Wie draußen zu sein mein Gehirn bewegt!

14. Dezember 2022
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7 Minuten Lesezeit

Wie draußen zu sein mein Gehirn bewegt!

Draußen zu sein, ist mir seit dem Hirnabszess ein großes Bedürfnis geworden. Gehe ich nicht in die Natur, funktioniere ich nicht. Es macht allerdings einen großen Unterschied, wohin ich gehe?

Ob die Natur oder menschlich gemachte Strukturen, es macht einen großen Unterschied für meinen Körper, aber auch für den Geist.

Stadt - Land, Häuserfronten - Blumenwiese, alles hat seine eigene Wirkung. Der Hirnabszess hat mir damals alle Filter im Gehirn genommen, deshalb nehme ich auch alles in einer sehr feinsinnigen Form wahr.

künstliche Strukturen

Fraktale - was ist das?

Das Wort Fraktal ist wohl nur den wenigsten bekannt und war es auch für mich, bis vor kurzem. "Fraktale" werden Muster in der Natur genannt, wie zum Beispiel das Muster eines Farnes, das besonders starke und positive Gefühle erzeugt und die Kraft hat, den Körper zu entspannen.

Im Gegensatz dazu gibt es menschlich gemachte Strukturen und Muster, an die sich der Körper nur schlecht gewöhnen kann und die in unseren Städten vorherrschen. Den meisten fällt das nicht mehr auf, aber wer einmal die Kraft der Natur kennengelernt hat, der lernt zu unterscheiden.

Schienen, menschliche Strukturen
menschliche, künstliche Strukturen

Früher einmal hat mir die Stadt, zumindest nicht offensichtlich, nicht geschadet und ich konnte mich problemlos darin bewegen, trotz Hochsensibilität. Mit dem Hirnabszess bekam meine Feinfühligkeit allerdings eine andere Dimension und ich habe seither alles neu zu lernen, besonders aber zu unterscheiden zwischen notwendigen und nicht notwendigen.

Fraktale Strukturen findet man im Gehirn, im Muskel, in den Luftwegen der Lunge und in Blutgefäßen, aber auch in Adern von Pflanzen, Ästen und Wurzeln. Deswegen ist die Natur so wichtig für uns, denn wir sind Natur.

Die ersten Schritte in die Natur

Im Krankenhaus lernte ich die Technik, wieder 30 bis 50 Meter am Stück zu gehen. Ich kann gar nicht beschreiben, wie wichtig es für mich war, vom ersten Moment an, wieder Gehen zu erlernen. Gehen ist für mich ein Synonym für Bewegung. Gehen bewegt, Körper wie Geist!

In den letzten zwei Wochen meines Krankenhaus-Aufenthaltes durfte ich erstmals ohne Begleitung gehen, denn bis dahin, also über vier Monate lang, durfte ich ohne das Beisein einer Krankenschwester nicht einmal alleine vom Bett aufstehen. Die Gefahr, ohnmächtig zu werden und mich dabei zu verletzen, war zu groß. In diesen letzten zwei Wochen bewegte ich mich dann zum ersten Mal seit Monaten alleine im Freien.

Wenige Tage vor meiner Entlassung, schaffte ich einen 250 Meter langen Rundgang im Freien, mit vielen Pausen, alleine und voll am Limit. Auf halber Strecke gab es eine Parkbank, auf der ich mich 15 Minuten hinsetzen musste, bevor ich den Rest in Angriff nahm. Schon damals bemerkte ich den so positiven Einfluss der Natur, stärker als je zuvor.

Gegenüber der neurologischen Station beginnt der Leechwald, wo früher mein Trainingsgebiet für das Radquerfeldeinrennen war. Die Bäume, auf die ich in den letzten Monaten nur durch das Fenster schauen konnte, waren plötzlich so nahe. Berühren konnte ich sie nicht, denn das Gehen war so anstrengend und die wenigen Schritte durch die Wiese zu den Bäumen, war für mich noch nicht machbar.

Trotzdem war ich glücklich wie nie zuvor. Noch unbewusst nahm ich schon damals die Natur als besonders heilsam wahr, hatte aber noch keine Ahnung davon, welch große Rolle sie in meiner weiteren Rehabilitation spielen sollte.

Draußen in die Natur, statt in die Stadt

Meine Hochsensibilität hatte ich vor dem Hirnabszess sehr gut im Griff und konnte sie auch beruflich gut nutzen, zum Beispiel als Energetiker. Nach dem Hirnabszess bekam ich aber auch die nicht so guten Seiten zu spüren. Alles, was vorher keine Probleme bereitete, war auf einmal nicht mehr möglich, belastete mich riesig und raubte mir die wenige Energie, die ich vorrangig zum Überleben brauchte.

mein erster Ausflug nach Graz endete im Chaos
Meine erste Fahrt nach Graz

Draußen in der Natur hingegen fühle ich mich wohl und komme trotz der Belastung beim Gehen, innerlich gestärkt zurück. Gehe ich in die Stadt, ist es genau umgekehrt. Nur ein kurzer Aufenthalt raubt mir Energie, trotz vorsichtigem Verhalten.

Das hat mich schon immer stutzig gemacht, dass der Unterschied so groß war, aber ich trainierte die ersten zwei, drei Jahre daran, das zu verbessern. Vorrangig versuchte ich mich wieder der Stadt auszusetzen, mit mäßigem Erfolg. Allein das Straßenbahnfahren bleibt bis heute ein schwieriges Unterfangen.

Sommer 2017 mit Straßenbahn
Sommer 2017

Und da wären wir wieder bei der Inklusion. Selbst heute noch brauche ich einen Sitzplatz in der Straßenbahn, denn das Ruckeln verträgt mein Körper nicht und lässt mich leicht umfallen. Mein Gehirn kann die sich so schnell verändernden Gleichgewichtsverlagerungen nicht schnell genug ausgleichen. Allerdings, wer sieht mir das an und bietet mir seinen Sitzplatz an?

Das sind die unsichtbaren Behinderungen, mit denen weit mehr Menschen zu tun haben, als allgemein bekannt ist. Inklusion bedeutet auch, andere Menschen Vorurteilsfrei anzunehmen. Da haben wir noch eine Menge aufzuholen.

In die "Stadt", kontra draußen in der "Natur"

Besonders am Jakobsweg blieb es bis zum Schluss eine Herausforderung, mich durch eine Stadt zu bewegen. Mit "die Stadt", meine ich auch, Museen zu besuchen, ins Kino gehen oder durch die Altstadt schlendern. Das alles sind "Anstrengungen", mich wieder daran zu gewöhnen. Es ist nur in "sehr" kleinen Schritten möglich.

Wobei ich die Worte "Anstrengung, Kämpfen, Problem und noch manch anderes", versuche zu vermeiden, da sie negativ behaftet sind. In der Pandemie habe ich mich dann, "gezwungenermaßen", entschlossen, die Stadt sein zu lassen und mich besser ganz der Natur zu widmen, deren positiver Effekt mir besser tut und ich mir mehr Fortschritte erhoffen kann, denn es geht um mehr, als nur mich wieder in der Stadt bewegen zu können.

Deshalb setzte ich mich auf meinem letzten Camino France auch lieber den Elementen der Natur aus, als den Unbilden der Stadt. Draußen unterwegs zu sein bedeutet mir viel und mein Spüren bekommt dabei eine andere Dimension. Die zwölf Tage Dauerregen am Schluss des Camino waren, trotz der Belastung, unglaublich heilsam für mich. Ich bin so froh, dass draußen erleben zu dürfen, dass Regen mir nichts anhaben kann. Ich tanze singend durch den Regen!

im Regen am Camino
im Regen am Camino

Ich fühle mich noch immer wie eine vertrocknete Blume, die im Regen wieder die Chance bekommt, aufzugehen. Deshalb gehe ich auch gerne im Regen.

Meine Aktivitäten

Klettern

Beim Klettern verbinde ich mich mit den Händen zur Natur, was mich erdet. Nach meiner Rückkehr vom Jakobsweg in Spanien, tat ich mich schwer mit der Umstellung auf zu Hause und ich fühlte mich unrund und nicht geerdet. Da war der Weg zum Zigeunerloch genau das richtige, um zu Klettern, bzw. zu Bouldern, um mich mit der Erde zu verbinden.

Zigeunerloch, natürliche Strukturen

Diese gewaltige Fels Formation fasziniert mich immer wieder und diesmal habe ich auch eine Bezeichnung dafür, nämlich Fraktal. Diese natürlichen Muster im Felsen, mit dem das Auge besonders gut umgehen kann, im Gegensatz zu unnatürlichen Linien, wie an Häusern. Ich könnte stundenlang darauf schauen.

Zuerst war mein Gang noch unsicher auf dem Weg dorthin, aber unter den gewaltigen Felsen fühlte ich mich gleich wohler. Ich legte Rucksack und Daunenjacke ab und lehnte mich mit den Handflächen an den Felsen, der zwar kalt war, aber eine unglaubliche Energie verströmte. Wer das nicht einmal selbst erlebt hat, der wird es kaum verstehen können.

Die Energie strömte durch meine Finger in jeden Bereich meines Körpers und ich fühlte mich sofort besser geerdet. Die Unsicherheit verschwand binnen Minuten und ich versuchte es sogar mit dem Klettern, allerdings in der Waagerechten, wie auch sonst immer.

Klettern in der Waagrechten

Die Koordination zwischen unten und oben im Körper bereitete mir diesmal einige Schwierigkeiten, aber es tat so gut, mich im Felsen zu bewegen. Bewegen bewegt, das spürte ich diesmal besonders stark. An diesem Tag konnte ich viel vom therapeutischen Tanzen umsetzen, denn da geht es ja um Bewegen und Spüren. Gehirn und Bewegung gehören untrennbar zusammen.

Dieser Tag ist wieder eine Bestätigung für die jahrelange Arbeit an mir, besonders mit dem therapeutischen Tanzen. Es bildet die Grundlage für all meine Übungen und das Training. Viele kleine Steps bedeuten irgendwann einen größeren und mit vielen Großen, mache ich einen Schritt weiter in meiner Rehabilitation.

Klettern fürs Gehirn

Gehen und Alleinsein

Gehen und Alleinsein, ist eine Kombination, die besonders wirkungsvoll für mich ist. Mit dem Alleinsein habe ich kein Problem und schon gar nicht, wenn ich allein gehe.

Der Mensch ist ein Wesen, das sich nach Beziehung sehnt, in einer Welt, die nicht verbunden und entwurzelt ist. Diese Entwurzelung habe ich nach dem Hirnabszess sehr stark gespürt und ich hatte/habe zum Lernen, wie ich mich wieder verwurzle und mit der Welt verbinde. Das Gehen nimmt dabei eine besondere Stellungen ein, mit all ihren Varianten.

Beim Alleinsein entwickle ich mein eigenes Tempo, mit all seinen Variationen. Mal schnell, mal langsam, immer im richtigen Tempo, wie ich mich gerade fühle. Mit diesen Tempo- und Rhythmusvariationen übe ich seit 2019, das ich damals im therapeutischen Tanzen kennengelernt habe.

alleine am Camino
Alleine am Camino, in meinem eigenen Rhythmus

Als Hilfe für eine verbesserte Wahrnehmung nehme ich mir den Fotoapparat und fotografiere, was mich interessiert. So erstelle ich mir eine Fotostrecke, die ich mir ausdrucke und jederzeit auf meinem Schreibtisch analog anschauen kann. So hole ich mir Fraktale ins Heim und kann mich jederzeit damit verbinden, indem ich sie anschaue. Da ich ein visueller Typ bin, arbeite ich viel mit Fotos, die mir guttun.

Dieses fokussierte Beschäftigen damit, was mir guttut, ermöglicht mir die Sicht durch das Objektiv. Das alles passiert draußen in der freien Natur und so lerne ich auch, mit dem Fotoapparat umzugehen. Filmen geht noch nicht, mein Gehirn ist zu schnell damit überfordert. Auch Malen kann eine solche Fokussierung sein.

Sehr entscheidend ist, ob ich alleine gehe oder in Begleitung. Beides hat eine unterschiedliche Wirkung. Im Moment gehe ich die meiste Zeit alleine, ich bin dabei mehr mit der Natur verbunden und nehme alles anders wahr, als mit Begleitung.

Im Regen zur Ruine Gösting

Es war ein nasser. kalter und regnerische Tag, mit tollen Aussichten, trotz des Nebels. Die Bilder sprechen für sich.

Frohnleiten bei Sonne

Im Gegensatz dazu ein Spaziergang durch Frohnleiten, bei Sonne, aber mit Kälte. Auch hiervon wieder mit Fotos. Ich füge auch Bilder der Stadt ein, da kann jeder die Wirkung von Fraktalen an sich ausprobieren und ob man es überhaupt wahrnimmt oder wie sich Strukturen von Häusern und der Stadt anfühlen, als Gegensatz zu Wald und Blumen?

Draußen

Seit ich mich noch mehr "draußen" in der Natur aufhalte, stabilisiere ich immer besser meinen Zustand. In der Stadt muss ich mehr aufpassen oder mich dem erst gar nicht dem aussetzen.

Ob Sonne oder Regen, ich nutze eigentlich jeden Tag, um in die Natur zu gehen und sie in mir aufzunehmen. Mein Gehirn profitiert davon und wird BEWEGT!


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4 comments on “Wie draußen zu sein mein Gehirn bewegt!”

  1. Wie recht du hast! Die Natur ist so heilsam, die Stadt ist Kräftezehrend
    Liebe Grüße C
    Ich bin so froh, dass mir die Hunde wenig Spielraum lassen, wo wir uns bewegen. Mein „Camino“ ist der Mühlbachgraben, da kann ich so richtig entspannen und die Batterien aufladen

    1. Ja, daß verstehe ich. Außerhalb der Stadt wohnende können das besser verstehen. Viele Menschen in der Stadt können sich nicht mehr spüren und die Funktion der Natur wahrnehmen.
      Mit Hunden ist es gleich doppelt so fein, in der Natur unterwegs zu sein.
      👍 LG Jörg

  2. Witam Jourg!
    Piszę po polsku bo nie mam klawiatury niemieckiej a w angielskim lepiej się czuję w mowie niż w piśmie. Mamy jednak google translator więc dasz radę.
    Śledzę Twoje wyczyny i czytam blogi i wydaje się że rozumiem ograniczenia i jak z nimi walczysz.
    Wielki podziw za przejście w Camino Fisterra/Muxia 12dni w nieprzerwanym deszczu i to w pażdzierniku gdy nic nie schnie.Potwierdza to że masz niebywałą odporność i wytrzymałość organizmu.
    Wiem co to znaczy, w pierwszym swoim Camino(Frances) ostatnie 3-dni przed Santiago szedłem w deszcz i też w pażdzierniku. Nie wystarczy dobry sprzęt (taki miałem) ale wszystko było mokre od potu pod ubiorem przeciw deszczowym.
    W swoich czterech Camino tylko raz spotkałem takich którzy wytrzymali 6 dni deszczu.
    Sam uprawiałem (nie wyczynowo) pływanie, kajakarstwo górskie,joging, kolarstwo. Obecnie pomimo 84 lat chodzę z kijkami po lasach i polach oraz jeżdżę rowerem przy dobrej pogodzie.
    Zdarza się że przy potknięciu padam bez reakcji gdy kiedyś byłoby tylko zachwianie równowagi. Mózg rejestruje że padam (zwolniony film) a ciało reaguje z opóźnieniem lub wcale.
    Jest to jak u Ciebie opóźnienie lub brak impulsu z mózgu do elementów wykonawczych ciała. Ja niestety nie mogę już liczyć na poprawę Ty jednak masz szanse przy swoim charakterze .
    Życzę Ci tego w nadchodzącym i następnych latach!!!!
    Wesołych Swiąt i szczęśliwego Nowego Roku!!!!

    Edmund Babiak

    1. Dziękujemy za pisanie!
      Tak, te dwanaście dni było naprawdę trudne, ale zaprowadziło mnie dalej. Wszystko wolniej, jak piszesz, u mnie też, dlatego wciąż nie mogę chodzić.
      Myślę, że to miłe, że wciąż jesteś na piechotę, to zawsze pozostanie z nami pielgrzymami i zachowa nas młodo.Często myślę o naszym spotkaniu w drodze do Finesterre, zwłaszcza o cukierni w Cee.
      Wesołych Świąt i Szczęśliwego Nowego Roku również dla Ciebie i Twojej rodziny!
      Pozdrowienia
      Joerg

Ich bin Jörg, wohne in der Nähe von Graz und blogge hier über meinen Weg zurück ins Leben, das ein Hirnabszess 2016 völlig auf den Kopf gestellt hat.
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