Beides wurde zu einem wichtigen Teil meines Lebens. Der Jakobsweg jetzt und das Trailrunning früher.
Nach dem Hirnabszess war und ist beides eine Motivation fürs TUN gewesen. Aufgeben war somit nie ein Thema für mich.
Ich lag im Bett, die rechte Seite gelähmt, konnte nicht gehen und nicht denken. Trotzdem kam mir ein Bild immer wieder vor Augen. Der Eiger Ultra Trail. Dort wieder mit zu laufen, war meine tägliche Motivation. Deshalb auch der Blog-Name "von0auf101", eben die Distanz vom Eiger Ultra Trail.
Ich brauchte 2,5 Jahre Training und Reha, um zum Jakobsweg zu gelangen. Mehr schlecht als recht, aber ich war unterwegs und es hat mir sehr gut getan.
Viele waren überrascht und dachten, ich hätte die Krankheit überstanden. Dem ist aber nicht so.
Es war ein Ausbruch aus dem Alltag, den ich nicht mehr ausgehalten habe. Zwei Jahre nur Reha, Training und Üben lagen hinter mir. In dieser Zeit habe ich alles für meine Rehabilitation gegeben, da ich wusste, dass in den ersten zwei Jahren die meisten Verbesserungen geschehen würden.
Ja, ich habe viel erreicht, mehr als man vielleicht gedacht hat. Mir selbst ist es natürlich oft zu wenig, denn ich musste erst realisieren, was überhaupt passiert ist. Es war keine Grippe mit 14 Tagen Pause. Das wurde mir erst viel später bewusst. Mein Gehirn war stärker als gedacht betroffen, die Bewegung sowieso und mit dem Verstehen habe ich auch heute noch meine Probleme.
Vom Anfang an begann ich mit der Kraft der Vorstellung zu arbeiten. Ich konnte die ersten Monate nicht in die Vergangenheit oder Zukunft denken. Ich reagierte nur auf das, mit dem ich direkt konfrontiert war. Vergangenes war unmöglich.
Die Vorstellungskraft war mir aber möglich. Ich stellte mir immer wieder vor, wie ich leicht und federnd durch den Wald lief. Dazwischen sprang ich über Wurzeln oder schmale, steile, steinige Trails bergab. Und nicht nur Vorstellen, sondern das Gefühl dazu wurde wichtig.
Dieses Vorstellen ist auch heute noch ein wichtiger Teil.
Die letzten Jahre vor dem Hirnabszess haben mir jetzt sicher sehr geholfen. Denn das Trailrunning schulte besonders viele Punkte, die ich jetzt zwar wieder lernen muss, aber gut kannte.
Die Aussage eines Therapeuten in der Reha bestätigte mir das. Er meinte dazu: "Was wir jetzt in einer Einheit erledigten, muss ich mit anderen 14 Tage lang üben!".
Dieses Bewegungsgefühl habe ich durch das Laufen besonders gut geübt. Trailrunning war mein Glück. Es vereint so vieles. Besonders mit dem Gleichgewicht habe ich trotz der großen Schwierigkeiten enorm viel weitergebracht.
Laufen kann ich noch nicht, daher wollte ich aus bekannten Gründen Pilgern. Wobei aus dem Pilgern mehr als ein Zwischenziel geworden ist.
Norbert Wastian, vom Trailrunning Szene Magazin sagte mir: "Es muss nicht immer Trailrunning sein, mach eben Trail-Gehen oder Trail-Wandern daraus!".
Das half mir. Ich machte eben Trail-Pilgern daraus. Schnelligkeit ist nicht wichtig für mich, wenn ich es auch geliebt habe, große Strecken im Gebirge am Stück zurückzulegen.
Beim Pilgern habe ich die richtigen Elemente für mich drinnen. Vor allem Achtsam unterwegs zu sein. Das Pilgern kommt meiner Langsamkeit entgegen.
Das Dranbleiben habe ich besonders durch den Sport schon früher trainiert. Ich bin quasi darauf konditioniert. Daher kam ein Aufgeben im Krankenhaus nicht in Frage und auch jetzt nicht.
Aber eines darf nicht darüber hinwegtäuschen. Es war eine schwere Krankheit und wird noch lange brauchen. Denn es wie ungeschehen zu machen, gelingt selbst mir nicht.
Was ich jedem gerne mitgeben möchte ist, NIE AUFZUGEBEN!
Denn weiter unten wie Null, gibt es nicht, außer den Tod. Aber wie viele geben schon wesentlich früher auf?
Ich kann es gar nicht oft genug sagen: