Therapeutische Tanzen und Pilgern am Camino France im Herbst!

18. September 2022
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6 Minuten Lesezeit

Therapeutische Tanzen und Pilgern am Camino France im Herbst!

Ein intensiver Trainingsblock, der vier Monate dauerte, liegt hinter mir. Das therapeutische Tanzen, die Wahrnehmung und Krafttraining spielten die größte Rolle darin. Zur Belohnung geht es dafür Ende September zum Camino France, zusammen mit meinem jüngeren Sohn Elvin.

Das therapeutische Tanzen hat einen großen Anteil daran, dass es überhaupt möglich sein kann. Nach zwei Jahren Pandemie habe ich viel aufzuholen, um wieder dort zu stehen, wo ich vor der Zeit mit Corona stand, damals im Februar 2020.

therapeutisches Tanzen

Ich hatte gerade den Camino France im Winter beendet und meine Rehabilitation verlief perfekt. Voller Tatendrang kam ich zurück nach Hause und wollte weiter darauf aufbauen, aber Corona kam dazwischen.

Am Camino Frances, auf dem Weg ins Leben!
Am Camino Frances, auf dem Weg ins Leben!

Therapeutische Tanzen

Ich kann gar nicht beschreiben, wie sehr ich meiner Therapeutin Hanna Treu dankbar bin, für Ihre Arbeit. Sie hat mich sehr gut durch die Corona-Zeit begleitet und ihr habe ich es zum größten Teil zu verdanken, dass ich einigermaßen gut durch die gesamte Pandemie gekommen bin. Die Zeit war nicht ohne, denn bis auf ihre Therapie, ist alles andere weggebrochen. Ich konnte zwar meinen Walkabout durch Österreich im letzten Jahr unternehmen, aber der letzte Winter gab mir dann den Rest, vor allem mit dem Nierenstein, der ein Andenken an die vielen Kontrastmittel der unzähligen MRT war.

Vor mittlerweile drei Jahren habe ich mit dem therapeutischen Tanzen begonnen, damals nicht wissend, auf was ich mich einlasse. Mich hat der Name "therapeutisches Tanzen" extrem angesprochen und von der ersten Stunde weg war ich bestätigt, dass es das richtige für mich ist. Wenn ich zurückdenke an die erste Stunde und meinen körperlichen Zustand im Gegensatz zu heute vergleiche, so liegen Welten dazwischen. Mit herkömmlichen Therapien wären auch Verbesserungen möglich gewesen, aber nicht in dieser Art und in diesem Umfang, wie es die Tanztherapie möglich gemacht hat.

Gleichgewicht in der Natur,  ein Ergebnis der Tanztherapie
Gleichgewicht in der Natur, ein Ergebnis der Tanztherapie

Der Abszess am Thalamus, die Steuerzentrale des Körpers, hat meine gesamte Körperfunktion gestört, die ich nur "Step by Step" wieder zu reparieren vermag. Die Tanztherapie hat genau diesen ganzheitlichen Ansatz, den ich brauche.

Thalamus, Hirnabszess
Hirnabszess am Thalamus

Das therapeutische Tanzen ist die einzige Therapie, die ich seit drei Jahren mache und ich möchte keine einzige Stunde missen. Nach jeder Stunde habe ich etwas dazugelernt, dass mich oft bis zur nächsten Stunde beschäftigte und ich weiter übte. So gelang es mir bisher Schritt für Schritt, mein Gehen, mein Vertrauen, mein Bewegen und meine Wahrnehmung zu verbessern.

6 Jahre Rehabilitation, 3 Jahre therapeutische Tanzen

Wenn ich zurückdenke, mit welchem Druck in meinen Reha-Aufenthalten gearbeitet wurde, um nach sechs Wochen stationärer Therapie herzeigbare Ergebnisse präsentieren zu können? Mit einem Bruchteil der Summen, welche die SVS damals aufwendete, wäre die Tanztherapie und damit eine wesentlich bessere Rehabilitation möglich gewesen. Gerade diese ersten zwei Jahre sind so wichtig, da hier die größten Verbesserungen zu erwarten sind. Da sie aber nicht im Katalog der SVS aufscheint und von der Sozialversicherung nicht anerkannt wird, wurde mir diese Möglichkeit weder gesagt, geschweige denn angeboten.

Es geht halt, wie so oft, nur ums liebe Geld und nicht darum den Menschen wirklich helfen zu wollen. Geld umzuverteilen ist meist der Grund, denn an Krankheit verdienen viele, der Mensch steht dabei an zweiter Stelle. Wie das so läuft, hat die Pandemie gezeigt, wenn man sich die Nutznießer anschaut und wohin vieles Geld und Leistungen geflossen sind. Mit großer Mehrheit nicht zu den Menschen, die es gebraucht hätten.

Die Politik ist kaum mehr für uns Menschen da, sie bestimmen aber die Richtung. Irgendwas läuft da verkehrt.

Am Anfang nach dem Hirnabszess war einzig und alleine der Druck da, mich wieder in den Arbeitsalltag eingliedern zu können. Bei jedem Gespräch mit der SVS kam im Nachsatz, "...aber sie wissen schon, dass sie nach der Reha wieder arbeiten müssen, zwar eventuell nur in einem Teilbereich, was sie bisher machten, aber arbeiten gehen müssen sie!".

Dabei war ich damals nur daran interessiert, mich wieder alleine bewegen zu können, denken zu lernen und mein Leben wieder irgendwie auf die Reihe zu bekommen. Da hatte ich wirklich andere Sorgen, als mich ums Arbeiten zu kümmern.

Gehen lernen, mich wieder bewegen zu können!

Mit dem therapeutischen Tanzen ins Leben kommen

Trotz therapeutischen Tanzen bin ich noch weit davon entfernt, wieder Arbeiten gehen zu können. Das ist und war allerdings auch nie mein Anspruch. Ich habe den Hirnabszess überlebt und das war meine größte Leistung, alles Weitere ist nur Draufgabe. Hätte ich nicht durch Zufall von der Tanztherapie erfahren und mich darüber getraut, so hätte ich mich mit Sicherheit mehr in Richtung eines Pflegefalls bewegt, denn 2019 war ich noch immer einer.

Dass ich mich 2018 trotz der Defizite auf den Camino in Spanien begeben habe und die Tanztherapie 2019 begann war, schlichtweg gesagt, die Rettung für mein Leben.  

In der Therapie lerne ich, wieder mit mir in Verbindung zu kommen, meinen Rhythmus zu finden, meine Gefühle und Emotionen zu regulieren, mit anderen Menschen in Kontakt treten zu können und vieles mehr. Das und der Camino sind mein Lebenselixier. Diese beiden sind mir die größte Hilfe, wieder ins Leben zu finden.

Ende August hatte ich erstmals einen Zustand beim therapeutischen Tanzen erlebt, wie ich ihn mir seit sechs Jahren wünsche. Ich hatte immer diesen Wunsch, mich einfach nur 10 Minuten, ohne nachzudenken, bewegen zu können, einfach nur zu SEIN und die Welt um mich herum wahrnehmen zu können, wie früher. Für ca. 45 min. hatte ich nach der Therapie erstmals dieses Gefühl. Es ist meine Motivation für das weitere Training, es wieder zu können. Es war zwar nur kurz, aber es war ein traumhaftes Gefühl. Ich werde später in einem eigenen Blogartikel darauf näher eingehen, was und wie ich das erlebte und werde versuchen, die Tanztherapie vorstellen.

Soviel sei dazu gesagt, dass mir diese rund eine Stunde zeigte, dass jeder der bisher über 2.600 Tage oder 52.900 Stunden es wert war, das doch oft recht mühsame Training zu machen, weiter zu üben und jeden Tag dranzubleiben, selbst wenn es manchmal sinnlos erschien. Dafür bin ich so dankbar, den der Schritt zum Pflegefall war näher, als man glaubt, vor allem wenn man mich heute sieht, glaubt man es kaum. Es hätte definitiv anders ausgehen können.

In der Kraftkammer
In der Kraftkammer

Aber jetzt zum Camino France im Herbst...!

Zur Belohnung für diesen intensiven Sommer, geht es zum Camino France. Mein jüngerer Sohn Elvin wird mich begleiten und das ist für mein Gehirn eine besondere Aufgabe, alles zu planen und auch unterwegs damit umzugehen. Andererseits plane ich nicht zu viel im Voraus, den der Camino wird auch diesmal wieder seine Magie, seine Schätze und manchmal auch seine Herausforderungen bereithalten. Einfach darauf einlassen, schauen was kommt und vertrauen.

"Du bekommst, was du brauchst, nicht, was du dir wünscht!"

Camino Sprichwort

Planvoll ohne Plan ist das Motto. Da mein Sohn arbeitet, ist es für uns ein großes Privileg, vier Wochen freizubekommen. Trotzdem bin ich zum ersten Mal mit einem Limit in der Zeit unterwegs. Das wird eine Herausforderung für mich, aber auch für Elvin. Theoretisch müssten wir im Schnitt 30 Kilometer am Tag gehen. Schaffen wir das nicht, werden wir für ein Stück auch den Bus nehmen.

Camino Frances
Camino Frances

Die Ausrüstung

Da ich Kraft und Stabilität in der Pandemie eingebüßt habe, muss ich am zu tragenden Gewicht feilen. Durch die Erfahrung mittlerweile, habe ich alles optimiert, immer meinem Gesundheitszustand angemessen, das Leichteste zu verwenden. So werde ich nur 3,5 Kilogramm Basisgewicht tragen, zu dem sich noch Wasser und Verpflegung dazugesellt.

Der Oktober kann noch recht warm sein, trotzdem kann es auch recht kühl werden. Dünne Daunenjacke, Regenschutz und Wärmeschicht ist wichtig, um für alles gerüstet zu sein. Man glaubt aber nicht, mit wie wenig man in Wirklichkeit auskommen kann. Für mich bedeutet weniger Gewicht, halt sehr viel mehr an Genuss, denn durch die Muskelschwäche bin ich nur begrenzt belastbar. Dadurch, dass ich aufs Gewicht schaue, sind Fernwanderungen erst möglich geworden.

Meine Ausrüstung
Meine Ausrüstung am Camino France, 3,5 kg Basisgewicht

Auf Zelt oder Campingausrüstung muss ich derzeit noch verzichten, trainiere aber darauf hin. Ich möchte gerne endlich von zu Hause aus nach Santiago aufbrechen oder eine große Runde durch Deutschland gehen. Immerhin 3 - 4.000 Kilometer. Allerdings muss das noch warten, bis ich meine Muskeln so weit hinbekommen habe.

Der Benefit vom Weitwandern

Weit- oder Fernwandern schenkt Selbstvertrauen und Freiheit und macht mich glücklich. Drei Eigenschaften, an denen ich auch zu Hause arbeite. Es sind Grundvoraussetzung für Heilung.

Diese Reduktion aufs Wesentliche macht einen empfänglicher für die oft kleinen Schritte in meiner Rehabilitation. Zu Hause wird man ständig von Reizen überflutet, überhaupt ich, mit meinem löchrigen Gehirn, das Reize ungefiltert hindurchlässt. Darum gehört eine ungeheure Selbstdisziplin dazu, mich in der Stadt oder neben Verkehr zu bewegen. Deswegen suche ich so oft die Natur auf, um meinem Gehirn die Gelegenheit zu geben, sich zu erholen.

Hingegen macht eine Weitwanderung oder Pilgerfahrt den Kopf frei. Man wandert dann nicht nur mit den Füßen, sondern auch der Kopf wird bewegt, im geistigen Sinne. Die aufkommenden Glücksmomente spürt man beim Wandern sehr direkt, schnell und intensiv. Das fördert mein Wohlbefinden. Kleine Dinge, wie ein wärmer Sonnenstrahl, eine Blume oder ein Insekt, bekommen eine größere Wertigkeit.

Pilgern und therapeutisches Tanzen

So werde ich auch diesmal wieder das Pilgern mit beim therapeutischen Tanzen gelernten Sachen verbinden. Ein wichtiger Faktor ist dabei die Leichtigkeit. Dafür habe ich wieder eigens von meiner Therapeutin Tücher bekommen, die diese Leichtigkeit unterstützen werden. Ich hatte sie schon am Walkabout dabei.

Walkabout durch Austria, mit Tüchern vom therapeutischen Tanzen zu mehr Leichtigkeit.
Walkabout, mit Tüchern vom therapeutischen Tanzen zu mehr Leichtigkeit

Für Elvin wird es ebenso eine tolle Erfahrung werden, denn schon bei meinem ersten Mal im Jahr 2018 wollte ich ihn meinen Kindern näherbringen. Mit meinem älteren Sohn Noah bin ich ja gleich nach meiner Rückkehr 2018 noch einmal hingefahren. Auch er hat den Camino speziell in Erinnerung behalten. Für Elvin kam dann die Pandemie dazwischen, daher bin ich froh, dass es jetzt klappt.

Los geht es Ende September. Ich werde auf Facebook hin und wieder berichten oder in der Story Bilder posten. Ende Oktober wissen wir jedenfalls, wie die Pilgerfahrt verlaufen ist.

Ultreia und Buen Camino


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Ich bin Jörg, wohne in der Nähe von Graz und blogge hier über meinen Weg zurück ins Leben, das ein Hirnabszess 2016 völlig auf den Kopf gestellt hat.
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