Die Herausforderung Pilgern + Zelten!

31. Mai 2020
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5 Minuten Lesezeit

Meine Herausforderung, Pilgern und Zelten

Pilgern und Zelten, diese Herausforderung habe ich bisher gemieden oder musste ich zwangsweise meiden. Der Grund bisher, immer nach Spanien zu fahren war der, dass ich dort eine bessere Infrastruktur vorfand, die meiner Rehabilitation zugutekam.

Die Corona-Krise hat mein Leben zum Dritten mal in den letzten vier Jahren durcheinander gewürfelt und verlangt wieder einmal einen gewissen Neustart. Diese Krise hat meine gesamte Wiederherstellung stark beeinträchtigt und bereits funktionierende Dinge, wieder auf den Kopf gestellt. Neue Wege und alternative Zugänge wollen gefunden werden.

Ich fühle mich oft wie ein Tiger, der im Käfig hin und her geht. Das Denken stellt sich allerdings nicht ein, daher versuche ich mich an das zu halten, was mir bisher geholfen hat. Was nicht leicht ist, denn selbst das hat sich verändert.

Zelten, eine Herausforderung
Zelten, eine Herausforderung

Pilgern

Das Pilgern ist mir sehr wichtig. Das viele gehen hat positive Auswirkungen auf mein Gehirn. Nach dem Lockdown fuhr mein System extrem schnell herunter und das beinhaltete auch mein Gehirn. Denken ist wieder mehr zur Herausforderung geworden, als vorher.

Von Ende Jänner bis Anfang März war ich ja am Camino Frances unterwegs. Die gesundheitlichen Fortschritte waren für meine Verhältnisse riesig und ich freute mich auf zu Hause und auf die weiteren Therapien.

Motivation Pilgern

Besonders auf die Traumatherapie war ich gespannt, denn dort erhoffte ich mir einiges. Auch mein körperlicher Zustand war so gut wie nie zuvor, trotz der noch immer auftretenden Schwindelanfälle und der verminderten Koordination durch die Muskelschwäche.

Innerhalb kürzester Zeit war wieder einmal alles anders. Mein Gehirn kommt damit kaum zurecht und ich brauche lange, um das alles zu verstehen. Pilgern im herkömmlichen Sinne, ist durch die Pandemie damit für einige Zeit gestorben. Ebenso wie alle anderen Therapien, Fitnessstudio und vor allem das Gewöhnen an den Trubel in der Stadt. Seit zwei Monaten war ich nicht mehr in Graz.

Die größten gesundheitlichen Fortschritte machte ich bisher beim Pilgern. Nach der Öffnung wurde Gehen wieder leichter möglich und zumindest, in Österreich, ist es wieder realisierbar.

Pilgern und Zelten

Damit komme ich zum Zelten. Seit dem Hirnabszess lebe ich von der Erwerbsunfähigkeit (Mindest-)Pension. Damit sind keine großen Sprünge machbar, aber die Struktur am Camino in Spanien ist für mich leistbar. Außerdem kommt mir das tolle Herbergsnetz entgegen, welches ich nur dort kenne.

Es gibt viele tolle Wege, auch in Österreich. Bisher war ich limitiert im Tragen. Die Muskelschwäche lässt mich alles drei- bis viermal so schwer fühlen. Vom Gefühl her fühlt sich mein bisheriger 5 kg Rucksack wie 15 bis 20 kg an. Daher achtete ich bei allem auf das Gewicht und bin sehr minimalistisch unterwegs.

Die Übernachtung im Freien war bisher kein Thema, denn das Zusatzgewicht von 1,5 bis 2 kg ist mir bisher nicht möglich. Wozu auch, gibt es doch genug Herbergen in Spanien.

Auf dem letzten Camino im Februar kam mir immer öfter die Überlegung, von daheim nach Santiago de Compostela zu gehen. Dem gegenüber stand bisher immer, dass das Übernachtungsnetz nicht so gut wie in Spanien ist und mein Einkommen für Übernachtungen in Hotels nicht ausgelegt ist. Zu Zelten ist somit unumgänglich. Dazu gehören weitere Dinge, die das Gewicht des Rucksacks erhöhen.

Zelten

Der Plan für heuer war ein anderer

Ursprünglich plante ich nach meinem Camino im Winter, wieder zum Camino Frances im April zurückzukehren, zusammen mit meinem Sohn Elvin. Vor seinem Einstieg ins Berufsleben wollte ich mit ihm zusammen noch die Erfahrungen des Pilgerns machen.

Die ursprünglich gedachte Version des Camino in Spanien, zusammen mit meinem Sohn, wird nicht möglich sein, daher sollte ein Ersatz her. Dieser Ersatz heißt jetzt "Pilgern in Österreich", allerdings mit Zelt. Ob es möglich ist, wird sich zeigen.

Es wird sich demnächst entscheiden, was genau erlaubt wird. Wichtig sind die Covid-Regeln, wie sie das Gehen und Reisen in Österreich erlauben oder beschränken. Entscheidend ist es aber, wie und ob mein Körper es überhaupt verträgt, mit dem Zelt im Freien zu übernachten.

Unbestritten ist, dass Pilgern mir in meiner Rehabilitation und Wiederherstellung sehr viel geholfen hat. Hätte ich es vor zwei Jahren nicht für mich gefunden, dann wäre meine weitere Rehabilitation nicht so positiv verlaufen. Das Pilgern motiviert mich und ich konnte damit bisher mehr erreichen, als ich mir erwarten konnte.

Wie lange ich es per Zelt aushalten werde, wird sich erst zeigen. Es ist mir für heuer damit eigentlich noch zu früh, aber es ist den Versuch Wert. Der Nutzen ist groß, um weiterhin Gehen zu lernen. Pilgern und Gehen gibt mir Sinn und gehört mittlerweile zu meinem Leben. Ich möchte es nicht mehr missen.

Los geht's Mitte Juni

Die Streckenplanung habe ich nur grob geplant und wird uns, zunächst im Südwesten Österreichs entlangführen. Ich starte mit meinem Sohn Elvin auf dem Weststeirischen Jakobsweg und kann damit direkt von Zuhause losgehen. Ich freue mich darauf, ihm das Leben von dieser Seite zu zeigen. Zu lange war ich als Vater nach dem Hirnabszess nicht vorhanden.

Dieses befreite losgehen, es ist so wichtig für meine Rehabilitation. Ich habe keine berufliche Aussicht, weder in naher, noch in ferner Zukunft. Mein Sinn im Leben besteht derzeit darin, wieder einigermaßen Leben zu lernen. Das Pilgern beinhaltet Training und Leben in einem.

Pilgern wurde für mich eine Suche nach innerer Begegnung und einem zusammenführen von Körper und Geist. Nur so kann ich meine Identität wieder finden. Ich kann mir nichts Besseres dazu vorstellen. Nach dem Hirnabszess genau das richtige für mich.

Hirnabszess

Meine Vorbereitung, mein Training

Die größte Hilfe zum Gehen lernen, bekam ich letztes Jahr von einem Psychologen. Er empfahl mir, langsam zu gehen. So langsam, dass man das Auftreten nicht hören sollte. Es ist eine besondere Art, das Gehen zu lernen.

Am Camino Frances, heuer im Februar, legte ich immer wieder Strecken in diesem Sinne zurück. Es trainiert jeden kleinsten Muskel. Da es durch die Muskelschwäche und die gestörte Reizweiterleitung lange dauert, darf ich nicht nachlassen. Es ist vergleichbar mit einem Tropfstein, wo jeder einzelne Tropfen wichtig ist, um langsam zu wachsen.

Durch den Lockdown habe ich viel von meinen Fortschritten verloren. Die psychische Belastung der letzten Wochen ist nicht zu unterschätzen.

Besonders die Wahrnehmung hat gelitten. Das Üben im Park von Frohnleiten zeigt mir viel auf. Die ersten Schritte über die Steine am Teich waren so anders, als zuvor. Ich habe viel zum Nachholen und werde am Jakobsweg-Österreich weiter daran arbeiten.

Gehen lernen

Therapie und Leben

Mit dem Beginn der Corona-Krise habe ich mich entschieden, die Therapie wieder in den Vordergrund zu stellen. Das vergangene Jahr ist wie unter einem Schleier verschwunden und das Leben lernen vorläufig in den Hintergrund getreten. Zuvor schaffte ich es schon ins Kino und fuhr des Öfteren nach Graz, um mich an Menschen in der Stadt zu gewöhnen. Das fällt zurzeit alles weg.

Am Jakobsweg, diesmal in Österreich, versuche ich mir ein Stück von all dem wieder zurückzuholen und durch den Aufenthalt in der Natur zu verbessern. Das Zelten kann mir dabei helfen, zu noch mehr Kontakt mit der Natur zu kommen, ...oder mein System überfordern. Wir werden sehen?

Pilgern und Zelten in Österreich
Die Natur, mein Freund

Demnächst werde ich über meine Schwierigkeiten, die Ausrüstung zusammenzustellen, berichten.


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One comment on “Die Herausforderung Pilgern + Zelten!”

Ich bin Jörg, wohne in der Nähe von Graz und blogge hier über meinen Weg zurück ins Leben, das ein Hirnabszess 2016 völlig auf den Kopf gestellt hat.
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