wann, waagrecht hinzulegen. Es muss für die Erholung zwischendurch nicht lange sein, aber das Gehirn und der Körper findet dabei die beste Ruhe.
Deswegen tue ich mich beim Zelten oder Biwakieren noch so schwer, da ich nicht die Erholung finde, die ich brauche. Am Jakobsweg in Spanien, bin ich schon ab 18 Uhr im Schlafsaal im Bett gelegen und fand so genug Erholung.
Auch zu Hause liege ich über den Tag oft. Es ist wie ein neues Kalibrieren. Dazu kommen mindestens acht Stunden Schlaf, oft an die zehn, die ich mindestens brauche.
Eine Arbeit von mir ist es, diese Zeitdauer zwischen dem waagrecht und senkrechten immer weiter hinauszuschieben. Schwindel und Gleichgewichtsstörungen waren am Anfang recht häufig. Das viele Üben und Training, vor allem der Ausdauer, zeigt Wirkung.
Kann ich mich nicht hinlegen, was unterwegs ja oft der Fall ist, hilft mir zumindest hinsetzen. Selbst aufrechtes Sitzen strengt mich noch immer an. Kann ich mich wo anlehnen, hilft das weiter.
Das ist zum Teil der Muskelschwäche zuzuschreiben, ist aber auch die Folge des Hirnabszesses. Deswegen brauche ich so lange mit der Rehabilitation, weil ich gar nicht die Kraft habe, solange an etwas zu arbeiten. Einerseits limitierte mich der Schwindel oder das Gleichgewicht, andererseits die Kraft.
Für eine kurze Pause kann Hinsetzen helfen, aber das reicht nur zur Erholung. Es ersetzt nicht die waagrechte.
Es reicht nicht, sich nur auf eines zu Konzentrieren, ich muss alles ganzheitlich betrachten. Daher dauert die Rehabilitation auch so lange. Die Muskelschwäche erfordert es, immer abwechselnd zu trainieren. Zwei Tage hintereinander Radfahren funktioniert noch kaum, daher wechsle ich es ab mit Gehen oder Fitnesstraining.
An Tagen mit Denk-Training mache ich kein körperliches Training, es ist aber genauso erschöpfend.
Die weiter unten folgenden Punkte zeigen eine Übersicht, an was ich alles trainieren. Ich kann nicht alles gleichzeitig machen, denn es geht nur eines nach dem anderen. Würde ich einen Monat an einem einzigen Punkt üben, wären sicher Erfolge da, aber die Defizite in all den anderen Punkten würden schlechter werden. Es ist ein genaues abwägen, was gerade wichtig ist, aber trotzdem nichts vernachlässigen.
Ich muss genau in mich hineinhören, was und wie viel genug ist. Eine Stunde Radfahren bedeutet zur Zeit, dass es das war für den Tag. Der Rest ist nur mehr für Erholung da oder für den Haushalt, den ich auch in meine Tagesrechnung mit einbeziehen muss. Mein Spruch aus den Anfangstagen gilt noch immer:
"Meine Energie ist vor dem Tag zu Ende!"
Jörg, 2018
Es kann schon zu viel sein, ein Buch zu lesen. Augen zu, heißt es dann, um mich jeglichem Reiz zu entziehen.
Es ist oft nicht leicht, einen Einblick in meine Rehabilitation zu geben. Ich zeige nur immer wieder, was ich mache und da gar nicht alles, weil es mir in manchen Situationen unmöglich ist, zu fotografieren. Wobei das Fotografieren ein Teil meiner Rehabilitation ist.

Das hängt viel mit meiner Wahrnehmung zusammen, die ich speziell zu schulen versuche. Filmen erfordert noch mehr davon. Obwohl ich Kameramann war, gibt es kaum Filmaufnahmen von mir. Derzeit überfordert es mich noch.
Diese Arbeit daran, nimmt wohl die meiste Zeit in Anspruch. Denn die Bewegung hat auf so vieles Einfluss, nicht nur auf das Gehen, sondern auch zum Beispiel dem Denken. In der ersten Zeit von Corona hat die Bewegung gelitten, das hatte auch auf das Denken seine Auswirkung.
Die Muskelschwäche, die wahrscheinlich von den vielen Medikamenten herführt, hat meine Sauerstoff-Aufnahme verschlechtert und die Reizweiterleitung zerstört.
Sie behindert mich vor allem bei allem was Kraft benötigt. Egal ob Bergauf gehen, Bergauf Radfahren oder Krafttraining im Fitnessstudio. Allein das Aufstehen aus dem Bett, von einem Sessel oder einfach nur vom Boden, fällt mir sehr schwer. Einfachste Bewegungen bedeuten oft einen enormen Aufwand und Verbesserungen dauern lange.
Die Halbseitenlähmung auf der rechten Seite brachte ich erst durch das Pilgern unter Kontrolle. Besonders der Fuß war betroffen und am ersten Camino musste ich sehr aufpassen, die Fußschaufel weit genug zu heben. Erst im Laufe des zweiten, dem Camino Norte, besserte es sich wirklich merkbar.

Die gleiche Bewegung, immer und immer wieder, ist das Rezept. Wiederholung, Wiederholung und nochmal Wiederholung. Irgendwann wird das Bewegungsmuster im Gehirn abgespeichert und es wird automatisch.
Diese Automatisierung wieder lernen, erfordert ein Dranbleiben. Deswegen spreche ich auch nach vier Jahren noch vom Gehen lernen, denn automatisch geht es nur bedingt. Noch ist zu viel Bewusstsein für das Gehen notwendig.
Auch die Schluckstörung hängt mit den beiden erstgenannten Punkten zusammen. Es ist nicht so schlimm, dass ich nicht Essen könnte, aber ich muss langsam kauen und trinken. Die Gefahr des Verschlucken ist sonst zu groß.
Oft glaubt man, ich bin schwerhörig. Dabei ist es die Aufmerksamkeit, beziehungsweise das Single Tasking. Ich muss die Person sehen, die mich anspricht, sonst fühle ich mich nicht angesprochen.
Die Frequenzen überlagern sich und sind alle gleich. Wenn mehrere Personen gleichzeitig sprechen, verstehe ich nichts. Telefonieren mag ich nicht so sehr, weil ich die Person nicht sehe und den Mund beim Sprechen nicht sehen kann. Daher treffe ich mich auch nicht mit mehr als zwei Personen, um mein System nicht zu überfordern.
Am Schwindel und Gleichgewicht habe ich die letzten Jahre sehr viel gearbeitet. Wenn ich aufstehe, brauche ich noch immer Zeit, um mich zu stabilisieren. Diese Zeitdauer konnte ich verkürzen. Es dauert, bis sich mein Gleichgewicht einpendelt. Ruhig und bedächtig muss ich mich bewegen, wenn nicht, muss ich mich schnell hinlegen.
Das Gleichgewicht übe ich, wo ich kann. Am liebsten bin ich im Balance Park. Die Geräte im Park waren zu Corona Zeiten gesperrt. So wich ich in den Wald aus und balancierte über umgestürzte Bäume. Zu Balancieren war eine meiner ersten Übungen und begleitet mich bis heute. Durch die tausenden Pilger-Kilometer gehe ich schon recht sicher. Nur manchmal verliere ich das Gleichgewicht und torkle dann wie ein Betrunkener.

Zum Glück hatte ich nur selten Doppelbilder. Sie traten auf, wenn ich mich überforderte. Es war jedes Mal ein Schrecken und ich musste mich mit geschlossenen Augen hinlegen. Absolute Ruhe ist dann nötig.
Da ich kurzsichtig bin, tue ich mich schwer mit der Handhabung mit Kontaktlinsen und bevorzuge die Brille. Trotzdem verwende ich auch die Linsen, da ich dann bei starkem Sonnenlicht Sonnenbrillen verwenden kann.
Das ist aber nicht ungefährlich, denn ich habe noch zu wenig Gefühl in den Fingern. Die Feinmotorik funktioniert noch nicht so, wie ich es gern hätte.
Das habe ich im gesamten Körper. Mein Schmerzempfinden ist stark verzögert, deshalb koche ich sehr wenig. Heiße Platten, Pfannen oder den Rost im Ofen, spüre ich erst, wenn es zu spät ist. So leide ich immer wieder unter Verbrennungen, Verbrühungen und anderem.
Diese Sensibilität fehlt mir auch im Spüren des Bodens. Das ist ein Grund, weshalb ich am Mariazellerweg die groben Steine fürs Training nutze. Ebenso gehe ich immer wieder barfuß, Kneipe im Wasser oder Wasche mit der Hand die Wäsche. Der Alltag ist dabei immer auch Therapie, deshalb ist es so schwer, ins Leben zu kommen.
Die Wortfindungsstörungen begleiten mich bis heute. Es ist besser geworden, aber ich finde noch heute nicht immer die richtigen Wörter. Ich lese viel, um meinen Wortschatz zu erweitern. Am Camino half mir viel, mich mit anderen in Englisch zu unterhalten.
Oft wusste ich ein Wort nicht auf Englisch und versuchte es zu umschreiben, bis der andere merkte, was ich meinte. Ich übersetzte es dann in Google Translate auf Deutsch und so hatte ich wieder ein neues Wort.
Die Sprechstörung betrifft aber auch das Sprechen. Durch die Halbseitenlähmung ist meine Gesichtshälfte nicht so
Normalerweise geht ein Hirnabszess mit epileptischen Anfällen einher. Das muss nicht immer ein Muskelzucken am ganzen Körper oder mit Schaum vor dem Mund sein.
Bei mir traten bisher zum Glück keine Anfälle auf, aber es gibt natürlich die verschiedensten Stufungen.
An all diesen Defiziten leide ich und versuche es zu verbessern. Es hält mich auch nach viereinhalb Jahren noch davon ab, ein normales Leben zu führen. Zu groß sind die Defizite, aber ich habe vieles Verbessern können oder mich daran besser gewöhnen können.
Eine weitere Folge sind die psychischen Veränderungen, die ich wieder in den Griff bekommen möchte. Dazu zählen neben dem körperlichen:
Das klingt alles recht dramatisch, aber ich lerne damit umzugehen und es gibt natürlich viele Abstufungen, die aber unter diese Punkte fallen. Ich werde in einem der nächsten Beiträge näher darauf eingehen, wie meine Rehabilitation dabei ausschaut.
Diese speziellen Tage sind immer eine gewisse Herausforderung für mich. Ich werde sie meistern, denn mein Blick geht nach vor. Der Hirnabszess und seine Folgen sind auch im fünften Jahr ein tägliches Thema und nach wie vor, jeden Tag enthalten, genauso wie die Rehabilitation. Ich werde aber wieder öfter "zu Leben" einbauen.

Den Spruch halte ich mir immer vor Augen, wenn wieder einmal alles zu viel wird:
"Es ist gut, wie es ist, weil es ist und nicht weil es gut ist!"
Meine Rehabilitation geht weiter!
Das Gehen brachte mich mittlerweile viermal zum Jakobsweg nach Spanien. Dort konnte ich die für mich wichtigsten Emotionen, nämlich Glück und Freude, in einem guten Umfeld kultivieren. Corona hat das verändert und so bin ich zu Hause unterwegs, am Mariazellerweg.
Es ist zwar nicht dasselbe wie in Spanien, aber zumindest versuche ich das Glücklichsein und die Freude auch hier zu Leben. Aus Budgetären Gründen übernachte ich im Zelt oder Biwaksack und investiere das Geld lieber in Essen und Verpflegung.
Mitte Juni war ich das letzte Mal für mehrere Tage am Weststeirischen Jakobsweg unterwegs. Es wurde wieder einmal Zeit, dem Alltag zu entkommen und etwas anderes zu machen. Nur so bleibt mir die Motivation erhalten, dranzubleiben.
Mitte Juni war ich das letzte Mal für mehrere Tage am Weststeirischen Jakobsweg unterwegs. Es wurde wieder einmal Zeit, dem Alltag zu entkommen und etwas anderes zu machen. Nur so bleibt mir die Motivation erhalten, dranzubleiben.

Ich habe mich sehr kurzfristig dafür entschieden, dass ich losgehen wollte. Zurzeit sind immer sehr viele Gewitter, so nutze ich mögliche Tage dazwischen, die nach Möglichkeit Gewitter frei sind.
Da ich von meinem Zuhause den Weststeirischen Jakobsweg oder nach Mariazell Pilgern kann, war diesmal der Mariazellerweg dran. Ob ich ganz nach Mariazell gehen wollte, entschied ich erst unterwegs, da gemischtes Wetter vorhergesagt wurde.

Der Mariazellerweg führt über die Berge, die 1000 bis 2000 Meter hoch sind. Mein Gesundheitszustand ist noch nicht so, dass ich genug Reserven habe, um für schlechtes Wetter in alpinen Gelände gerüstet zu sein. Dazu kommt das Gewöhnen an das Schlafen im Freien. So toll es ist, es kostet in Kombination mit dem Gehen zu viel Energie.
Ich wollte einfach losgehen, denn jeder Schritt und jeder Meter, den ich gehe, hilft mit in der Rehabilitation. Nicht Bewegen bedeutet bei mir Rückschritt. Wenn ich nicht mehr weiter kann oder möchte, gehe oder fahre ich eben wieder nach Hause. Das wichtigste ist Freude zu haben.

Im ersten Licht gehe ich los. Mein erstes Ziel ist Semriach, von dem mich aber zwei Berge trennen. Ich kenne die Gegend noch vom Radfahren, trotzdem ist es zu Fuß anders, denn man erhält einen völlig anderen Blickwinkel. So genieße ich den erwachenden Morgen und gehe unter dem Zwitschern der Vögel, bei blauem Himmel, durch die Hügel hinter Gratkorn.
Nach etwa drei Stunden bin ich in Semriach angelangt. Am Brunnen neben der Kirche fülle ich meine Wasserflaschen auf, denn mittlerweile ist es schon sehr warm. Auf der Straße geht es weiter zum Rechberg, dem nächsten Zwischenziel.

Am Weg ziehen schwarze Wolken auf und für 13 Uhr ist ein Gewitter vorausgesagt. Ab dem Pass geht es meist auf Forststraßen in Richtung Teichalm weiter. Unterwegs bereite ich mich darauf vor, mich irgendwo unterzustellen zu können. Um Punkt 13 Uhr fängt es an zu Regnen und ein komischer Donner beginnt, nicht mehr aufhörend.
Ich stelle mich unter, um vom ersten Regenguss nicht durchnässt zu werden. Blitze sehe ich keine, nur der Donner begleitet mich noch lange, auf dem Weg zur Teichalm. Es regnet nur leicht und so gehe ich weiter, auf ein schwarzes Wolkenmeer zu, dass nichts Gutes erhoffen lässt. Kaum habe ich die Teichalm erreicht, beginnt es wie aus Kübeln zu schütten.
Mit einem so langanhaltenden Gewitter habe ich nicht gerechnet, denn über drei Stunden zieht es sich jetzt schon hin. Ich setze mich in den dortigen Gasthof, um das Unwetter abzuwarten.
Nach über einer Stunde breche ich beim ersten Aufhellen auf und überlege was ich jetzt mache. Die nächste Busstation ist über zwei Stunden entfernt und den letzten Bus erreichte ich dort somit nicht mehrt. So bleibt mir nichts anderes übrig, als weiterzugehen und es schaut gar nicht so schlecht aus.

Es klart auf und wird wieder schön. Die Wiesen, Almen und Wege sind zwar nass, aber gut begehbar. Einzig der Wetterbericht macht mir Sorgen, denn er sieht für die Nacht noch ein Gewitter um ein Uhr früh vor. Es ist aber die den ganzen Tag herrschende Schwüle weg und mein Gefühl sagt mir, dass es eine Nacht ohne Gewitter wird.
Da ich zum Gasthof ein paar Meter vom Weg abgewichen bin, bin ich nach einem kurzen Umweg wieder am Mariazellerweg. Eine tolle Lichtstimmung genieße ich und lasse mir Zeit.


Mit was ich nicht gerechnet habe, zeigt mir gnadenlos die Defizite auf. Der Weg ist übersät mit Kuhfladen. Ich komme nicht umhin, immer wieder über einige drüber zusteigen. Wenn ich dann nicht sauber den Fuß hebe, streife ich unweigerlich mit dem Schuh durch den Dreck.

Da ist es vorbei mit dem automatischen Gehen. Ich muss genau auf die Füße schauen und das Anheben beobachten und willentlich steuern. Durch das nasse Gras bleiben meine Schuhe einigermaßen sauber, allerdings riechen sie streng. So komme ich immer wieder in Situationen, in denen mich meine Defizite behindern. Lieber hätte ich Augen für die Schönheit der Landschaft gehabt, aber wieder einmal klebt meine Sicht am Boden.

Ich habe noch keinen Weg in Österreich erlebt, wo so viele Kreuze und Marterln stehen. Das ist halt ein richtiger Wallfahrerweg.




Ich war mir unschlüssig, soll ich biwakieren oder die Nacht durchgehen. Es war die Nacht der Perseiden und sicher sehenswert. Trotzdem stoppte ich um 21 Uhr und legte mich hin. Es war bereits finster. Der Tag war schwerer als gedacht und kostete mir mehr Energie, als angenommen.
An einem Rastplatz unter Bäumen legte ich meinen Biwaksack hin, blies die Matte auf und stieg in den Schlafsack. Augenblicklich schloss ich die Augen und dämmerte dahin. Ich war neugierig, wie ich auf das Schlafen im Freien reagierte. Denn soviel ich Gehen konnte, es bedarf noch viel Erholung, die ich im Zelt oder Biwaksack bisher nicht fand.

Nach Mitternacht wachte ich auf und obwohl ich unter Bäumen lag, war der mit Sternen überhäufte Himmel zu sehen. Ich war aber so gerädert vom Vortag, dass ich nicht aufstand, um die Sternschnuppen der Perseiden zu beobachten. Da der Himmel recht klar war, brauchte ich mich nicht um die vorhergesagten Gewitter in der Nacht zu sorgen.
So blieb ich im Biwaksack liegen und fand einen unruhigen Schlaf, der bis in die Früh hinaus dauerte. Um fünf Uhr stand ich auf, packte zusammen und war nach 15 Minuten wieder unterwegs.
Da ich recht hoch oben war, sah ich die Sonne zwischen den Bäumen sehr früh aufgehen. Die Täler unter mir waren im Schatten, unter einer dicken Nebeldecke.
Am Berg war es traumhaft schön und erzeugte eine glückliche Stimmung in mir. Trotz der Mühen und Müdigkeit, war ich voller Freude, das erleben zu dürfen. In solchen Momenten spüre ich Demut, denn es ist nicht selbstverständlich, an dieser Stelle zu stehen. In solchen Momenten bin ich dankbar dafür, in der Rehabilitation immer weiter gemacht zu haben, auch wenn alles dagegen sprach.

So schön der Morgen bisher war, sollte mir noch allerhand bevorstehen. Die Wanderwege wurden steiniger und es wurde ein Sensomotorik-Training daraus. Konzentriert stieg ich über die den felsigen Weg.
Ich erinnerte mich an meinen ersten Camino Frances. Auch dort hatte ich felsigen Untergrund, über den ich damals mehr stolperte, als das ich gehen konnte. Noch spürt mein Fuß nicht die Stellung am Boden, aber es geht besser als vor zwei Jahren. Viel bringt mehr, das habe ich mittlerweile gelernt.


Nach einer kurzen Pause kam das nächste, der Abstieg nach Mitterdorf. Er war sehr lang und bedeutete Schwerstarbeit für meine Oberschenkel. Der Weg brachte mich an die Grenze, aber ich schaute darauf, dass es mir trotz der Anstrengung guttat. Dieses Gespür, was mein Körper verträgt, habe ich in den letzten Jahren optimiert.
Manchmal muss ich auch über diese Grenze gehen, denn nur dort ist Fortschritt möglich. An diesen beiden Tagen war es wieder einmal soweit. Mehrere Tage Erholung sind dann notwendig, aber dann habe ich wieder einen weiteren Schritt auf meinem Weg zurück ins Leben erklommen.

Am Schluss tauchte ich dann im Wald in den Nebel und war bald darauf in Mitterdorf. Ich hatte mich schon in der Nacht entschlossen, von hier nach Hause zu fahren. Die beiden Tage waren gut dafür, mich an diese Verhältnisse zu gewöhnen. Ich hatte ungefähr den halben Weg am Mariazellerweg von Graz nach Mariazell geschafft.
So steht in erster Linie das Gewöhnen an die hiesigen Verhältnisse am Programm. Im Moment konzentriere ich mich voll und ganz auf die Natur und versuche hier Verbesserungen zu erzielen. Jeder Schritt und Tritt ist dafür da, wieder ein einigermaßen "normales" Leben führen zu können. Der Weg dorthin ist oft steinig, aber ich bin mehr als froh und dankbar, schon so weit gekommen zu sein.
Die Folgen des Hirnabszesses haben mich mehr Hochsensibel gemacht, die in der Kombination mit dem Hirnabszess schwer zu handhaben ist. Alle meine Filter im Gehirn wurden geöffnet und jeder Reiz dringt ungefiltert in mich. Wichtiges von Unwichtigen zu unterscheiden lernen, ist gar nicht so leicht.
Mein "Weg zurück ins Leben" scheint mit dem Jakobsweg und mit dem Beginn des Radfahrens für viele Vollzogen, aber dem ist noch nicht so. Solange der Tag von meinen Defiziten geprägt ist, solange werde ich an mir weiterarbeiten.
Die Kunst wird es wieder werden, trotz dieser Defizite Leben zu können. Ich war schon auf einem guten Weg, allerdings hat Corona sehr viel für mich verändert. Im Moment lenke ich mich ab und es ist kein Problem, in eigentlich allem was ich mache, Therapie zu sehen und nicht nach Graz zu fahren. Durch die Stadt zu spazieren, Straßenbahn fahren lernen oder ins Kino zu gehen, habe ich derzeit aufgegeben. Damit fällt vieles weg, an was ich mich in den letzten eineinhalb Jahre gewöhnen wollte.

Hochsensible Menschen nehmen Dinge einfach anders wahr. Die Filter im Gehirn sind durchlässiger und das Gehirn muss mehr verarbeiten. Man nimmt mehr wahr, wie Gerüche, Stimmungen oder die Gestik in den Gesichtern von Mensch und Tier. Das kann mit der Zeit sehr anstrengend und auslaugend sein, wenn man nicht gelernt hat, alles in entsprechende Kanäle fließen zu lassen.
Das alles ist bei mir zu einer Herausforderung geworden, es unter einen Hut zu bekommen. Der Hirnabszess lässt mich nur auf eines Fokussieren, meistens auf die Bewegung. Rede ich während beim Hinunter- oder Hinaufgehen über eine Stiege, wäre die Gefahr eines Sturzes groß. Meine Konzentration gilt dort nur der Bewegung, denn es gibt keine Automatik mehr. Deswegen stresst jeder zusätzliche Eindruck.

Die Menge an Eindrücken erschwert mir das Gehen lernen. Ich habe mehr Reize im Gehirn zu verarbeiten, zusätzlich zur Technik des Gehens und das macht es nicht einfach. Deshalb ist auch das therapeutische Tanzen so gut für mich.
Klar, ich bin mittlerweile drei Caminos in Spanien gegangen. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich deswegen Gehen kann. Noch immer ist es mein Ziel, automatisch Gehen zu können. Es funktioniert nur in Teilbereichen, in anderen aber gar nicht. Gerade der Lockdown hat mir ohne zu wissen warum, viel an dieser Automatik gekostet.
Beim Tanzen kann ich experimentieren und meine neurologischen Probleme kombinieren mit der Hochsensibilität. In meinem Tempo und mit ruhigen Bewegungen, an schneller tanzenden Vorbeibewegen. Wie nehme ich das wahr? Was strengt mich dabei an und wie kann ich mich wieder wahrnehmen, trotz der Bewegung um mich. So lerne ich in einem geschütztem Rahmen, mich diesem Stress auszusetzen.
Das Gehen lernen hat durch das therapeutische Tanzen eine neue Qualität bekommen.
Meine Filter sind durchlässiger als bei anderen. Das kann Fluch oder Seegen sein. Die Jahre vor dem Hirnabszess war es ein Seegen und von mir gar nicht so anders wahrgenommen. Es artete nie in Reizüberflutung oder Stresssymptome aus.
Jetzt ist es anders und seit Corona nochmals anders. Seit Anfang März war ich zweimal in Graz, also in der Stadt. Mein Gewöhnen an den Stress in der Stadt hat ein jähes Ende damals genommen. Aber dieses Nicht-Aussetzen hat meinen Körper ruhiger gemacht.
Reize setze ich sehr dosiert ein, besonders stressige. Diese ermüden mich sehr schnell. Andererseits setze ich täglich viele Trainingsreize, aber nur mir zuträgliche. Ich habe Radfahren begonnen, das war bisher wegen der Reizüberflutung nicht möglich. Es ist wie beim Gehen lernen, Step by Step, verschiebe ich immer weiter die Grenzen. Nach zwei Monaten konnte ich beginnen, dass Straßenrad zu verwenden. Bisher war nur das Mountainbike im Einsatz,
Dazu therapiere ich sehr viel zu Hause, mit diversen Geräten oder gehe in den Wald. Diese positiv gesetzten Reize ermüden mich zwar auch, aber alle schädlichen Nebenwirkungen fallen weg. Das Ziel ist es, jeden Tag glücklich schlafen zu gehen.

Viel Schlaf und Erholung sind das andere. HSPs brauchen mehr Zeit zum Regenerieren und müssen sich die Kraft genau einteilen. Mein Akku an Energie reicht nur für eine gewisse Zeit. Daher spreche ich oft von "...der Tag ist länger, als meine Energie reicht". Ich spüre regelrecht, wie mein Batteriestand fällt.
Durch die Feinfühligkeit, die schon mein Leben lang habe, spüre ich genau, wann es genug ist für meinen Körper und wann ich eine Pause brauche. Es ist vergleichbar mit einem Grenzgang, wie früher ein Extremrennen. Damals schon legte ich es in mir an, meine Grenzen zu kennen. Es war immer gut, ein wenig besser trainiert zu sein, als meine Gegner oder die Herausforderung. Damit brauchte ich mich nie in einen für mich negativen Stress begeben oder besser gesagt, sehr selten.
Ich verbringe sehr viel Zeit im Bett, um zu dösen oder zu schlafen. 10 Stunden in der Nacht durchzuschlafen sind keine Seltenheit. Ab Nachmittag geht es mit mir bergab. Alle Aktivitäten setze ich daher an den Anfang des Tages und ich kann regelrecht beobachten, wie mein Akku im Verlauf des Tages weniger wird.
Darin habe ich die meiste Arbeit noch vor mir, denn damit ich den Hirnabszess überstehen konnte, wurden alle Gefühle und Emotionen vom Thalamus quasi ausgeschaltet. Ich spürte aber weiterhin die Zustände anderer Menschen. Allerdings konnte ich sie nicht benennen, dafür waren die Wortfindungsstörungen zu groß. Im Gehirn war alles klar, aber die Verbindung zur Sprache war gestört. Ich konnte nur schauen, beobachten und spüren. Ich konnte es nicht einordnen und daher schwieg ich.
Manchmal wollte ich mich Besuchern im Krankenhaus gegenüber mitteilen, aber es kamen für sie nur undefinierbare Wortversuche heraus. Mir fiel das gar nicht auf, denn ich hatte mir die Wörter im Kopf zurechtgelegt. Das etwas anderes aus meinem Mund herauskommt, konnte ich nicht erfassen.
Dieses einfühlen in andere Menschen kann auf Dauer sehr anstrengend sein. Nach der Zeit als Rennfahrer übte ich mehrere Jahre lang den Beruf als Energetiker aus. Es ist eigentlich eine Gabe, dafür hochsensibel zu sein. Abgrenzung ist sehr wichtig und das beherrschte ich sehr gut.
Ich verwendete ein Gerät, dass die Energieströme im Körper sichtbar machte. Anhand der Grafiken wurde sichtbar gemacht, wo es im Körper zu Energieüberschuss oder Defiziten kam. Im Grunde brauchte ich dieses Gerät gar nicht, aber es war für andere leichter nachvollziehbar, wo die Problematik liegt.

Wenn der Kunde bei der Tür hereinkam und ich ihn sah, wusste ich sofort, was Sache ist. Man nimmt alles wahr und verarbeitet es in Sekundenbruchteilen. Den Gang, den Gesichtsausdruck und feinste Konturen im Gesicht. Die Messung war nur mehr eine Überprüfung, von dem, was ich spürte.
Gleich fühlte und spürte ich auch gegenüber mir selbst, leider hörte ich nicht immer darauf. Denn diese Gabe wurde zu meinem Fluch. Für mich selbst fand ich immer weniger Lösungen und mein Umfeld verstand mich nicht, wie auch ich mich nicht oft zu artikulieren wusste. So entstand mit der Zeit der Hirnabszess. Ich implodierte, anstatt zu explodieren.

Statt mein Herz zu kultivieren, konnte oder wollte ich nur mehr alles mit dem Denken analysieren. Immer öfter verlernte ich auf mein Herz zu hören. Perfektionismus stand für mich weit vorne, eine weitere Sache für Hochsensible. Es war nie etwas zu Ende und immer hatte ich noch was zu verbessern oder wollte etwas noch besser machen.
Besonders beim Filmen kam das hervor. Mein Gehirn arbeitete auf Hochtouren, denn es gab immer noch eine bessere Bildeinstellung oder eine andere Idee. Es dauerte lange, bis ich ein Ende, ein Ende sein lassen konnte.
Am schwersten ist mir die Empathie in der Beziehung gefallen und sie ist schlussendlich auch daran zerbrochen. Nach dem Hirnabszess stand ich in allem auf null, hatte alles neu zu lernen. Der Thalamus störte nicht nur meine Bewegung, er hatte auch großen Einfluss auf meine Gefühle und Emotionen.
Dass das Auswirkungen sein können, hat mir nie jemand gesagt. Nach dem Krankenhaus war ich alleine auf mich gestellt. Alles musste ich mir selbst erarbeiten. Ich musste erst lernen, Entscheidungen zu fällen, was auch dem Bereich des Thalamus zufällt. Zur Idee mir Hilfe zu holen, kam ich erst spät. Mein Gehirn funktionierte ja nicht, es gab keinen Gedanken dazu, was mir helfen könnte. Erst wenn ich mir dessen bewusst war, konnte ich einen Schritt weitergehen.
So begann ich erst im letzten Jahr eine Traumatherapie, weil ich erkennen durfte, nicht alles alleine bewältigen zu können. Ich las viele Bücher und Zeitschriften über das Gehirn, über Lebensführung und anderes. Aber mir fehlte das selbständige Denken. Es fehlt die Fähigkeit, etwas alleine durchzudenken oder noch besser, gleich meinem Gefühl vertrauen zu können.
Mit dem Hirnabszess hatte ich alles Vertrauen in mich verloren, wie sollte ich da jemanden anderem vertrauen. Ein erster Schritt war im Krankenhaus, jedem dahingehend zu Vertrauen, dass dort alles nur zu meinem besten geschieht. Ich konnte nicht an Hochsensibilität denken, aber ich lernte meinem Instinkt zu vertrauen, der die Sensibilität mit einschloss.

Die Trennung brachte mich wieder an den Anfang zurück. Es war ein Vertrauensbruch, in einer Zeit, wo ich um jeden Millimeter Fortschritt kämpfte. Meine Hochsensibilität war Fluch und Seegen zugleich.
Das Ende der Beziehung war auch das Ende einer Struktur, die mir Halt gegeben hat. Mein Harmoniebedürfnis war empfindlich gestört und ich konnte nicht verstehen, was gerade passiert ist. Noch heute fehlen mir angemessene Worte und Handlungsmuster. Das überforderte mich, denn Handlungsmuster hatte ich keine, habe ich doch das Leben neu zu lernen und bin gerade bei den Basics.
Wir Hochsensiblen vertragen es nicht, wenn es ungerecht oder respektlos zugeht. Dazu kommt noch, dass ich wie ein Kind, nicht verbal für mich eintreten kann. Die Wortfindungsstörungen überrollten mich. Ich hatte mit mehreren Fronten zugleich zu kämpfen. Nur langsam beginne ich mich zurechtzufinden.

Für Hochsensible kann es gut sein, sich ihre Wut zu erlauben. Der Hirnabszess war ja nichts anderes als eine in sich gekehrte Wut, die sich lange aufgestaut hatte. Zu lange habe ich selbstzerstörerisch gehandelt, fand aber keinen Ausweg daraus. Hätte ich früh genug hingeschaut und gehandelt, hätte ich mir den Hirnabszess ersparen können.
So heißt es jetzt damit zurechtkommen, wie es ist und das Beste daraus zu lernen. Und so wie ich tagtäglich an meinen Defiziten arbeite, habe ich auch geistig, mental an mir zu arbeiten.
Zum Beispiel dieser Blog. Ich hatte zum Lernen, dass ich etwas sein lassen muss. Kein endloses überarbeiten, schreiben und nicht perfekt sein. So wie es ist, ist es.
Ich darf glücklich darüber sein, was ich bisher schon erreicht habe.
Anfang Mai konnte ich wieder erstmals mit dem Radfahren beginnen. Es wurde ein herantasten an eine Bewegung, die ich Jahre zuvor verinnerlicht habe. Daher erwartete ich mir einiges davon und wie es scheint, auch nicht unberechtigt.
Es hilft mir, meine Reaktion und Wahrnehmung zu steigern. Die brauche ich für den "normalen" Alltag, egal ob fürs über die Straße gehen oder in besonders stressigen Situationen. Seit dem Lockdown bin ich wesentlich anfälliger dafür und habe körperlich abgebaut. Das Radfahren kann mir neue Impulse dazu bringen und die Schnelligkeit meiner Wahrnehmung hinaufsetzen.
Nachdem das Pilgern unter den derzeitigen Verhältnissen für mich nicht möglich ist, brauchte ich dringend Ersatz. Hatte ich das letzte Jahr noch versucht, wieder "Leben" zu lernen, besteht mein Alltag seit Corona wieder aus Therapie und einzig aus dem Ziel, meine Defizite zu verringern. Langsam finde ich mich in diesem Rhythmus zurecht.

Vor einem Jahr war mein Gehirn noch weit überfordert mit Radfahren. Nach nur wenigen Metern nahm der Schwindel überhand, dazu die Gleichgewichtsprobleme und zwangen mich schnell stehen zu bleiben und die Augen zu schließen. Es war dann ähnlich, wie wenn man betrunken vom Rad steigt und der Boden unter einem schwankt. Meist brauchte ich lange, um mich davon zu erholen.
Die muskulären Defizite waren das nächste. Ich bin innerlich so instabil, dass es mir enorme Kraft abverlangt, am Rad nur sitzen zu können. Mein Bindegewebe, die Faszien und Muskeln sind aufgrund der Muskelschwäche so stark zurückgegangen, dass ich wie eine Marionette mit schwach gespannten Fäden wirke. Das fällt nach außen hin ja nicht so auf, aber ich benötige viel Disziplin, um gerade und aufrecht stehen und gehen zu können. Gerade der Lockdown hat mir viel Automatismus gekostet, den ich mir jetzt wieder aneignen muss.
Die Nackenmuskulatur ist auch heute noch schwach und zeigt mir schnell das Limit auf. Gerade beim Radfahren ist sie sehr wichtig. Nach einer halben Stunde kann ich kaum mehr den Kopf heben. Selbst jetzt nach vier Jahren, verbessert es sich nur langsam. Mehrere Monate kein Fitnessstudio, zeigen ihre Auswirkung.
Radfahren benötigt so viele Muskelgruppen und vor allem andere als beim Gehen. Im Grunde genommen geht es mir ähnlich wie zu der Zeit, als ich wieder Gehen lernte. Vor allem die Reaktion in der Verbindung mit der Geschwindigkeit, habe ich zu lernen. Wenn mir beim Gehen etwas zu schnell ist, kann ich stehenbleiben und die Augen schließen, am Rad geht das nicht.
Dieses Zusammenspiel von mehreren Faktoren ist mein neues Ziel. Was nehme ich wie schnell wahr, das ist beim Radfahren extrem wichtig. Meine Reaktion messe ich zum Beispiel, beim über die Straße gehen. Als ich mich vor vier Jahren zum ersten Mal im Straßenverkehr bewegte, war ich heillos überfordert damit. Ich brauchte oft zehn Sekunden, um zu erkennen, ob etwas von links kommt, dann nochmals rechts und wieder zurück. So brauchte ich bis zu einer Minute, um eine freie Straße zu überqueren. Beim Radfahren ist eine noch schnellere Wahrnehmung notwendig.

Den Anfang machte ein einfaches dahinrollen auf Asphalt oder guten Wegen und abseits vom Straßenverkehr. 10 Minuten waren mehr als genug und das nicht jeden Tag, sondern maximal jeden zweiten bis dritten Tag. Dazwischen brauche ich Erholung und diese Zeit musste ich mir geben. Zuviel des Guten erfordert mehrere Tage Erholung. Langsam konnte ich so Tag für Tag die Zeitdauer hinausschieben.
Mir kommt mein gutes Körpergefühl zugute, dass ich in vielen Jahren Leistungssport antrainiert habe. Es half mir dabei, nicht aufzugeben und genau auf meinen Körper zu hören, was er braucht. Die später gelernten Erfahrungen als Energetiker im Energiebereich des Menschen, zusammen mit den Jahren im Sport, waren heute gesehen wichtige Lehrjahre, für ein weiterleben nach dem Hirnabszess.
Ich hatte als Radfahrer zwar einen Trainingsplan, trainierte aber trotzdem nach Gefühl. Dieses Gespür für den Körper, das ich damals lernte, ist heute meine wichtigste Ressource. Es lässt mich genau spüren, welche Belastung gut tut und welche nicht.
Wenn ich vom Rad absteige, schwanke ich, als ob ich von einem schaukelnden Schiff komme. Der Gleichgewichtssinn benötigt seine Zeit, um sich wieder einzupendeln und mein Körpersystem braucht lange, bis es sich wieder stabilisiert. Langsam beginne ich mich daran zu gewöhnen und das Allgemeinbefinden verbessert sich.
Trotzdem brauche ich noch Zeit, mich hinzulegen. Ruhe und die Horizontale ist noch immer am besten, mich wieder unter Kontrolle zu bekommen. Beim Gehen legte ich mich immer wieder lang ausgestreckt auf eine Bank und dasselbe mache ich auch beim Radfahren. Ziel ist es, diese Zeitdauer Schritt für Schritt zu erweitern.

Schritt für Schritt und Kilometer um Kilometer erweiterte ich so meinen Radius. Nach zwei Wochen gelangte ich zum ersten Mal zum nahen Radweg und konnte fünf Kilometer zurücklegen. Jedes Mal kam ich weiter. Ich fühlte mich wie am Anfang mit dem Gehen lernen, wo ich mir jeden Meter mit langem Üben erkämpfte.
Vor vier Jahren lag ich im Krankenhaus und konnte nicht mehr gehen. Selbst das Aufrichten war nicht möglich. Ich verlor die Kraft in jedem Muskel und musste selbst kleinste Bewegungsabläufe neu lernen. Mein Nervensystem funktionierte nur bedingt und Bewegungen wurden durch die neurologischen Störungen fast unmöglich.
Es war wichtig, diese Störungen nicht als gegeben hinzunehmen. Ich brauchte fast zwei Jahre, bis ich wieder eine Nadel vom Tisch aufheben konnte. Ich erinnere mich noch an eine Ärztin, die mir zwei Jahre nach dem Hirnabszess sagte, ich soll mich darauf einstellen, dass sich nicht mehr viel verbessern lassen wird, denn nach zwei Jahren ist nicht viel Verbesserung mehr zu erwarten.
Hätte ich ihr geglaubt und mich mit dem damals erreichten zufriedengegeben, hätte sie recht damit gehabt. Das habe ich aber nicht und habe ausschließlich an mich geglaubt. Wer hätte damals daran geglaubt, dass ich dreimal am Camino in Spanien gehen kann und fünf Jahre später mit dem Radfahren beginne. Und das ist noch lange nicht das Ende!

Der Spruch...
"Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen!"
...treibt mich noch heute an, nicht aufzugeben. Dabei ist es nicht so wichtig hohe Ziele zu erreichen, als den inneren Frieden zu finden. Vielen ist das nicht möglich, meist aber, weil sie es gar nicht anstreben. Ich kann sagen, dass ich dem immer näher komme.
Da mir das Unmögliche wohl nie ausgehen wird, habe ich noch viel vor mir. Dabei darf ich aber nie den inneren Frieden vergessen, denn ihn kann ich auch mit Behinderung erreichen. Krampfhaft unbedingt etwas erreichen zu wollen, würde diesen stören.
Ich bin des Öfteren mit meinem Freund Harry unterwegs. Von ihm lernte ich in meiner Zeit als Radrennfahrer alles über Bewusstseinsbildung, dazu weiß er alles wie du den Körper und Geist trainieren kannst und ist eigentlich mein Personaltrainer, wie ich mir keinen besseren vorstellen kann.
Der Weg zurück ins Leben bekam durch das Radfahren einen neuen Schub, wie ich es mir nach Corona nicht gedacht hätte.

Die ersten zwei Monate verbrachte ich ausschließlich auf dem Mountainbike. Die dicken Reifen gaben mir eine Sicherheit und ich konnte mich langsam daran gewöhnen. Seit 10 Tagen verwende ich auch das Straßenrad. Es gibt ein Gefühl von Freiheit, so leicht dahinzurollen.
In die Stadt oder zu viel Verkehr vermeide ich noch. Die kleinen Nebenstraßen und Radwege in Graz Nord sind genau richtig für mich.
Von der Reaktion als Rennfahrer bin ich weit weg, aber ich werde besser. Geschwindigkeiten über 25 km/h sind für meine Augen allerdings noch zu schnell.
Am meisten überrascht bin ich über meine Stabilität am Rad, da hat sich in den letzten Monaten am meisten getan. Beim Sitzen auf einem Sessel habe ich allerdings noch immer das Problem, dass ich noch zu wenig Kraft habe, lange aufrecht sitzen zu können.

Mit der Entscheidung im April die Therapie in den Vordergrund zu stellen, stoße ich natürlich wieder schnell an meine Grenzen. Der Tag ist länger, als meine Energie reicht. Radfahren und einkaufen geht sich zum Beispiel nicht am selben Tag aus.
Gehen musste ich für das Radfahren wesentlich zurückstellen und mehr Zeit für die Erholung musste her. Eine dreiviertel Stunde Radfahren ist wie mehrere Stunden Gehen. Diese neuen Bewegungsmuster bringen mich wesentlich schneller ans Limit und ich ermüde schnell.
Das Gehirn ist mit den vielen Eindrücken sehr gefordert und verbraucht mehr Energie. Ich brauche deswegen viel mehr Pausen und Erholung.
In Summe bringt es mir aber so viel mehr, auch wenn ich nicht so leistungsfähig bin. Es ist nach wie vor ein Vorankommen "Step by Step" und es dauert nach wie vor länger, bis wirkliche Erfolge sichtbar werden.
Ich trainiere täglich 24 Stunden, um besser zu werden. Das Pilgern fehlt mir, aber das Training der letzten vier Jahre gibt mir recht. Ohne mein Tun in den letzten Jahren, wäre Radfahren nicht möglich geworden. Ich werde weitermachen und weiterhin auf mein Gefühl hören, was mir guttut. So komme ich meinem Ziel, "zurück ins Leben", immer näher.
Die Rehabilitation hat mich wieder eingeholt oder besser gesagt, ich habe mich bewusst dafür entschieden. Durch das Erlernen von Radfahren, möchte ich meine Wahrnehmung verbessern und die Muskelschwäche besser in den Griff bekommen.
Der Lockdown hat mich schwer erwischt und ich brauchte doch lange um mein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Leben lernen, dass konnte ich erstmal streichen. Soziale Distanz spricht all dem entgegen, was ich mir mühsam in den letzten Monaten und am Camino aufgebaut hatte.

Am Camino habe ich große Fortschritte gemacht und ich freute mich schon, das Gelernte zu Hause in Anwendung zu bringen und weiter zu Verfolgen.
Im Nachhinein bin ich glücklich, mich für den Camino Frances im Jänner entschieden zu haben. Das Gefühl wieder zu leben, hatte ich noch nie so intensiv wie diesmal gespürt. Die Freude am Gehen ließ mich keinen Tag aus, es war mein neues Leben.
Langsam bekomme ich wieder einen geregelten Tagesablauf zu Hause, wie ich am Camino einen hatte. Er ist mein Vorbild und es zeigte mir, dass der Camino zu Hause erst richtig weiter geht. Was hilft es mir, wenn es mir nur unterwegs gut geht?
Viele sehen nur das Abenteuer Jakobsweg, dass zweifelsohne ein Abenteuer ist, dass es zu bestehen gilt. Aber der hauptsächliche Grund ist der, dass ich meine dort gelernten Fähigkeiten, zu Hause im Alltag einsetzen möchte.

Die ersten Wochen in der Krise war ich damit beschäftigt, mir neue Routinen anzueignen. Ohne Anleitung von einem Therapeuten, versuchte ich meinen Weg zu finden. Die Herausforderung war es, ohne zusammenhängende Gedanken führen zu können, einen Weg zu finden, der mir hilft.
Leben zu lernen, ist mir derzeit mit den alten Vorgaben praktisch nicht möglich, darum habe ich beschlossen, wieder mehr Therapie einfließen zu lassen. Es ist eine Gratwanderung, denn vor zwei Jahren war ich gedanklich knapp am Aufgeben, weil mein Leben nur aus Therapie bestand.
Ich bin schon zu weit gekommen, daher gibt es auch kein Aufgeben. Trotzdem musste ich mir etwas Neues einfallen lassen, als gleich weiterzumachen. In der Muskelschwäche bin ich praktisch nicht weiter gekommen. Sie verhindert vieles und lässt mich in vielem permanent ans Limit stoßen.
Ein Erfolg der letzten Zeit ist das Senken meines Pulses gewesen. Weniger Pulsschlag heißt weniger Arbeit für das Herz, wie bei einem Auto. Fast vier Jahre war ich zu hochtourig unterwegs. Seitdem tue alles, um ihn wieder zu beruhigen. Ein Ergebnis von mehreren tausend Kilometern gehen.
Seit kurzem ist jetzt mein Ruhepuls viel niedriger und er schnellt nicht bei jeder kleinsten Bewegung nach oben. Das viele Gehen im unteren Bereich zeigte endlich Wirkung. Darüber bin ich so glücklich, denn es ist ein wichtiger Meilenstein.
An meiner Kraftlosigkeit änderte sich bisher kaum was, trotz des vieles Gehen und Trainings. Neue Reize mussten her und ich probiere es mit Radfahren.
Was ich nicht bedachte, es ist ähnlich mit dem Gehen lernen. Ein neuer Bewegungsablauf fordert das Gehirn. Außerdem ist mein Körper darauf noch nicht vorbereitet. Mein Körper fühlt sich fragil an. Es kostet Anstrengung, bloß auf dem Rad zu sitzen.
Trotzdem habe ich erstmals ein gutes Gefühl. Ich probierte es schon öfter, aber nach wenigen Metern musste ich den Versuch bisher abbrechen. Diesmal bin ich aber dran geblieben, wenn es auch noch ein weiter Weg ist.
Zunächst möchte ich mich an die Wahrnehmung gewöhnen. Die vielen Eindrücke in der Schnelligkeit belasten mein Gehirn. Es ist wie beim Gehen, wo ich mich Schritt für Schritt herantasten musste, dasselbe gilt auch für das Radfahren.

Anfang Mai habe ich gestartet. Allerdings brauche ich noch viel Erholung, es ist nur etwa alle zwei bis drei Tage möglich. An den anderen Tagen gehe ich in den Motorik-Park, um meine Balance zu stärken.
Zunächst fahre ich nur langsam in meiner näheren Umgebung. Eine halbe Stunde (mit Pausen) reicht aus und den restlichen Tag liege ich flach, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich muss mich in die Waagrechte begeben und schlafe sehr viel. Das wird noch länger so gehen, bis ich mich daran gewöhne. Hoffentlich nicht so lange, wie ich für das Gehen brauchte.
Meine letzte Tour führte mich das erste Mal auf den nahen Radweg. Das Gefühl auf der Straße ist komisch. Es fehlt mir die Aufmerksamkeit und Reaktion. Langsames Fahren, um jederzeit reagieren zu können, ist Pflicht.
Die Konzentration ist so hoch, dass ich nach 15 Minuten erschöpft bin. Wie beim Gehen, wo ich immer wieder sitzen oder liegen muss, ist es auch beim Radfahren. Beim Hinlegen habe ich die beste Erholung.

Ob und wie es mir beim Muskelaufbau helfen kann, wird die Zeit zeigen. Es ist jedenfalls ein gutes Krafttraining, in einer Zeit, wo die Fitnessstudios geschlossen haben.
Dazu nehme ich Eiweißstoffe und andere gezielte Nahrungsergänzungen zu mir, um meinen Körper auf die neue Arbeit zu unterstützen. Besonders dem Denken tut die Bewegung gut. In der Zeit der Ausgangsbeschränkungen funktionierte das Gehirn nicht so gut, was sich auch darin niederschlug, dass ich keine Blogartikel zusammen brachte. Es war mir schlichtweg nicht möglich, Gedanken dafür zu haben.

Dies neues Ziel, dass ich durchs Radfahren erreichen möchte, lässt mich konzentrierter arbeiten und lenkt mich von den Folgen der Corona-Krise ein wenig ab.
Mal sehen, was ich in den nächsten Wochen berichten kann!
Am Sonntag habe ich an meinem ersten Wingsforlifeworldrun teilgenommen. Laufen kann ich zwar noch immer nicht, aber ich möchte es wieder können.
"Gemeinsam laufen wir für alle, die es selbst nicht können."
Motto des "Wings for Life World Run"
Per APP ist es kurzfristig durch die Corona-Krise sogar ein Muss geworden. Ich wollte mich erstmals damit auseinandersetzen und schauen, ob ich damit schon zurechtkomme.
Schon letztes Jahr war ich nahe dran am Wingsforlifeworldrun teilzunehmen, habe aber im letzten Moment zurückgezogen. Denn es geht nicht nur um mein körperliches Befinden, sondern auch um das Gehirn. Es gibt mir alles in letzter Konsequenz vor, was geht und was nicht. Ich fühlte mich noch nicht so weit und so startete ich dieses Jahr zum ersten Mal.
Die Corona-Viruskrise nahm mir viel von dem, was ich mir in den letzten Jahren hart erarbeitet habe. Neue Ziele und Strategien mussten her. Ich durfte aber nichts überstürzen, alles Step by Step. Durch den Corona-Virus hat sich einiges geändert in meinem Leben, wofür ich die letzten Jahre gearbeitet habe.

Ich mache keine Wettkämpfe mehr, denn ich habe in meinem Leben schon genug gemacht. Trotzdem kann so etwas wie der Wingsforlifeworldrun eine große Motivation sein. Allein der Slogan "Ich laufe für die, die es nicht können" motiviert und Motivation kann ich in meiner Lage gar nicht genug bekommen.
Die App sollte man vorher ausprobieren und ich wurde in den Tagen davor auch mehrmals daran erinnert. Jedoch jedes Mal, wenn ich unterwegs war, habe ich darauf vergessen.
Ich bin mit den derzeit herrschenden Regeln überfordert und selbst mich im Freien bedarf einer Aufmerksamkeit, die für das Gehirn zu viel ist. Wo ich normalerweise abschalten kann und mich nur aufs Gehen konzentriere, arbeitet mein Gehirn jetzt auf Hochtouren. Dazu aber später mehr.
Der Lauf, bzw. das Gehen, bin ich ja gewohnt. Dass ich die Wochen zuvor weniger gemacht habe, spürte ich. Mein Weg führte mich auf Nebenstraßen durch Judendorf, eigentlich flach, aber eine Eisenbahnunterführung ließ meine Durchschnittsgeschwindigkeit beim folgenden Anstieg merkbar sinken.
Mein Ziel, die 5 km Marke zu erreichen, erreichte ich nicht ganz, dass virtuelle Catcher Car holte mich nach 4,71 Kilometer oder 50 Minuten und 15 Sekunden ein. Das waren aber immerhin 5,6 km/h Schnitt. Mein Ziel habe ich zwar nicht erreicht, bin aber damit zufrieden, denn mein größtes Ziel wieder Gehen zu lernen habe ich erreicht. Jetzt fehlt nur mehr Laufen!
Ab 6 km/h ist zum Überlegen, ob ein langsamer Dauerlauf nicht besser wäre. Ich habe es versucht, aber es geht nicht. Die Muskelschwäche lässt ein schwammiges Gefühl zurück und bei jedem Schritt stampft es meinen Körper, nach der Flugphase wo beide Beine vom Boden entfernt sind, in den Asphalt.
Nach 5 - 10 Schritten im Laufversuch, bin ich froh, wieder gehen zu können. Mein ganzes Körpersystem, inklusive Gehirn und Koordination, kommt dabei durcheinander. Die Muskeln werden dabei auf eine Art angespannt, die es mir nicht erlaubt, danach überhaupt noch zu gehen.
Meine Bewegung wird unkontrolliert und ich muss mich hinlegen. Hinsetzen geht auch, aber hinlegen ist besser. Nur so ist eine Erholung gewährleistet. Überschreite ich diese Phase, auch beim Gehen, kann es schwerwiegende Folgen haben.

Es heißt, mich auf die kommenden Monate vorzubereiten. Da meine Rehabilitation besonders körperlich bezogen ist, war das Ziel für den Lauf, an meiner Motivation zu arbeiten, wieder in die Spur des täglichen Lebens zu kommen.
Neue Strategien, Ziele und anderes mussten definiert und gefunden werden. Das alles ergibt Motivation für das Training und Tun. Und das ich tun möchte, steht außer Zweifel.
Das alles schreibe ich mir in ein Heft, unterteilt in Monatliche, Wöchentliche und tägliche Ziele, aber auch, was ich dafür zu tun habe. Ich habe mich bewusst dazu entschieden, ein analoges Heft zu benutzen. Schreiben mit einem Stift gehört nämlich mit zu meinen Zielen, wie auch das Trainieren meiner Finger.
Die Zeit der Krise nutze ich auch, um meinen Blog neu aufzusetzen. Mein Sohn hat mir den Blog neu programmiert. Dazu ist auch ein Überarbeiten der Artikel notwendig geworden. So habe ich mir am Abend nach dem Wingsforlifeworldrun meine ersten Blogartikel beim Überarbeiten durchgelesen, die von meiner Rehabilitation und den Tagen im Krankenhaus handeln.
So wurde ich daran erinnert, von wo ich herkomme. Wieder Gehen zu können, war vor vier Jahren mein Wunschtraum, den ich mir mit dem Absolvieren von mittlerweile drei Caminos in den letzten zwei Jahren erfüllt habe.
Allerdings ist Gehen, nicht gleich Gehen. Mein Gehen ist eigentlich besser mit dem Wort "Fortbewegen" beschrieben. In Wirklichkeit kämpfe ich noch um jeden Meter, auch wenn es von Außen nicht so ausschaut. Allerdings auf einem recht hohen Niveau. Es ist mir kaum etwas anzusehen, vor allem wenn man nicht um meine Vorgeschichte weiß. Es gibt aber mehr, als man sieht.
Fast jeder hat bestimmt schon einmal erlebt, dass Beschwerden vorhanden sind, die das Gegenüber nicht wahrnimmt. Bei mir ist es aber kein Zahnschmerz, ein Hexenschuss oder andere große Schmerzen, die niemand sehen kann. Bei mir geht es ums Gehen, die Bewegung und die Funktion des Gehirns

An für sich etwas Selbstverständliches und darum nehmen wir es auch als Selbstverständlich wahr. Bei mir beinhaltet dieses Selbstverständliche aber weit mehr. Praktisch jede Bewegung oder Gewichtsverlagerung muss bewusst angedacht werden. Da hat dann nichts Platz für anderes. Gleichzeitig einem Gespräch folgen und mich zu Bewegen ist eine Herausforderung. Eine meiner größten Errungenschaften der letzten Jahre war sicher, dass ich mich beim Gehen auf ebenen Boden unterhalten kann.
Ein Beispiel für Bewegung andenken ist mein rechter Arm, gehandicapt durch die Hemiparese (einseitige Lähmung). An für sich gut unter Kontrolle gebracht, merkt man bei der Bewegung nichts. Kommt mir jemand aber am Gehsteig entgegen, bin ich so mit dem Rundherum beschäftigt, dass ich darauf vergesse, ihn mitzuschwingen, um besser im Gleichgewicht zu bleiben. Er hängt dann schlaff an mir runter, bis ich mir dessen wieder bewusst werde und ihn bewusst bewege.
Dieses Bewegen können brachte mir einen gewissen Grad an Selbstbestimmung zurück. Es war mir sehr wichtig, alles daranzusetzen, mich wieder fortbewegen zu können. Das habe ich geschafft, wenn auch mit Einschränkungen. Dadurch bin ich heute in der Lage, selbstbestimmt zu trainieren oder Einkaufen zu gehen.
Diese Selbstbestimmung hat aber ihre Grenzen. Kochen, Wäsche waschen und Putzen ist nur mit einem sehr hohen Einsatz meinerseits möglich. Normalerweise hilft mir jemand, aber in dieser Zeit der Corona-Krise bin ich darauf angewiesen, vieles selbst zu machen.
Sie hat unser aller Leben durcheinander gewirbelt. Jeder kommt anders damit zurecht oder ist anders davon betroffen. Während die einen plötzlich viel Zeit haben und eine Entschleunigung des Lebens einsetzte, sind andere Berufsgruppen davon gar nicht betroffen. Pflegedienste, Krankenhauspersonal und der Lebensmittelhandel sind extrem gefordert in dieser Zeit.
Die Auflagen bringen mir immer wieder Schwierigkeiten. Eigentlich bin ich darauf konzentriert die Bewegung beim Gehen richtig auszuführen, egal ob im Wald oder beim Einkaufen. Da ich noch immer nicht Multitasking fähig bin, kann ich mich nur auf das Eine oder das Andere konzentrieren. Die Bewegung leidet darunter und der Energieverbrauch ist weit höher. Die Tage werde wieder "kürzer" mit der Corona-Krise.
Abstand halten, Gesichtsmaske auf, nicht ins Gesicht greifen, usw. Auf viele Regeln muss ich achten. Multitasking wäre dabei von Vorteil, aber das beherrsche ich noch immer nicht. Einkaufen wird somit wieder zur besonderen Aufgabe. Es kostet mir soviel Energie, dass ich mir einen ganzen Tag dafür reserviere.
Einmal vergesse ich die Gesichtsmaske, dass andere Mal konzentriere ich mich so sehr darauf, die Maske nicht zu vergessen, dass ich nach vier Kilometern Fußmarsch zum Supermarkt draufkomme, die Einkaufsliste vergessen zu haben.
Im Supermarkt soll ich genügend Abstand zu anderen halten. Achte ich jedoch immer darauf, komme ich nicht zu den Artikeln. Meine Hochsensibilität lässt einen Einkauf zu einer hoch anstrengenden Tätigkeit werden. Nach einem Einkauf ist der Tag vorbei und ich erhole mich im Bett.

Begegnungen auf der Straße sind auch ein Thema. Mit Abstand aneinander vorbeigehen, ist auf vielen Gehsteigen nicht möglich und ein Ausweichen auf die Straße unumgänglich. Ich fühle mich wie in die erste Zeit nach dem Hirnabszess zurückversetzt. Unfähig zu handeln und eingeschränkt in der Bewegung.
Auf meine größten Erfolge seit dem Hirnabszess angesprochen, zähle ich sicher das Sprechen und Zuhören können, während dem Gehen. Wer meinen Blog oder Instagram verfolgt, weiß wie lange ich schon daran arbeitete.
Noch muss ich es Eingrenzen auf ebene und befestigte Wege. Im Gelände oder schmalen Trails habe ich noch zu viel mit mir zu tun und kann einem Gespräch kaum folgen.
Mit dem Gehen hatte ich am Camino wohl das schönste und beste Erlebnis seit dem Hirnabszess. So große Freude empfand ich wohl noch nie dabei. Keine Blasen, keine Schmerzen, nichts was diese Freude dämpfen konnte. Es war einmalig seit der Erkrankung und machte mich Hoffnungsvoll für die Zukunft, eine Zukunft die bald anders als gedacht ausschauen sollte.

Am Camino Frances habe ich noch einen Riesenschritt nach vorne machen können, um kurz darauf wieder auf einen Stand von vor ein bis zwei Jahren zurückzufallen. Allein durch den Shutdown, die Ausgangsbeschränkungen und alles auf null niederzufahren, sind viele meiner erlernten Fähigkeiten verloren gegangen oder verschüttet worden.
Durch die Muskelschwäche und die neurologische Erkrankung zähle ich zur Risikogruppe. Zwei Wochen im Bett liegen zu müssen, hätte bei mir fatale Folgen, wenn ich an mir sehe, was der Shutdown auslöste.
Am Camino freute ich mich schon auf die Zeit danach und auf weitere Zielführende Therapien. Wieder zuhause, sollte sich alles ändern. Alle Therapien abgesagt und allein auf mich gestellt, musste ich neue Ansätze finden, Strategien entwickeln und neue Ziele finden.
Bisher machte ich viel über den Computer. Diesmal wählte ich allerdings meinen alten Organizer mit Schreibstift. Hier halte ich meine Monatlichen, Wöchentlichen und täglichen Ziele fest. Habe ich sie erreicht, dann hake ich sie ab.
Dadurch möchte ich mich mehr am handschriftlichen Schreiben üben, denn meine Handgelenke und Arme sind von der Muskelschwäche sehr betroffen und ich werde sehr beschränkt darin.
Der Organizer hat den Vorteil, leicht Seiten zu entfernen oder dazuzugeben.
Ziele brauche ich, um mich zu motivieren. Ein Endziel war immer vorhanden, aber ich brauche auch Zwischenziele zur Motivation, um dieses zu Erreichen. Ist mein Ziel zu klein, ist meine Motivation zu gering. Nur wenn mein Ziel groß genug ist, werde ich es auch erreichen. Der Wingsforlifeworldrun war geeignet, um mir meiner Ziele wieder bewusst zu werden.
Viele dieser Zwischenziele sind weggefallen. Pilgern in Spanien fällt länger aus, an dem doch mehr hängt, als viele glauben. Und so ist es mit vielem. Die Ungewissheit macht mir am meisten zu schaffen, denn fast alles ist damit verbunden, was jetzt und vielleicht auch in Zukunft, nicht möglich ist.
Vorrangig ist, wie ich jetzt Leben lernen kann, ohne die Therapie zu vernachlässigen. Alle Strategien des letzten Jahres funktionieren nicht mehr. Dafür Ersatz zu finden dauert. Mein Gehirn ist damit überfordert und braucht lange, um sich auf diese neue Situation einzustellen.

Ich arbeite schon länger daran und mit dem Wingsforlifeworldrun habe ich einen Motivationsschub bekommen, auch in dieser Lage das bestmögliche für mich zu finden und herauszuholen.
Es gäbe noch viel zu schreiben über die Vorkommnisse der letzten Zeit, aber ich habe derzeit so viel mit mir zu tun, dass ich nicht dazu komme. Durch die Anforderungen ist meine Konzentrationsfähigkeit derzeit um ein vielfaches gesunken und ich muss das akzeptieren. Schreiben strengt mich sehr an, aber es ist auch eine gute Möglichkeit um mir bewusst zu machen, was gerade passiert ist.
Zum Abschluss ein Spruch von Konfuzius, der sagt:
Wer das Ziel kennt, kann entscheiden. Wer entscheidet, findet Ruhe. Wer Ruhe findet, ist sicher. Wer sicher ist, kann überlegen. Wer überlegt, kann verbessern.
Konfuzius
Ich wünsche jedem in dieser Zeit, seine Ziele zu kennen.
Seit zwei Monaten unterziehe ich mich einer Ergo- und Physiotherapie mit Gang-ABC. Mein Ziel ist es, den Körper zu kräftigen und zu stabilisieren. Der Hirnabszess und seine Auswirkungen auf die Nerven lässt mich nur langsam in allem weiterkommen.
Wöchentlich mache ich zwei Einheiten, das hat den Vorteil, dass ich genug Zeit habe, mich zu verbessern. Damit kann ich meinen Bewegungsablauf besser kontrollieren lernen, als in einem mehrwöchigen stationären Aufenthalt, wo zu viel Druck dahinter ist. Ich stehe unter Beobachtung meiner Physio- und Ergotherapeutin, die auf Veränderungen über einen längeren Zeitraum reagieren können.
Das Gang-ABC ist sehr anstrengend. Das Gleichgewicht bereitet mir noch Schwierigkeiten und ich gehe immer wieder an die Grenze. Der Schwindel ist noch immer allgegenwärtig.
Die Koordination ist besonders wichtig und erfordert meine ganze Aufmerksamkeit. Manche Übungen sind so anspruchsvoll, dass ich mit dem Denken kaum nachkomme. Meine Physiotherapeutin führt mich aber genau richtig dosiert heran. Nicht nachdenken müssen über die Bewegung wäre besser, ist aber nur langsam möglich, wenn überhaupt.
Das Ziel soll ja sein, wieder einen vermehrten Automatismus in meinen Bewegungsablauf zu bringen. Noch funktioniert aber nichts ohne Denken, jede Bewegung muss angedacht werden.
Geduld, Geduld und nochmals Geduld, ist erforderlich. Dessen muss ich mir nach wie vor bewusst sein. Was nicht leicht ist, denn der betroffene Thalamus ist das Tor zum Bewusstsein. Denn das Denken habe ich ebenfalls zum Lernen.
Es heißt einen Weg für mich finden, der es mich verstehen lässt, damit umzugehen. Ich bin manchmal ganz verwirrt über das, was ich denken soll, muss und möchte.
Eigentlich ist das Ziel nicht zu denken und widerspricht dem, eben auch wieder Denken zu lernen. Dabei den Mittelweg zu finden, ist für mich noch schwer, daher der Wunsch, nach mehr Automatik. Mit dem Gang-ABC trainiere ich nicht nur den Körper, sondern auch den Geist.
Es sind jetzt drei Jahre seit dem Hirnabszess vergangen und noch immer soll ich mir Zeit lassen. Das ist schwer in den Kopf zu bekommen, auch jetzt noch. Als Sportler war ich gewohnt, mit einem bestimmten Aufwand, in einer bestimmten Zeit, etwas zu erreichen. Das gilt jetzt nicht mehr.
Das ist jetzt ist so fern von allem. Als ob keine Regeln mehr Gültigkeit haben. Oft muss ich darüber lachen, denn anders wäre es nicht zu verkraften. Und das kann ich zum Glück, besonders wenn ich wieder besonders tollpatschig reagiere.
Ich bin wie der Duracell-Batteriehase aus der Werbung. Nach so einer intensiven Einheit wie der Physiotherapie bleibe ich ähnlich dem Hasen einfach stehen. Dann geht gar nichts mehr. Meine Energie ist alle.

Es war ein herrlicher Tag und ich wollte nach der Therapie noch ins Café, um den Tag und die Wärme auszukosten. Davor wollte ich mich noch kurz Zuhause hinlegen. Diese Ruhepause dauerte allerdings bis zum nächsten Tag, denn ich war nicht fähig aufzustehen. Das Üben verbrauchte meine ganze Energie.
So ist mein Alltag noch immer bestimmt von meinem körperlichen Zustand. Deswegen passe ich auf, was ich mache. Denn meine Zeit ist täglich noch immer begrenzt. Trotzdem darf und soll nicht alle Zeit für Therapie draufgehen, denn ich habe auch wieder Leben zu lernen. Das ist aber nicht einfach, wenn der Körper so begrenzt ist.
Aber es macht Spaß und Freude an mir zu arbeiten und ich darf dabei nur nicht darüber auf das Leben vergessen.
Ein Ausflug zum Wasserfall in Peggau brachte mir viele Erinnerungen wieder. Meine Familie und ich lebten dort für 10 Jahre und meine Kinder wuchsen dort auf.
Da die letzten Wochen so sehr mit Therapien belegt waren, nutzte ich diese seltene Möglichkeit für einen Ausflug. Da ich nicht Mobil bin, war es eine willkommene Abwechslung.
Ich konzentrierte mich die letzte Zeit sehr auf die Kräftigung meiner Beine und das Gleichgewicht, daher war meine Gehfähigkeit eingeschränkt.

Einer meiner Lieblingswege führt in Peggau zum Wasserfall. Los ging es für mich beim Kreisverkehr. Ich wollte auch ein wenig von Peggau sehen, in dem sich einiges in den Jahren veränderte.
Der Wanderweg zum Wasserfall war in Märchenweg umbenannt. Da meine Kondition nicht sehr gut ist, sollten diese fünf Kilometer reichen. Mehr traute ich mir nicht zu.

Ich genoss den Duft am Waldrand und es war eine Wohltat für die Seele. Alles war grün, ein großer Unterschied zu wenigen Wochen zuvor. Es regnete leicht, aber was war schon Regen gegen die fünf Monate, die ich im Krankenzimmer verbracht habe. Außerdem fühle ich mich nicht nur bei Sonne wohl, sondern auch bei Regen.
Der Wald hat eine wichtige Bedeutung für meine Rehabilitation. Nur dort kann ich meinem Nervensystem die Erholung geben, die es braucht und die Wahrnehmung ist weit besser als in der Stadt.
Bis zum Wasserfall geht es bergauf, bergab dahin. Die Steigungen waren überraschend beschwerlich und nur mit Pausen möglich. Schritt für Schritt ging ich schnaufend nach oben. Teilweise war ich so langsam, dass ich mit dem Gleichgewicht Probleme bekam.
War war los? War ich schlecht drauf, ging es mir nicht gut, weil ich von den Therapien müde war?
So ließ ich es langsam angehen und genoss das Grün des Waldes und der Wiese.
Es war ein tolles Erlebnis, nach vielen Jahren wieder einmal den Wasserfall zu sehen. Sie üben eine besondere Anziehung auf mich aus.
Durch den Fall zerstäubt das Wasser und die Luft wird Ionisiert. Diese feinsten Partikel werden durch das Atmen aufgenommen und gelangen in die Lunge. Das hat eine gesunde Wirkung auf den Organismus. Im Labor künstlich hergestellte Ionisierung ist 200 mal größer als in Natur.
Es war sehr kühl, deswegen brauchte ich Anorak, Handschuhe und Haube. Der feine Sprühregen hatte so nicht viel Möglichkeiten, an meine Haut zu gelangen. Es wurde aber auch so ein großartiges Erlebnis.
Ich meditierte ein wenig, setzte mich an den Wasserfall und ließ mich vom Wasser verzaubern.
Am Rückweg befanden sich einige Schnecken am Weg. Sie symbolisieren meinen Weg, denn gerade bergauf bin ich langsam wie eine Schnecke. Als Krafttier hat sie eine besondere Botschaft für mich.
Eile mit Weile - haste nicht! Das ist kurz gesagt die wichtigste Botschaft für mich.
Die Schnecke trägt ein Haus am Rücken, wo sie sich zurückzieht und dich auffordert dies in regelmäßigen Abständen auch zu tun. Sehr passend auf meine jetzige Lebenssituation.
Ich war zwar konditionell nicht so auf der Höhe, aber es tat so gut, wieder einmal etwas neues zu sehen und zu erleben. Ich mache viel um weiter zu kommen, aber noch haben mich die Folgen des Hirnabszesses im Griff. Es wird noch länger dauern, bis ich zurück im Leben bin.
Die richtige Ausrüstung für den Jakobsweg zu finden, ist gleichzeitig Therapie für mich. Genau zu wissen, was ich brauche, erfordert ein Denken, welches mir eigentlich noch fehlt. Es muss alles bedacht sein, denn immerhin muss ich alles selber tragen.
Eines war für mich gleich klar. Das Gewicht spielt eine große Rolle, für mich noch mehr. Früher habe ich auch schon großen Wert auf das Gewicht gelegt, nach dem Hirnabszess bekam es aber eine noch größere Bedeutung, jeder Kilo wiegt für mich dreifach.

Verschiedene Teile der Ausrüstung sind mir vorgegeben, denn ich habe sie noch aus meiner Zeit vom Trailrunning. Damals legte ich besonderen Wert auf das Gewicht, denn umso leichter, umso weniger zu tragen.
Die Packliste dient mir als Leitfaden für minimalistisches Wandern. Es kann natürlich das eine oder andere ergänzt oder weggelassen werden.
Ich muss bei jedem Stück das Gewicht beachten. Ich habe jetzt die Erfahrung von zwei Reisen, was sich gut bewährt hat und was nicht gepasst hat.
Die neurologischen Folgen des Hirnabszesses lassen mich das Gewicht eines Rucksacks viermal so schwer fühlen. Ein 5 kg Rucksack ist für mich so schwer wie einer mit 20 Kilogramm. Jedes Gramm ist daher bedeutend, was ich weniger zum Tragen habe.

Auf meinen bisherigen zwei Reisen am Camino Frances (Stand 2019) verwendete ich zwei verschiedene Rucksäcke. Beim Ersten mal verwendete ich einen neun Jahre alten Leichtrucksack. Es war einer der ersten auf dem Markt und ich kaufte ihn vor einer Bike und Hike Tour der Radzwillinge in den USA, vom Death Valley auf den Mt.Whitney.
Er wog 500 Gramm, hatte eine minimierte Rückenpolsterung und Gurte und fasste etwa 35 Liter. Ideal für den Jakobsweg, auf Dauer aber für meine Schwache Muskulatur nicht so gut.
Daher wechselte ich am zweiten Teil, der über die Berge führte, auf einen Lauf-Rucksack um. Er war mit 880 Gramm etwas schwerer, hatte aber wesentlich bessere Tragegurte, Polsterung und Verstaumöglichkeiten. Allerdings auch ein Fassungsvermögen von 40+ Litern, was an für sich zuviel ist.
Nach meiner Rückkehr suchte ich nach einer leichteren und kleineren Alternative. Bei einem Angebot konnte ich nicht widerstehen. Es ist die kleinere Variante des Peak 40, nämlich der Peak 30. Er wiegt nur 545 Gramm und mit der gleichen Ausstattung wie die größere Variante.
Da ich sowieso minimalistisch unterwegs bin, reichten 30 Liter Fassungsvermögen. Er hat das gleiche Gewicht wie mein 9 Jahre alter Rucksack, allerdings eine modernere Ausstattung.
Minimalistisch, leicht, klein verstaubar und schnell trocknend sind die Grundvoraussetzungen. Eine Wander-Hose ohne Gürtel bevorzuge ich, dazu für den Abend eine leichte lange Lauf-Hose. Die nehme ich im Falle eines Kälteeinbruchs auch für unter der Wander-Hose.
Für sehr warme Tage verwende ich eine kurze Lauf-Short mit Inlet und Seitentaschen. Ergänzt wird es noch um zwei schnell trocknende Sport-Unterhosen und einer Regenhose. Alles bei einem Gesamtgewicht von 760 Gramm.
Hier versuche ich viel Gewicht einzusparen, aber trotzdem gegen Regen geschützt zu sein.
Eine leichte Goretex Jacke mit 250 Gramm, soll gegen den Regen schützen. Eine Alternative wäre ein Regenschirm. Dazu eine leichte Fleecejacke mit 350 Gramm, im Fall von Kälte muss ich eben alles, was ich habe anziehen.
Zwei Leibchen reichen, denn das Verschwitzte wird täglich gewaschen. Ich hatte beim Ersten mal drei Leibchen dabei, aber es stellte sich heraus, dass zwei vollauf genügen. Dazu noch ein langes Unterleibchen, für kühlere Tage zur Sicherheit.
Sollte was kaputtgehen oder es doch kälter als gedacht sein, so gibt es in jeder größeren Stadt die Möglichkeit etwas zu kaufen.

Die perfekten Schuhe sollte man nicht ändern. Mich haben bisher immer Speedcross begleitet. Trotzdem habe ich mich entschlossen, dieses Mal etwas anderes zu nehmen. Ich habe mich für Hoka entschieden. Sehr leicht und mit einer hervorragenden Dämpfung. Damit sollte ich gut klarkommen.
Eigentlich wollte ich gerne Barfuß-Schuhe verwenden, aber meine Gelenke und Sehnen sind noch nicht so belastbar und die Gewöhnung daran dauert bei mir zu lange.
Für die Herbergen und als Reserve nahm ich normale Crocks mit.
Als Socken nehme ich Wright Socks, mit ihnen habe ich das letzte Mal hervorragende Erfahrung gemacht. Zwei Paar würden reichen, ich nehme aber ein drittes Paar als Reserve mit.
Socken und Schuhe wiegen zusammen 1.060 Gramm.

Mein altbewährter Schlafsack von Northland wird mich wieder begleiten. Aus Daune und nur 420 Gramm schwer, ist er auch für kühle Temperaturen geeignet. Dazu kommen Taschenmesser, Stirnlampe, Packbeutel und Regenhülle.
Macht zusammen 627 Gramm.

Zahnbürste, Zahnpasta und Seife. Ein Reisehandtuch, Kamm und besonders wichtig, Blasenpflaster. Einweg-Kontaktlinsen trage ich an besonders sonnigen Tagen, kombiniert mit einer guten Sonnenbrille. Ich bin sehr lichtempfindlich seit dem Hirnabszess und möchte nicht darauf verzichten. Dazu kommen eine Soft-Flask Trinkflasche und Sonnencreme.
Mit weiteren Kleinteilen wie Duschgel und Rasierer komme ich auf ca. 500 Gramm.
Ein Handy ist Pflicht, allerdings mit limitierten Einschaltzeiten. Die Kompaktkamera Lumix DC-TZ91 nimmt einigermaßen gute Bilder auf. Dazu ein USB-Charger mit 2 bis 4 Anschlüssen und diverse Ladekabel.

Da ich das nächste Mal mehr Schreiben möchte, überlege ich ein 6" Handy oder ein Tablet mit Tastatur mitzunehmen. Ein kleines MacBook Air 11" oder ein Microsoft Surface wäre die Alternative. Zwar besser zum Schreiben, aber auch ein höheres Gewicht von 700 Gramm bis 1 kg.

Wichtig ist der Pilgerausweis, ein Reiseführer und Reisepass und EC Karte.
Den Abschluss macht ein kleiner Stein, den ich in Finesterre oder Muxia ablegen werde.
Alles zusammen wiegt nicht ganz 6 Kilogramm.
Davon bleibt rund 4,5 Kilogramm im Rucksack zum Tragen über, den Rest trage ich am Körper. Dazu kommen noch Wasser und Verpflegung.
Diese Ausrüstung beinhaltet alles, was ich zum Leben brauche. Ich könnte damit noch die nächsten Jahre unterwegs sein.